Die beiden Evolutionsbiologen Heinz Richner und Michael Coslovsky verängstigten Meisen-Mütter während der Brutzeit mit ausgestopften Sperbern und deren Stimme auf Tonband. Die Forscher fanden dabei heraus, dass die drohende Gefahr auf die noch ungeborenen Jungen abfärbt.
Aus Eiern, die von gestressten Meisen gelegt wurden, schlüpften kleinere Jungtiere als aus jenen von Müttern, die nur den Attrappen von harmlosen Singdrosseln ausgesetzt gewesen waren. Das ist weiter nicht erstaunlich: Der Stress könnte zum Beispiel dazu führen, dass die Vogelmutter weniger Ressourcen in ihre Eier stecken kann.
Gößere Spannweite entwickelt sich rasch
Erstaunlicherweise entwickelten die Jungen von gestressten Müttern aber auch längere Flügel, wie die Forscher im Fachmagazin "Functional Ecology" berichten. Diese Eigenschaft könnte ein Vorteil sein: "Mit dem zusätzlich geringeren Körpergewicht können die Jungen schneller vor Fressfeinden wegfliegen", wird Richner zitiert.
Die größere Flügelspannweite entwickelt sich schnell: Der erste Wachstumsschub begann laut Richner bereits am achten Tag nach dem Schlüpfen. Aufgrund von Wiederfängen konnten die Forscher nachweisen, dass die unter Stress geborenen Meisen noch im Alter von einem Jahr längere Flügel haben.
Stressfolgen im Eigelb
Gesteuert werden die Entwicklungsänderungen laut Richner von der Vogelmutter, indem sie bestimmte Stoffe ins Ei einlagert. Die Forscher schlossen nämlich durch ein geschicktes Studiendesign aus, dass Verhaltensänderungen - etwa eine veränderte Brutpflege wegen des Stresses - für die Wachstumsunterschiede verantwortlich sind. Sie ließen die Eier zwar von den gestressten Müttern legen, aber nicht von ihnen ausbrüten. Diese Aufgabe übernahmen andere, entspannte Kohlmeisen.
Richner und sein Team untersuchten auch andere Stressfaktoren für Kohlmeisen, zum Beispiel Parasitenbefall. Dabei konnten sie bereits nachweisen, dass das Eigelb in Eiern von Müttern mit vielen Parasiten gewisse Stoffe enthält, die möglicherweise das Immunsystem der Jungen robuster macht.
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