Schussdrama am Filmset

Baldwin „übte mit Revolver“ und zielte auf Kamera

Adabei
25.10.2021 10:02

Alec Baldwin soll neuen Berichten zufolge am tödlichen Filmset in Santa Fe, New Mexico, in einer Kirchenbank sitzend geübt haben, seine Pistole in Cowboy-Manier quer über seinen Körper zu ziehen und dabei auf die Kamera - und damit auch auf die getötete Kamerafrau Halyna Hutchins - zu zielen. Unklar ist, ob er im guten Glauben, eine „Cold Gun“, also eine ungeladene Waffe, in der Hand zu haben, auch abgedrückt hat oder der Schuss sich unabsichtlich gelöst hat. Seit dem Wochenende ist klar, dass in der Filmpistole eine echte Patrone war.

Drei Tage nach dem Tod von Chef-Kamerafrau Halyna Hutchins durch eine versehentlich ausgelöste Requisitenwaffe auf dem Western-Set des Films „Rust“ in New Mexiko hat die Polizei Details zu den laufenden Untersuchungen veröffentlicht. Demnach hatte ein Regieassistent Schauspieler Alec Baldwin bei der Übergabe der Pistole versichert, dass es sich um eine „kalte Waffe“ ohne Munition handle. Der Assistent habe nicht gewusst, dass eine Patrone in der Waffe steckte, heißt es in dem Bericht. Der bei dem fatalen Dreh ebenfalls verletzte Regisseur des Films, Joel Souza, sagte unterdessen in einer eidesstattlichen Erklärung aus, dass Baldwin zum Zeitpunkt des Unglücks am Filmset in der Kirche geübt habe, seine Waffe zu ziehen.

Alec Baldwin brach nach dem tödlichen Vorfall mit einer Requisitenwaffe vor der Polizeiwache in Tränen aus. (Bild: Copyright 2021 Santa Fe New Mexican)
Alec Baldwin brach nach dem tödlichen Vorfall mit einer Requisitenwaffe vor der Polizeiwache in Tränen aus.

Baldwin übte Cross Draw
„Joel sagte, dass sie Alec in einer Kirchenbank sitzen ließen und er einen Cross Draw übte“, zitieren US-Medien aus dem Bericht. „Joel sagte, er habe (Hutchins) über die Schulter geschaut, als er etwas hörte, das wie eine Peitsche und dann ein lautes Knallen klang.“

Und weiter: „Joel erinnert sich dann vage daran, dass Hutchins über Schmerzen an ihrem Bauch klagte und sich an ihrer Mitte festhielt. Joel sagte auch, dass sie anfing, rückwärts zu stolpern, und man ihr half, sich auf den Boden zu legen.“

Die Kamerafrau habe gesagt, sie könne ihre Beine nicht mehr fühlen, berichtete der Kameramann Reid Russel, der zum Zeitpunkt des Schusses neben ihr stand. Hutchins wurde im Brustbereich getroffen, heißt es in dem Dokument. Die Mutter eines Sohnes wurde nach dem Unfall ins Krankenhaus geflogen, konnte aber nicht mehr gerettet werden.

Während der Vorbereitungen habe ein Schatten des Außenlichts gestört und man habe die Kamera in einen anderen Winkel zu Baldwin gestellt, der gerade zu erklären versuchte, „wie er die Schusswaffe herausziehen würde und wo sich sein Arm befinden würde, wenn er die Schusswaffe aus dem Holster gezogen hatte“, berichtete Reid weiter.

Kritik an Bedingungen am Set
Serge Svetnoy, der Oberbeleuchter von „Rust“, postete am Sonntag auf Facebook, er habe Hutchins im Sterben an den Armen gehalten, und machte „Fahrlässigkeit und Unprofessionalität“ für ihren Tod verantwortlich.

Am Filmset soll vor dem tödlichen Schussunfall große Unruhe über die Arbeitsbedingungen bei der Low-Budget-Produktion geherrscht haben. Das bestätigte auch Regisseur Joel Souza. Er sagte der Polizei, dass Donnerstagfrüh eine neue Kameracrew engagiert werden musste, weil ein davor eingesetztes Team die Produktion verlassen hatte. Die „Los Angeles Times“ hatte am Freitag berichtet, dass sich Mitarbeiter am Set über mangelnde Sicherheitsvorkehrungen beschwert und aus Protest die Produktion verlassen haben sollen.

Kameramann Russel Reid sagte der Polizei, dass die Dreharbeiten am Tag des Unfalls hinter dem Zeitplan zurückgeblieben seien und er „viel Arbeit zu erledigen hatte“, nachdem sechs Mitglieder des Kamerateams am Morgen nach „Problemen mit der Produktion in Bezug auf Bezahlung und Unterkunft“ das Set verließen. Stress habe es auch gegeben, weil es für die Dreharbeiten nur noch eine Kamera gab.

