Während das ÖVP-Team rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz wie gewohnt weitermachen möchte, werden kritische Stimmen innerhalb der Partei immer lauter. So schließt etwa der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler eine Rückkehr von Kurz ins Kanzleramt aus - zu sehr habe der Skandal das Vertrauen erschüttert. Es brauche nun eine Abkehr vom „Modell Kurz“, jedoch keine Rückkehr zur „alten ÖVP“, so Fischler.
Die ÖVP steht - mit dem Aufbrechen der Umfragen-Affäre und dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler - in der „schwersten Krise ihrer Parteigeschichte“, konstatierte der Politikwissenschaftler und ÖVP-Kenner Fritz Plasser am Sonntag. Über Wege aus dieser Krise diskutierten Plasser, Landwirtschaftsministerin und Kurz-Vertraute Elisabeth Köstinger, der frühere ÖVP-Chef und EU-Kommissar Franz Fischler und NEOS-Gründer Mathias Strolz am Sonntagabend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“.
Fischler: „Dieses Modell funktioniert nicht“
Für Fischler - der sich mit Kritik an Kurz und Co. nicht zurückhielt - ist nach allem, was über die Chats und Ermittlungsunterlagen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ans Licht kam, klar, dass das „,System Kurz' so unakzeptabel ist“. Die ÖVP müsse einsehen, „dass dieses Modell nicht funktioniert“ - und sie werde es auch „nicht aushalten“, mit Kurz als Spitzenkandidat in die nächste Wahl zu gehen, wenn parallel etwa ein Strafverfahren läuft.
Aber auch zur „alten ÖVP“ zurückzukehren wäre für Fischler keine Lösung, sondern „das Ende der ÖVP“. Es gelte, Vertrauen zurückzugewinnen, Strukturen zu ändern, und „wieder mehr in Richtung Gemeinschaft zu denken“, damit sich „nicht die gesamte ÖVP in einer schmalen Gruppe junger Leute erschöpft“.
Strolz: „Lüge ist Standardinstrument“
Drastisch fiel der Befund von Ex-NEOS-Chef Strolz aus - der 2016 mit Kurz und Irmgard Griss über eine gemeinsame Wahlplattform verhandelt hatte. Ihn entsetzte damals die kaltschnäuzige Ansage des 30-jährigen Kurz, dass er „lügen kann“ (konkret: Medien anlügen über diese Verhandlungen). Bis heute ist Strolz überzeugt, dass „Lüge bei ihm ein Standardinstrument ist“, Kurz „nicht integer handelt“, eine „Kunstfigur“ aufbaute, und dass hinter dem „hochpolierten Lack wilde Abgründe lauern“.
Strolz: „Elli, es ist vorbei, es ist vorbei“
So ist Strolz‘ Rat an die ÖVP denn auch: Sie müsse erkennen, dass „eine kaltschnäuzige Karrieristenclique die Kontrolle übernommen hat“ und Kurz auch als Partei- und Klubobmann nicht haltbar sei. Die ÖVP müsse sich „an Haut und Haaren erneuern“. Es müsse sich jemand finden, der „entschlossen in die Führung geht“. An Köstinger und die anderen Mitglieder des Kurz-Teams appellierte er, „den Weg frei zu machen“ - und er sagte der Kurz-Vertrauten ganz unumwunden seine Meinung: „Elli, es ist vorbei, es ist vorbei.“
Köstinger will weitermachen
Das sah Köstinger, die dem „innersten Kreis“ des Ex-Kanzlers angehört, nicht so. Kurz und sein Team hätten „schon die klare Vision, den klaren Anspruch, dieses Land zu gestalten, genau das wollen wir weiter tun“. Sie sieht die Partei weiter „geschlossen“, wenngleich es freilich „viel Verunsicherung gibt“. Was die Ermittlungen gegen Kurz und andere betrifft, brachte Köstinger - neben dem Einmahnen der Unschuldsvermutung - die bekannten Verteidigungsargumente vor. Sie halte „diese Heuchelei und Doppelmoral fast nicht mehr aus“.
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