Anschober im Interview

Warum schreiben Sie für die „Krone“?

Persönlich
17.10.2021 06:00

Nach sechsmonatiger Auszeit steht Rudolf Anschober (60) wieder auf der öffentlichen Bühne: Der ehemalige Gesundheitsminister der Grünen ist jetzt Vortragender, Buchautor - und „Krone“-Kolumnist! Mit Conny Bischofberger spricht er über sein neues Leben, die Regierungskrise und ein geplantes Treffen mit Sebastian Kurz.

Samstagmittag im Garten des Café Dommayer, Wien-Hietzing. Nicht sehr weit von hier wohnt Rudolf Anschober seit Kurzem. „Nach dem schönen Landleben genieße ich jetzt die Großstadt“, sagt er und bestellt einen Espresso. Der sanftmütige, 48 Kilo schwere Retriever schlendert von Tisch zu Tisch und begrüßt Leute. Ab und zu bleiben Gäste stehen und sagen dem ehemaligen Minister, dass sie ihn vermissen. „Sie waren wie ein Familienmitglied, wenn Sie im Fernsehen gesprochen haben!“ Anschober ist gerührt. Sechs Monate nach seinem Rücktritt aus der Regierung startet er jetzt neu durch. Er schreibt an einem Buch, das im März erscheint. Und am kommenden Sonntag startet seine „Krone“-Kolumne „Wendepunkte“.

„Krone“: Wie geht es Ihnen, Herr Anschober?
Rudolf Anschober: Immer besser. Der Tinnitus ist weg, der Blutdruck wieder normal, nur die Zuckerwerte brauchen noch, bis sie dort sind, wo sie sein sollten. Ich gehe regelmäßig laufen und bin auf dem besten Weg, wieder richtig fit zu werden.

Warum sind Sie nach Wien übersiedelt?
Das hat mit meinem neuen Leben zu tun. Ich habe Oberösterreich nach wie vor gern und werde öfter auch droben sein. Aber Wien ist den Möglichkeiten und Notwendigkeiten meiner Zukunft einfach näher.

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Kardinal Schönborn, Barbara Stöckl, Michael Jeannée: Für diese Breite ist die „Krone“ bekannt. Mir ist der Respekt vor Andersdenkenden immer wichtig gewesen.

Rudolf Anschober

Wie sieht die aus?
Ich bin mit meinem Ausscheiden aus der Regierung auch aus der Parteipolitik ausgeschieden. Und habe seither auch keinen Euro öffentlicher Gelder erhalten. Nachdem ich wieder gesund bin, baue ich mir eine neue wirtschaftliche Existenz auf. Ich schreibe ein Buch, das am 14. März erscheinen wird, ich halte Vorträge und mein Traum war es immer, eine Zeitungskolumne zu schreiben.

Warum schreiben Sie für die „Krone“?
Bei der „Krone“ habe ich ein großes Publikum, das größte Publikum. Die „Krone“ hat eine hohe Kolumnenkultur und eine lange Tradition beim Umweltschutz. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste Begegnung mit Hans Dichand, ich habe ihm damals 2007 mein Buch „Die Klima-Revolution - So retten wir die Welt“ überreicht. Meine Reportage aus dem Amazonas-Regenwald hat ihn besonders interessiert, weil er mehrfach dort war und vom wilden Abholzen des Regenwalds durch die Konzerne schockiert war. Dann stellten wir fest, dass wir beide Retriever haben …

Als „Krone“-Kolumnist werden Sie Kollege von Kardinal Schönborn, Barbara Stöckl, Michael Jeannée …
Und der wunderbaren Klimawissenschafterin Helga Kromp-Kolb. Für diese Breite ist die „Krone“ ja bekannt. Mir ist der Respekt vor Andersdenkenden immer wichtig gewesen. Bei der „Krone“ werde ich meine ganz persönliche Meinung formulieren und all meine Erfahrung aus fast 18 Jahren Regierungsarbeit einbringen. Das ist auch der Sinn von Kolumnen, sie machen ja den klassischen Teil der Zeitung erst so richtig abwechslungsreich.

Wie die Rosinen im Gugelhupf?
Rosinen sind sehr gut, aber es geht schon um die gesamte Mehlspeise (lacht).

Die Kolumne wird den Titel „Wendepunkte“ tragen. Ist das Ihrer Auszeit geschuldet?
Nicht nur. Ich habe nach dem Ausscheiden aus der Regierung, auch für mein Buch, mit sehr vielen Menschen gesprochen. Mit Schwerkranken oder Menschen, die in der Covid-Krise einen Angehörigen verloren haben. Jede Krise im Leben ist ein Tiefschlag, aber sie kann ein Wendepunkt sein, und aus jeder Krise kann man gestärkt hervorgehen. Ich möchte in meiner Kolumne Impulse setzen, Nachdenkprozesse auslösen, Hoffnung geben, dass in jeder noch so schwierigen Situation immer auch eine Chance liegt. Das ist auch in der jetzigen Phase der Innenpolitik so.

