Eine Chip-Krise beutelt die Weltwirtschaft: Nach dem Corona-Aufschwung stürzt der Halbleiter-Mangel die Industrie in die Flaute. In der Branche befürchtet man, dass der Mangel bis 2023 andauern könnte. Was die Chipkrise mit dem Konkurrenzkampf zwischen China und USA zu tun hat, welche Rolle das kleine Taiwan beim Rennen um die Super-Chips einnimmt und warum Tesla keine Probleme hat, lesen Sie in der „Krone“-Analyse.
Mikroprozessoren („Mikrochips“): Sie fehlen derzeit an allen Ecken und Enden, Kurzarbeitsprogramme bis Jahresende, manche Fabriken stehen komplett still. Der globale Nach-Corona-Aufschwung der Wirtschaft ist erlahmt. Ursache sind die Lieferengpässe bei jenem „Rohstoff“, ohne den jedes moderne Industrieprodukt nicht mehr auskommt: elektronische Schaltkreise, auch Mikrochips genannt. E-Autos haben den Bedarf vervielfacht. Der Mangel an Mikrochips kostet Milliarden und Jobs. Eine Entspannung ist nicht in Sicht.
Die Liefernöte bei der Versorgung mit Elektrobauteilen kommen besonders die Autobranche teuer zu stehen. Der Wert nicht produzierter Fahrzeuge hat die 90 Milliarden-Euro-Schwelle erreicht. Fast 4 Millionen Fahrzeuge wurden nicht produziert. Knappe Ware verteuert auch immer den Preis. Im Jahre 2020 benötigte und verbrauchte die Weltwirtschaft Mikroprozessoren im Wert von 439 Milliarden Dollar.
China hortet Chips aus Sorge vor den USA
So sieht also die derzeitige Lage aus, wie sie der kleine Konsument erlebt. Auf der hohen Ebene der Weltpolitik spielt sich hingegen ein regelrechter Kampf der Giganten um die Vorherrschaft auf diesem Elektronik-Sektor ab.
Und siehe da: Ohne Chips aus den USA könnte selbst der chinesische Vorzeige-Konzern Huawei gar keine Handys produzieren. Im Jahre 2018 zahlte der 5G-Stolz Chinas in den USA 11 Milliarden Dollar für Chips.
Peking musste um eine Ausnahmegenehmigung von den US-Sanktionen ersuchen. Die Folge: Huawei hortet Chips, um sich zu wappnen, und trägt damit zur Verknappung auf dem Weltmarkt bei.
Taiwan profitiert vom globalen Mangel
Hingegen profitiert auf der von China bedrängten kleinen Inselrepublik Taiwan der Chipkonzern TSMC (Taiwan Semiconductor Manufactoring Company) vom weltweiten Mangel an Halbleitern. Aufgrund der starken Nachfrage von Autoherstellern, PC-Zulieferern und vielen weiteren Branchen nach den derzeit schwer verfügbaren Chips kletterte der Überschuss im Jahresvergleich um fast ein Fünftel auf 140 Milliarden Taiwan-Dollar (4,1 Milliarden Euro), wie TSMC im Firmensitz in Hsinchu mitteilte. Zu den großen Kunden gehört der iPhone-Hersteller Apple.
Durch die teils verzweifelte Suche großer Konzerne nach Halbleiter-Bauelementen ist TSMC ins Zentrum eines globalen Verteilungskampfes gerückt. Chips sind momentan ein knappes Gut. Auch die Produktion der beliebten Spielekonsolen ist ins Stocken geraten.
Obwohl die Auslastung der Fabriken von Taiwans größtem Chiphersteller den Angaben zufolge bei über 100 Prozent liegt, hat auch TSMC derzeit nicht genügend Kapazität, um die Nachfrage aller Kunden zu bedienen. TSMC wird daher aufgrund seiner Marktposition und des Technologievorsprungs eine erhebliche geostrategische Bedeutung zugesprochen.
Der Taiwan-Konzern hat praktisch ein Monopol auf Super-Chips. Er ist bei der Entwicklung den Konkurrenten immer einen Schritt voraus; seien es die 7-Nanometer-Prozessoren (1 Nanometer = 1 Milliardstel eines Meters), seien es bald die 3-Nanometer-Chips.
Bilderstrecke: So sieht es in einer TSMC-Fabrik aus
Die Inselrepublik Taiwan wird allerdings von Peking bedroht und unter Druck gesetzt. Deshalb soll nun eine „Kopie“ des Taiwan-Konzerns in den USA errichtet werden. Kostenpunkt: 10 Milliarden Dollar. Für den Bau einer solchen hochspezialisierten Fabrik sind 16.000 Zulieferer nötig.
Wettlauf um Chips für Künstliche Intelligenz
So wird sich das Ringen zwischen den USA und China um die globale Vorherrschaft letztlich am Besitz von Super-Chips entscheiden. Sie sind die Voraussetzung für Künstliche Intelligenz. Mit staatlicher Unterstützung aus Peking werden von Konzernen aus China Elektronikfirmen rund um die Welt aufgekauft, um deren Know-how zu nutzen. Der Westen hat viel zu lange tatenlos zugesehen und sich an die alten Regeln einer freien und vor allem fairen Marktwirtschaft gehalten; etwa Europa - zu seinem Nachteil.
Europa hinkt einmal mehr weit hinterher
Deutschlands großer Halbleiter-Konzern Infineon sieht bei der Chip-Entwicklung in Europa einen enormen Nachholbedarf. Vorstandschef Reinhard Ploss kritisierte im Deutschlandfunk die Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen.
Europa sei bei Chips von den Importen aus Asien abhängig, müsse aber autonom werden und eine „fast schon verlorene Industrie“ wiedergewinnen, so Ploss über Versäumnisse der EU. Ohne diese eigene Kompetenz würden nicht nur Autobauer und andere Industrie, sondern auch Umwelt- und Klimaschutz geschwächt. Den technischen Rückstand aufzuholen, sei eine große Herausforderung.
Überhaupt sei die gesamte Chipindustrie vom Nachfrageschub überrascht worden. Die Engpässe könnten bis 2023 anhalten, befürchtet der Infineon-Chef in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
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