Nachdem die „Krone“ einen schwerwiegenden Software-Fehler in zumindest 33 Apotheken enthüllt hat, jagt eine Krisensitzung die nächste. Von allen Seiten wird auf rasche und lückenlose Aufklärung gepocht. Der Grundtenor der Österreichischen Ärztekammer lautet: Der Gang in die Apotheke darf nicht zum Gesundheitsrisiko werden.
Nach dem „Krone“-Bericht rund um eine kapitale Computer-Panne in den Apotheken - die meisten davon in Wien - gehen die Wogen richtig hoch. Beschwichtigungsversuchen seitens der Apothekerkammer steht die Forderung nach rascher, lückenloser Aufklärung entgegen. Patientenanwalt Gerald Bachinger fordert jetzt etwa konkrete Qualitätsvorgaben und Kontrollen für Software-Lieferanten.
Was war passiert?
Bei zumindest 33 Apotheken führte die Computer-Panne dazu, dass verschriebene Arzneimittel bei der Ausgabe falsch dosiert wurden. Das wäre im Falle eines Abführmittels möglicherweise unangenehm, bei Insulin oder Blutverdünnern aber durchaus lebensgefährlich. Nach letzten Infos sollen österreichweit 3000 Rezepte betroffen sein. „Die Apotheker stehen persönlich in Kontakt mit allen betroffenen Patienten sowie den verschreibenden Ärzten, um die Medikation auf Richtigkeit zu prüfen“, heißt es in einer Stellungnahme der Apothekerkammer. Sowohl ihre Mitglieder als auch die niedergelassenen Ärzte wurden schriftlich über den Fehler informiert.
Wir haben bereits mit allen relevanten Stellen Kontakt aufgenommen. Der Fall wird gerade untersucht - das muss aufgeklärt werden!
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne)
Fehler durch Rücksprache bemerkt
Wie berichtet, ist die Panne auf eine private Software-Firma mit Sitz in Wien zurückzuführen, nicht auf die elektronische Gesundheitsakte ELGA. Bemerkt wurde der Fehler übrigens durch die enge Zusammenarbeit einer Ärztin mit einer Apothekerin: Weil bei der Dosierung etwas nicht stimmen konnte, hielten die beiden Frauen miteinander Rücksprache und brachten damit den Stein ins Rollen.
Das war am 30. September. Zunächst ging man davon aus, dass nur diese Apotheke im 1. Wiener Gemeindebezirk betroffen war - letztlich waren es besagte 33. Der Fehler wurde mittlerweile behoben.
Zusammenarbeit läuft nicht immer gut
Zweifelsfrei sind sowohl die niedergelassenen Ärzte als auch die Apotheker zentrale Säulen unseres Gesundheitssystems. Doch so gut läuft die Zusammenarbeit nicht immer ab. Und nicht selten geht es um wirtschaftliche Interessen. Konfliktpotenzial gibt es etwa bei der Forderung der Ärzte, selbst Hausapotheken unterhalten zu dürfen. Auf der anderen Seite gefiel die Idee der Apotheken, selbst gegen das Coronavirus zu impfen, den Ärzten nicht. Auch eine aktuelle Werbekampagne der Apothekerkammer in Oberösterreich löste bei den Medizinern Verstimmung aus. Darin werde vermittelt, dass man bei Beschwerden zuerst in die Apotheke anstatt zum Arzt gehen solle. Die Apotheker wiesen den Vorwurf zurück.
„Schaut‘s, dass ihr eine ordentliche Software habt“
Ärztekammer-Vize Johannes Steinhart fordert eine lückenlose Aufklärung der EDV-Panne. Patienten müssten auf das System vertrauen können. Und er übt Kritik: „Der Gang in die Apotheke darf nicht zum Gesundheitsrisiko werden.“
„Krone“: Ist mittlerweile bekannt, ob noch weitere Patienten gefährliche Dosierungen verordnet bekommen haben?
Johannes Steinhart: Das ist noch nicht ganz klar. Die Untersuchungen reichen derzeit nur bis einen Monat zurück. Nun braucht es Datenforensiker, um das zu analysieren. Man sieht auch an diesem Vorfall, wie wichtig eine End-to-end-Qualitätssicherung wäre, die den gesamten Vorgang über alle Anwender hinweg abdeckt.
Haben sich Mediziner bei Ihnen gemeldet, nachdem die Panne aufgeflogen war?
Wir haben vonseiten der Ärztekammer eine Warnung ausgesprochen. Ob was kommt, wird sich noch zeigen.
Welche Konsequenzen erwarten Sie?
Gesundheitsminister Mückstein muss sich dafür einsetzen, dass die Causa lückenlos aufgeklärt wird. Es reicht ja schon das Grundrisiko in der Medizin. Ich wundere mich, wo die Patientenanwälte bleiben. Es waren ja auch Spitalspatienten davon betroffen.
Sehen Sie durch die Panne in einer Apotheken-Software Ihre langjährige Forderung nach Hausapotheken bestätigt?
Wir hätten auf jeden Fall keine EDV, die dazwischengeschaltet wird und einen Fehler macht. Da muss man einmal die Apotheken allen Ernstes zur Verantwortung ziehen und sagen: „Schaut‘s, dass ihr eine ordentliche Software habt.“
Wie sieht es nun mit dem Vertrauen der Patienten aus? Sind die Menschen jetzt verunsichert?
Es kann nicht sein, dass das Geschäft im Vordergrund steht. Zum Schutz der Patienten muss rasch gehandelt werden. Der Patient muss Vertrauen in das System haben können. Der Gang in die Apotheke darf nicht zum Gesundheitsrisiko werden.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.