Kritik an junger Waffenmeisterin
US-Medien berichteten zudem über Kritik an der 24-jährigen Waffenmeisterin, die für die ordnungsgemäße Handhabung aller Waffen am Set zuständig war. „Rust“ war erst der zweite Film, an dem sie in dieser Funktion beteiligt war. Ihr wird vorgeworfen, schon bei der ersten Produktion sehr unvorsichtig mit den Waffen in ihrer Obhut umgegangen zu sein. So soll sie einer erst elfjährigen Kinderschauspielerin eine Waffe zum Spielen gegeben haben.

Laut „TMZ“ soll Baldwins tödliche Waffe von Crewmitgliedern während Drehpausen abseits des Sets zu „Schussübungen auf Zielscheiben“ benutzt worden sein. Und das mit echter Munition. Geklärt werden müsste nun wohl auch, ob die junge Waffen-Requisiteurin davon wusste.

Auch der Regieassistent, der Baldwin die Waffe gab, könnte zu dem Unfall beigetragen haben, wird vermutet. Es heißt, Dave Halls könnte bereits bei einer früheren Produktion Sicherheitsstandards verletzt haben.

Alec Baldwin nach dem Unfall: „Mein Herz ist gebrochen.“ (Bild: AP)
Alec Baldwin nach dem Unfall: „Mein Herz ist gebrochen.“
Die Bonanza Creek Ranch in Santa Fe (Bild: APA/AP Photo/Jae C. Hong)
Die Bonanza Creek Ranch in Santa Fe

Regieassistent schweigt zu Vorwürfen
Im Sender NBC enthüllte die Pyrotechnikerin Maggie Goll, dass ihr Halls am Set von „Into the Dark“ des Streaming-Senders Hulu „anfangs als älterer, netter Assistenzdirektor mit den branchentypischen Eigenarten“ erschienen war. Doch schon schnell habe sich herausgestellt, „dass das nur eine Fassade war“. Halls habe dann sein wahres Gesicht gezeigt. Goll, die für Spezialeffekte und Pyrotechnik mit zuständig war: „Er hat keinen sicheren Arbeitsplatz gewährleistet. Die Sets wurden immer beengter, ohne festgelegte Feuerwehrdurchfahrten und mit blockierten Notausgängen.“

Halls habe dann darauf bestanden, weiter zu filmen, obwohl der hauptverantwortliche Pyrotechniker wegen eines medizinischen Notfalls im Krankenhaus lag: „Damit war das Set nicht mehr sicher!“ Besonders schwerwiegend in Bezug auf die tödliche Tragödie am „Rust“-Set ist allerdings eine weitere Beschuldigung von Goll: „Dave Halls hat auf Sicherheitsmeetings verzichtet, in denen er die Crew vorher hätte informieren sollen, dass es Schusswaffen am Set gab. Es gibt keinen Grund, Waffensicherheit zu ignorieren, selbst wenn die Filmwaffen nur Platzpatronen schießen. Nur weil sich der Assistent des Requisitenmeisters direkt bei Dave beschwert hat, hat die Crew davon überhaupt erfahren.“ Halls schweigt bislang öffentlich zu den Vorwürfen und den Geschehnissen am Set von „Rust“.

Die Produktionsfirma Rust Movie Productions wies ebenfalls alle Vorwürfe zurück. Es seien keine offiziellen Beschwerden über die Sicherheit von Waffen oder Requisiten am Set bekannt gewesen, zitierte die „New York Times“ aus einer Mitteilung. Die Dreharbeiten zu dem Low-Budget-Western, bei dem Baldwin auch als Produzent mitwirkte, hatten Anfang Oktober auf der Bonanza Creek Ranch begonnen und sind nach dem Unfall unterbrochen worden.

Die Einfahrt zur Bonanza Creek Ranch in Santa Fe, wo sich das tödliche Drama um die Kamerafrau Halyna Hutchins abspielte (Bild: AFP)
Die Einfahrt zur Bonanza Creek Ranch in Santa Fe, wo sich das tödliche Drama um die Kamerafrau Halyna Hutchins abspielte

Frühstück mit Ehemann und Sohn
Für den  63-jährigen Alec Baldwin ist der schlimmste Alptraum wahr geworden und eine Welt zusammengebrochen. Er hat laut einem Insider im Magazin „People“ beschlossen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen: „Er hat alle seine aktuellen und anstehenden Projekte gestrichen. Er braucht Zeit allein, um sich wieder zu zentrieren. So hat er es vorher in schwierigen Zeiten auch immer gemacht.“

Einer der schwersten Momente war für Baldwin, Matt Hutchins, dem Ehemann der getöteten Kamerafrau, und ihrem kleinen Sohn Andros (9) entgegenzutreten. Die drei trafen Samstagfrüh im La Posada Hotel in Santa Fe zu einem gemeinsamen Frühstück zusammen. Bei der Verabschiedung umarmte der Star die beiden. Ein Insider: „Das Frühstück war eine wirklich traurige Angelegenheit. Alec sah sehr mitgenommen aus. Es war ziemlich herzzerreißend!“ Matthew Hutchins hatte über Baldwin in der „Daily Mail“ gesagt: „Er unterstützt uns sehr!“

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(Bild: kmm)



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