Der Skandal rund um den Betrug mit Hunderten Millionen Euro an Kundengeld der Commerzialbank Mattersburg ist um eine spektakuläre Facette reicher. Beschlagnahmte 70.000 Euro wurden jetzt aus Safes der Ermittler-Zentrale gestohlen.
Nach der Alpine-Gruppe 2013 und der Konsumgenossenschaft 1995 gilt die aufsehenerregende Pleite der Commerzialbank Mattersburg samt ihren regionalen Filialen als der drittgrößte Insolvenzfall der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Einen Untersuchungsausschuss, der nach sechs Monaten im Frühjahr zu Ende gegangen war, später ist die Zahl der Beschuldigten bereits auf mehr als 30 angestiegen.
Ob Ex-Vorstände, Aufsichtsräte oder Unternehmer - alle Verdächtigen sollen in das kriminelle Netzwerk des früheren Bankchefs Martin Pucher eingebunden gewesen sein, so lautet der Vorwurf.
Jetzt überrascht das Millionen-Fiasko der Commerzialbank mit einem neuen Detail, das an den sicherheitspolizeilichen Grundfesten der Republik rüttelt. Nach Hunderten Millionen, die Pucher in den Sand gesetzt hatte, sind auch noch fast 70.000 Euro verschwunden, die im Zuge der Ermittlungen im Bankenskandal beschlagnahmt worden waren. „Sicher“ verwahrt war das Geld in zwei Tresoren in der Landespolizeidirektion Burgenland in Eisenstadt.
Die Stimmung hinter den Kulissen ist grotesk. Jeder verdächtigt jeden! Sogar Namen werden genannt, konkrete Hinweise auf den Täter gibt es noch nicht.
Ein Ermittlungsbeamter
Zeitpunkt noch fraglich
Ein Safe soll sich beim Journaldienst befinden, der andere bei den Kriminalisten der Wirtschaftsgruppe. „In beiden Fällen hat sich der vorerst unbekannte Täter Zugriff auf die beinahe 70.000 Euro mithilfe des Tresorschlüssels verschafft“, teilt ein Insider mit. Um an das sichergestellte Geld heranzukommen, hatte der Dieb offenbar die Rückseite jenes Kastens angebohrt, in dem die Tresorschlüssel eingesperrt waren. Wann genau dieser besonders dreiste Coup verübt wurde, ist noch fraglich.
Am 14. Juli 2020 um 23.43 Uhr hat die Finanzmarktaufsicht das Ende der Commerzialbank verkündet.
Tags darauf wurde die millionenschwere Pleite öffentlich, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingeschaltet.
Am 22. Juli begann die Auszahlung der Einlagensicherung. Kurz darauf erfuhren die enttäuschten Kunden, dass der Bankenaufsicht schon 2015 Insider-Hinweise auf dubiose Kredite vorlagen.
Im August ging der SV Mattersburg in Konkurs. Später gestand der Ex-Bankchef Fake-Kredite seit Anfang der 1990er-Jahre. Seit 2010 wurden 156 Millionen Euro in Plastiksackerln aus der Bank getragen, 57 Millionen davon flossen in den Fußballklub.
Für Wirbel sorgten auch die Geschenklisten der Bank mit Bürgermeistern, Aufsichtsräten und Wirtschaftsprüfern, die ein Goldblatt um 5000 Euro, einen Silberbarren oder ein VIP-Ticket für ein Match erhalten hatten. Deswegen trat auch ein SPÖ-Landesrat zurück.
Denn laut der Belegschaft sei der Sachschaden an dem Schlüsselkasten nicht auf Anhieb erkennbar gewesen, sondern konnte erst bei einer eher zufälligen Nachschau mit einiger Verspätung festgestellt werden.
Müssen sich alle Beamten einem DNA-Test stellen?
Dieser spektakuläre Krimi mitten in der eigenen Polizeizentrale löste unter den Beamten jedenfalls ein Erdbeben aus. „Die Kollegen reagieren entsetzt darüber“, wird hinter vorgehaltener Hand erzählt. Ob sich die Beamten selbst einem DNA-Test stellen müssen, wurde bereits intern heftig debattiert.
Als Täter kommen Polizisten und Kriminalbeamte ebenso infrage wie Betreuer oder Reinigungskräfte. Für alle gilt die Unschuldsvermutung, wenngleich Verdächtige aufgrund einer prekären finanziellen Situation oder eines Hausbaus genannt werden. Zur Aufklärung des Falles ist das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) eingeschaltet.
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