Arbeiterkammer (AK) und Wirtschaftsuniversität (WU) Wien haben die Arbeitsbedingungen migrantischer und geflüchteter Zusteller beim Online-Händler Amazon hierzulande unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Diese arbeiten unter besonders schlechten Arbeitsbedingungen, wenig Anerkennung und extra geringer Bezahlung. Dies zeige sich auch in der arbeitsrechtlichen Beratung der AK Wien und der Gewerkschaft vida.
Wartezeiten im Lager oder die Zeit, die benötigt wird, um die leeren Amazon-Taschen wieder zu retournieren, würden weder als Arbeitszeit gewertet noch bezahlt. Auch genaue Arbeitszeitaufzeichnungen fehlten oft. Außerdem würden Dienste kurzfristig gestrichen oder angeordnet. Arbeitnehmern würden willkürlich Beträge vom Lohn abgezogen. In einigen Fällen sei Urlaub abgezogen worden, obwohl für den Zeitraum eine ordentliche Krankmeldung vorgelegen habe, führte vida-Bereichsexperte Karl Delfs als Beispiele für die seiner Meinung nach „menschenunwürdigen“ Arbeitsbedingungen bei den Amazon-Zustellern an.
„Die häufigsten Anliegen, mit denen sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Bereich Kleintransportgewerbe an uns gewandt haben, waren Lohnrückstände, unberechtigte Abzüge von Beträgen, unbezahlte Überstunden, nicht eingehaltene Ruhezeiten oder fehlendes Tagesgeld. Der Druck auf die Beschäftigten ist immens, die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes groß“, erläuterte AK-Arbeitsrechtsexpertin Bianca Schrittwieser. Rund 400 Fahrer sind demnach für 130 Subunternehmer im Bereich Amazon tätig, wobei die Zahlen aufgrund der Fluktuation stark schwanken würden.
Verantwortung wird an Subunternehmer ausgelagert
Die Arbeiterkammer wie die vida fordern daher eine Subunternehmerhaftung, wie es sie beispielsweise am Bau gibt. „Ohne eine gesetzliche Versenderhaftung können Dumpingpreise im Hintergrund und ohne Verantwortung weiter von Konzernen diktiert werden und das Ausbeuterkarussell kann sich weiterdrehen“, so Delfs. Er fordert zudem, dass wie bei Lkw und Bussen auch in gewerblich genutzten Kleintransportern unter 3,5 Tonnen ein digitales Kontrollgerät zur Aufzeichnung von Lenkzeiten eingebaut werden muss. Zur Kontrolle von Sozialbetrug und Scheinselbstständigkeit sei zudem dringend eine personelle Aufstockung der Finanzpolizei notwendig.
„Das ist einmalig“
Die hatte im Februar 2020 bei einer Großrazzia im Amazon-Verteilzentrum Großebersdorf die Subfirmen unter die Lupe genommen, die im Großraum Wien die Pakete ausliefern. Die Finanzpolizei ging damals dem Verdacht der gewerbsmäßigen Schwarzarbeit nach. „Ich kann mich an keine Kontrolle erinnern, bei der wir auf derartig viele Gesetzesübertretungen gestoßen sind“, sagte der Leiter der Finanzpolizei im BMF, Wilfried Lehner. „Das ist einmalig. Bei einem korrekten Beschäftigungsverhältnis geht sich die Kalkulation fast nicht aus“, fasste Lehner zusammen.
Laut Ermittlungsergebnissen der Finanzpolizei von Jahresbeginn heuer gab es 987 Beanstandungen, darunter Schwarzarbeit und Abgabenhinterziehung.
Amazon weist Vorwürfe zurück
Ein Sprecher von Amazon hielt zu den Vorwürfen von AK und vida fest: „Die Studie basiert auf nur 15 Interviews von handverlesenen Personen, die für ihre Teilnahme bezahlt wurden. Sie kann daher gar nicht die Erfahrungen der Hunderten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kleiner und mittlerer Zustellunternehmen in ganz Österreich widerspiegeln, die jeden Tag Pakete zu Kunden bringen. Wir erwarten ein erstklassiges Arbeitserlebnis, führen eigene Nachforschungen durch und ergreifen Maßnahmen, falls ein Lieferpartner die Erwartungen nicht erfüllt.“
Er betonte, dass Amazon in Österreich mit weniger als 30 Lieferservicepartnern zusammenarbeite, die wiederum aktuell rund 500 Arbeitsplätze sicherten. Zu der Razzia der Finanzbehörden 2020 nahe Wien meinte der Sprecher, dass bei einer zweiten Untersuchung „fast keine Verstöße“ mehr festgestellt worden seien.
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