Dichter Staub liegt wie ein Schleier über den Straßen von Manhattan. Wo einst das blühende Leben herrschte, liegen jetzt nur mehr Schutt und Asche. Dass Crytek ausgerechnet den New Yorker Battery Park samt anschließendem Finanzdistrikt und Wall Street zum Ausgangspunkt seiner Geschichte nimmt, ist sicher kein Zufall. "Crysis 2", die lang ersehnte Fortsetzung des ob seiner grafischen Pracht viel gerühmten Vorgängers aus dem Jahr 2007, handelt allerdings nicht vom Glaubenskrieg fehlgeleiteter Fundamentalisten und deren Angriff auf das World Trade Center, sondern hat eine außerirdische Bedrohung zum Gegenstand.
Helfer in der Not: der Nano-Anzug
Unfreiwilliger Held des Spiels ist ein Soldat namens Alcatraz, der sich der Invasion mit Hilfe eines sogenannten Nanosuits entgegenstellen soll. Die Hightech-Rüstung bildet mit dem Erbgut ihres Trägers eine Symbiose, was diesem schier übermenschliche Fähigkeiten verleiht: Tarnung, Infrarotsicht oder eine Körperpanzerung sind nur einige der Vorzüge, die das Wunderwerk der Technik mit sich bringt. Woher dieses stammt, dürfte Spielern des Vorgängers bereits geläufig sein, doch auch wer das damals noch im tropischen Inselparadies angesiedelte "Crysis" nicht kennt, wird durch die nahtlos an den Vorgänger anknüpfende Story schnell in die Hintergründe eingeweiht.
"Tarnmodus aktiviert"
Der Anzug und dessen Fähigkeiten bestimmen dann auch maßgeblich das Gameplay. Denn nur wer von den Nano-Features ausgiebig Gebrauch macht, kann in der Großstadthölle auch bestehen - zumal die Gegner-KI selbst im niedrigsten Schwierigkeitsgrad auf Trab zu halten vermag. So schaltet man also in den Unsichtbarkeits-Modus, was mit einem sonoren "Tarnmodus aktiviert" bestätigt wird, um an Wachen vorbei zu huschen oder diese aus dem Hinterhalt zu erledigen, stählert mittels Panzermodus seine Haut, falls man doch einmal erwischt wird, oder wechselt in die "Nano-Vision", um Feinde selbst in größter Dunkelheit ausfindig zu machen.
Einen Haken hat das System allerdings: es braucht Energie. Und ist diese leer, steht Alcatraz ziemlich schutzlos in der Gegend. Zusätzliche Nano-Updates, die im weiteren Spielverlauf zur Verfügung stehen, können den Energieverbrauch allerdings reduzieren und die Regenerationszeit bis zur vollständigen Wiederaufladung der Nano-Batterien verkürzen. Das gilt übrigens auch für die Fähigkeiten Sprinten und Springen, die nun nicht mehr extra ausgewählt werden müssen, sondern dauerhaft aktiviert sind.
Konventionelle Waffen dürfen natürlich ebenfalls nicht fehlen. Zwei an der Zahl kann Alcatraz gleichzeitig mit sich führen, sie alle lassen sich bis zu einem gewissen Grad modifizieren, etwa mittels Schalldämpfer oder Laservisier. Hinzu kommen Granaten, C4 oder auch mal eine Panzerfaust. Mehr Durchschlagskraft besitzen da eigentlich nur noch die diversen (Schützen-)Panzer, mit denen sich der Nano-Krieger von Zeit zu Zeit seinen Weg durch New York bahnen muss. So exzessiv wie noch in "Crysis" wird von den Fahrzeugen jedoch nicht mehr Gebrauch gemacht.
Bombast-Optik dank CryEngine 3
Für Abwechslung ist dennoch gesorgt, hält mit der neuen CryEngine 3 doch ein bis dato nicht gekannter Detailreichtum in die Spielwelt Einzug. Auch wenn sich nicht mehr jedes Blatt einzeln vom Baum schießen lässt: Die Spielengine überzeugt mit grandioser Weitsicht, tollem Licht- und Schattenspiel, spektakulären Effekten und realistischer Spielphysik - und das nun nicht mehr ausschließlich auf dem Computer, sondern auch auf der Konsole.
Sowohl auf PC als auch Konsole eine Augenweide
Letzteres stößt den PC-Besitzern sauer auf: Sie bemängeln neben einer fehlenden DirectX-11-Unterstützung vor allem die nicht tief genug greifenden Grafikoptionen. Im direkten Vergleich haben PS3 und Xbox 360 aber nach wie vor das Nachsehen. Insbesondere beim näheren Herangehen an Objekte fallen hier Treppchenbildungen und die geringere Auflösung auf. Von der Konsole übernommen wurde indes das Checkpoint-Speichersystem. Freies Speichern wie noch zu "Crysis"-Zeiten ist damit nicht mehr möglich. Trotz reichlich vorhandener Speicherpunkte bleibt es demnach nicht aus, gewisse Szenen mehrmals in Angriff nehmen zu müssen.
Viele Wege führen zum Ziel
Mitunter hilft aber auch ein Umdenken in der Strategie, denn was an "Crysis 2" besonders gut gefallen hat, sind die weitläufigen und offenen Levels, in denen oftmals mehrere Wege zum Ziel führen. Dieses wird nach rund zehn Stunden erreicht, stellt aber noch lange nicht das Ende der "Crysis 2"-Erfahrung dar: Bis zu zwölf Spieler können online auf ebenso vielen Karten den sechs unterschiedlichen Mehrspieler-Modi (Deathmatch, Team-Deathmatch, Capture the Flag) frönen und sich neue Anzugmodule sowie verbesserte Waffen für ihre Charaktere verdienen.
Musik von Hollywood-Komponist Hans Zimmer
Abschließend noch ein paar Worte zum Soundtrack: Der stammt nämlich aus der Feder von Hollywood-Komponist Hans Zimmer ("Inception", "The Dark Knight") und klingt dementsprechend imposant. Von den deutschen Synchronstimmen lässt sich dies nicht unbedingt behaupten, als wirklich nervig erwiesen sich auf Dauer aber nur die ständigen Rückmeldungen des Nanosuits ("Tarnfeld aktiviert", "Panzermodus aktiviert", "Nanovision aktiviert").
Fazit: "Crysis 2" nur auf die - zugegebenermaßen schmucke - Optik zu reduzieren, wäre verkehrt. Auch das Leveldesign an sich, die sich aus den Fähigkeiten des Nanosuits ergebenden Spielmöglichkeiten, die einige überraschende Wendungen nehmende Story und nicht zuletzt der fabelhafte Soundtrack machen "Crysis 2" zum derzeit wohl eindrucksvollsten Shooter.
Plattform: PS3 (getestet), Xbox 360, PC
Publisher: Electronic Arts
krone.at-Wertung: 9/10
von Sebastian Räuchle
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