Welche Chance liegt in der Regierungskrise?
Es geht neben strafrechtlichen und politisch-moralischen Fragen vor allem um das Wichtigste in einer Demokratie, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik. Die Kurz-Affäre ist ein Super-GAU für das Vertrauen. Jetzt brauchen wir einen Neubeginn, einen Wendepunkt.

Rudolf Anschober (Bild: Markus Wenzel)
Rudolf Anschober

Wie könnte der aussehen?
Lückenlose strafrechtliche Aufklärung. Eine Justiz, die unabhängig und ohne Zurufe ermittelt. Die ÖVP muss ihre Angriffe auf die Justiz einstellen. Ein Untersuchungsausschuss muss aufklären. Diese Ergebnisse müssen zu Reformen bei Transparenz und Kontrolle führen. Und meine Erfahrung in der Politik ist, dass wir wieder mehr ehrlichen Respekt voreinander, vor den Andersdenkenden und deren Meinungen benötigen. Sebastian Kurz hatte 2017 den Wahlslogan: „Ein neuer Stil“. Einen neuen Stil brauchen wir jetzt tatsächlich.

Trauen Sie dem neuen Bundeskanzler Alexander Schallenberg diesen Neubeginn zu?
Schallenberg ist gelernter Diplomat, das ist sicher eine gute Grundvoraussetzung. Ich hoffe, dass er sich Schritt für Schritt emanzipieren kann und einen selbstständigen Kurs geht. Dann kann das wieder eine sehr gute Regierungsarbeit werden. Und die brauchen wir dringend, gerade wegen der Pandemie und der Klimakrise.

Jänner 2020: Der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober mit dem damaligen Außenminister Alexander Schallenberg (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Jänner 2020: Der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober mit dem damaligen Außenminister Alexander Schallenberg

Mit Kurz als ÖVP-Chef?
Ich glaube, es konnte niemand erwarten, dass Sebastian Kurz sich jetzt eine Finca auf Mallorca kauft und dort die nächsten 40 Jahre Sudoku spielt. Das war ein großer Schritt.

Sind Sie von ihm enttäuscht?
Ich möchte nicht verhehlen, dass ich über viele Monate hindurch, das ganze erste halbe Jahr in der Regierung, eine sehr gute Zusammenarbeit mit ihm hatte. In den Monaten darauf ist es dann immer schwieriger geworden. Vom Sittenbild, das die Chats zeigen, bin ich entsetzt.

Worüber am meisten?
Als die Begründung für die Hausdurchsuchung öffentlich wurde, war das schockierend. Aber als dann am Freitag letzter Woche die restlichen Chats kamen, war das noch viel dramatischer, weil sie ein verheerendes Sittenbild, ein System zeigen. Und den Eindruck erwecken, dass da die eigene Karriere über dem Wohl der Bevölkerung steht. Diesen Eindruck muss man kriegen, wenn man sich die Geschichte rund um die Kindergartenmilliarde anschaut. Das ist zum Davonlaufen. Abgesehen vom Tonfall und den abfälligen Bemerkungen.

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Die Kurz-Affäre ist ein Super-GAU für das Vertrauen in die Politik. Jetzt brauchen wir einen Neubeginn.

Rudolf Anschober

Haben Sie nie „Arsch“ geschrieben?
Entscheidend finde ich nicht die Wortwahl, sondern das Sittenbild.

Wird es trotzdem zu Ihrem geplanten Treffen mit Sebastian Kurz kommen?
Sicher. Nach eineinhalb Jahren, in denen man eng zusammengearbeitet hat, wird es gut sein, ein Gespräch darüber zu führen, alles aufzuarbeiten.

Dezember 2020: Anschober und Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Dezember 2020: Anschober und Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz

Würden Sie dieses Gespräch auch führen wollen, wenn es zu einer Anklage käme?
Natürlich. Gespräche führen soll man mit jedem Menschen. Karl Jaspers hat gesagt: Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen.

Er lebt mit Hund und Katzen

Geboren am 21. November 1960 in Wels, erlernter Beruf: Volksschullehrer. Politisch aktiv seit den 1980er-Jahren, am Beginn in der Anti-Atom-Bewegung, zuletzt mit der Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“. 1990 zieht er als Verkehrssprecher der Grünen in den Nationalrat, ab 1997 ist er Abgeordneter im OÖ-Landtag, ab 2003 Umwelt- und Integrations-Landesrat. Im Jänner 2020 wird er Minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, im April 2021 gibt er aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt bekannt. Seine Wohnung in Wien teilt Anschober mit Hund „Agur“ und den Katzen „Toni“ und „Jeanny“.

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