Unterschätzte Gefahr

Schlaganfall trifft auch junge Menschen

Gesund Aktuell
23.10.2021 05:00

Bei Kindern und Jugendlichen rechnet kaum jemand mit einem Hirninfarkt - ein Schock auch für die Eltern. Frühe Rehabilitation ist wichtig, um Folgeschäden möglichst zu verhindern. Ein junger Patient erzählt seine Geschichte.

Von einem Moment auf den anderen ist alles anders. Eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung führt zur Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Je nach betroffener Region entstehen dadurch Störungen oder Ausfälle verschiedener Körperfunktionen und häufig bleibende Behinderungen. Meist sind es ältere Personen, die einen Schlaganfall erleiden. Doch vom Säugling bis zum Senior kann es jeden treffen. „Es war Anfang Februar vergangenen Jahres, als ich plötzlich Kopfschmerzen bekam. Dann merkte ich auf einmal, dass ich den linken Arm nicht mehr bewegen konnte, auch nicht das linke Bein“, erinnert sich Dezider Rigo an den Moment, der sein Leben plötzlich veränderte. Der 21-Jährige rief seinen Vater an. Dieser erkannte an der Aussprache seines Sohnes, dass etwas nicht stimmt, eilte rasch nach Hause und informierte die Rettung. Dezider kam sofort zur Akutversorgung auf die Stroke-Unit in die Klinik Ottakring in Wien.

Der junge Mann hatte einen Schlaganfall durch Karotisdissektion erlitten. Das bedeutete, dass sich die Innenwand der Halsschlagader aufgespalten hatte. Das Blut, das dort hineinrann, führte zum Verschluss des Gefäßes. Die rechte Hirnhälfte bekam dadurch nicht genug Sauerstoff, was schwerste Lähmungen auf der linken Seite verursachte.

Durch den Verschluss eines Gefäßes erhält das Gehirn nicht mehr ausreichend Sauerstoff. (Bild: peterschreiber.media/stock.adobe.com)
Durch den Verschluss eines Gefäßes erhält das Gehirn nicht mehr ausreichend Sauerstoff.

Ein langer Weg zurück ins Leben
„Mein Sohn war 3 Wochen auf der Intensiv- und weitere 3 auf der Normalstation. Die Versorgung und Betreuung durch Ärzte sowie Pflegekräfte war großartig“, berichtet Vater Dezso Rigo, der vor 8 Jahren mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen aus der Slowakei nach Österreich gekommen war. Der Vorfall bedeutete für die Familie nicht nur Schock und Verzweiflung. Die Unterstützung ihres Sohnes kostete Geld und viel Zeit. Der zuvor gesunde junge Bursche, der es liebte, Klavier zu spielen, saß nun im Rollstuhl, konnte kaum sprechen, nicht schlucken, das Blickfeld war eingeschränkt. Doch er kämpfte sich wieder zurück ins Leben. Nach 4 Wochen Reha in der Klinik am Rosenhügel in Wien und 6 Wochen in Bad Pirawarth (NÖ) mit viel Physio-, Logo- und Ergotherapie lernte er wieder sprechen, stehen und sich auch langsam mit Gehstock wieder auf seinen Beinen fortzubewegen. „An Muskelkraft in den Beinen und dem Gangbild wird ambulant in der neuen Reha-Ambulanz der Klinik Pirawarth in Wien Floridsdorf weiter gearbeitet, damit der Patient möglichst wenig Einschränkungen im Alltag hat“, erklärt Prim. Dr. Andreas Winkler, Ärztl. Direktor Klinik Pirawarth.

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An Muskelkraft in den Beinen und dem Gangbild wird ambulant in der neuen Reha-Ambulanz der Klinik Pirawarth in Wien Floridsdorf weiter gearbeitet, damit der Patient möglichst wenig Einschränkungen im Alltag hat.

Prim. Dr. Andreas Winkler, Ärztlicher Direktor Klinik Pirawarth

Daheim trainieren die Eltern mithilfe von Videoanleitungen unermüdlich mit ihrem Sohn. Nur die Handfunktion ließ sich trotz 1,5 Jahren intensiver Therapien nicht wiederherstellen. Die Schäden im entsprechenden Hirnareal waren zu schwer. Botoxspritzen und intensive Behandlungen sollen helfen, die Spastiken (krankhafte Erhöhung der Muskelspannung) zu lösen. „Klavierspielen werde ich wohl nicht mehr können“, so Dezider, der sich trotzdem optimistisch zeigt und neuen Lebensmut gefasst hat. Er möchte die Schule abschließen (der Schlaganfall passierte im Abschlussjahr) und, da er mehrere Sprachen spricht, später Dolmetscher werden.

Frühe Reha ist entscheidend, um Folgeschäden zu minimieren
Wir haben in Österreich ein gutes System der Rehabilitation im Vergleich zu manch anderen Ländern. Der Kostendruck lässt jedoch die Qualität bröckeln. Idealerweise wird bereits bei der stationären Aufnahme auf den „Stroke-Units“ (Spezialstationen) und neurologische Stationen mit einer frühzeitigen Rehabilitation begonnen. Denn auch wenn zerstörte Gehirnzellen nicht ersetzt werden können, ist das Hirn durchaus in der Lage, verloren gegangene Funktionen durch benachbarte Gebiete auszugleichen oder zu übernehmen. Wir wissen heute, dass sich motorische Funktionen in den ersten 4-8 Wochene rholen, danach jedoch kaum mehr. Daher ist in den ersten drei Monaten intensive Therapie besonders wichtig, und das Zeitfenster dieser ,Plastizität des Nervensystems‘ darf nicht ungenützt verstreichen.

Die Reha wird im Akutspital begonnen und in externen, spezialisierten Zentren weitergeführt. (Bild: BASILICOSTUDIO STOCK/stock.adobe.com)
Die Reha wird im Akutspital begonnen und in externen, spezialisierten Zentren weitergeführt.

Besonders bei jungen Patienten besteht hier noch großes Potenzial, damit so wenig Einschränkungen wie möglich zurückbleiben und sie ihren Alltag selbstständig bewältigen können. Eine dauerhafte Berufsunfähigkeit eines jungen Menschen bedeutet eine enorme finanzielle Belastung des Sozialsystems. Jedoch wird in Österreich der Mangel an früher Rehabilitation durch Reduzierung der Liegedauer im Akutspital immer größer. Die durchschnittliche Wartedauer in einem Rehabilitationszentrum dauert etwa 42 Tage, oft vergeht sogar bis zu einem Jahr. Die Patienten werden dann in der Zwischenzeit nach Hause oder in ein Pflegeheim geschickt, und wertvolle Zeit verstreicht. Es ist daher wichtig, die entsprechende Versorgungsstruktur zur erhalten bzw. auszubauen.

(Bild: stock.adobe.com, Krone KREATIV)

Interview auf krone.tv

25. 10. „Schlaganfall bei jungen Menschen“ - 17.00, 19.25 Uhr und am 26. 10. um 7.15 Uhr und 12.15 Uhr. Prim. Andreas Winkler, Neurologe, beantwortet im Interview mit Moderatorin Raphaela Scharf Fragen zum Thema.

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