Achtung, Gesundheitsgefährdung bei falscher Einnahme - so steht es auf dem Beipackzettel von Medikamenten. Tausende Patienten holten sich durch einen fatalen Software-Fehler eine Überdosis in der Apotheke ab.
Es ist die Horrorvorstellung aus der Zukunft im Hollywood-Thriller mit unserem Arnold Schwarzenegger als „Terminator“: Ein außer Kontrolle geratenes Computersystem übernimmt die Kontrolle. Genau das ist offenbar bei der sogenannten E-Medikation, Teil der elektronischen Gesundheitsakte ELGA, passiert. Denn die korrekten Medikamentenverschreibungen von Hausärzten wurden durch eine Computer-Panne bei den Apotheken wie von Geisterhand verändert.
Also quasi Lebensgefahr auf Rezept! Denn beim Abholen war die Dosierung gegenüber der eigentlichen Angabe etwa bei Blutverdünnern oder Insulin für Diabetiker zigfach erhöht. Vor wenigen Tagen ist die tickende „Gesundheits-Bombe“ explodiert. Durch die Regierungskrise blieb aber alles bisher unter der Decke.
Es lag kein Fehler in der zentralen Anwendung E-Medikation und auch nicht in den Software-Produkten der Ordinationen vor.
Aus dem Brief der Ärztekammer
„Dringender Handlungsbedarf“
Selbst die Apothekerkammer schreibt in einem internen Informationsbrief von „dringendem Handlungsbedarf“, durch die „falsche Dosierung“ drohe eine „akute Gesundheitsgefährdung“. Bisher wurde dem - mittlerweile gestoppten - fatalen Softwarefehler erst einen Monat rückdatiert nachgeforscht. Die beängstigenden Zahlen:
Rechnen wir die jetzt bekannten Zahlen mal 24 Monate. Und nehmen noch die Spitäler dazu. Das wäre eine echte Katastrophe!
Ein Insider
Jetzt jagt eine Krisensitzung die nächste. Ein Datenforensiker soll rasch beauftragt werden. Und die Zeit drängt: Die Pannen-Software eines heimischen Unternehmens wird schon seit zwei Jahren eingesetzt. Ein Insider: „Es ist ganz einfach. Rechnen wir die jetzt bekannten Zahlen mal 24 Monate. Und nehmen noch die Spitäler dazu. Das wäre eine echte Katastrophe!“
Hinter vorgehaltener Hand wird auch schon von Todesfällen durch Medikamenten-Überdosis aus dem Computer gesprochen ...
„Es fehlt an Qualitätssicherung“
Im Gespräch mit der „Krone“ schlägt Prof. Dr. Dietmar Bayer, Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark, Alarm. Wann der Fehler erstmals auftrat, ist zurzeit noch nicht bekannt.
„Krone“: Wie funktioniert die E-Medikation, und wie konnte es zu dieser Panne kommen?
Dietmar Bayer: Der Arzt stellt das Rezept aus und speichert es in der E-Medikation, die Teil der ELGA ist. Diese Information gelangt an die Apotheke. Jede Apotheke hat eine Apotheken-Software. In einer Apotheken-Software kam es zu einer Umschreibung. Es wurden plötzlich falsche Dosierungen angegeben.
Wie gefährlich ist die Panne für die Patienten?
Im schlimmsten Fall kann das tödlich enden. Denken Sie nur an häufig verschriebene Medikamente, wie etwa Blutverdünner oder Insulin, wenn der Patient plötzlich die doppelte oder dreifache Dosis zu sich nimmt.
Wie viele Patienten sind von der falschen Dosierung betroffen?
In den vier Wochen wurden 3500 Rezepte ausgestellt. Bis jetzt ist es in 60 Fällen zu einer gefährlichen Falschdosierung gekommen. Die Betroffenen werden kontaktiert. Wir hoffen, dass niemand zu Schaden gekommen ist. Außerdem werden Tausende niedergelassene Mediziner und Spitalsärzte informiert.
Wann hat sich der Fehler eingeschlichen?
Zurzeit ist nicht bekannt, wann der Fehler begonnen hat bzw. ob das Problem schon von Anfang an da war. Dazu muss eine forensische Analyse von einem Gutachter gemacht werden. Die ELGA ist eine Datenautobahn. Hier darf es nicht zu Umleitungen kommen.
Was ist die größte Herausforderung?
Die Frage ist, wie können solche Fehler künftig verhindert werden. Dazu bedarf es einer lückenlosen Aufklärung und einer Qualitätssicherung. Man hätte von Anfang an ein Qualitätsmanagement bei der ELGA mitlaufen lassen können.
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