Nicht der VW Golf, nicht der Renault Clio und auch nicht der Peugeot 208: Im September stand ein ganz anderes Modell an der Spitze der europäischen Pkw-Bestsellerliste -Teslas Model 3. Ein beeindruckender Erfolg für den Newcomer. Aber keine Zeitenwende. Denn das Phänomen hat vor allem statistische und produktionstechnische Gründe.
Wer sich die europäischen Tesla-Zulassungszahlen der vergangenen neun Monate im Detail anschaut, sieht extreme Bewegungen. Würde man die Werte in einem Diagramm eintragen, ergäbe sich eine ungewöhnliche Zickzack-Kurve. Sie verläuft ganz sanft von Jänner nach Februar, um dann zum März sprunghaft anzusteigen. Gleich darauf fällt sie wieder ab und liegt im April nur knapp über der Null-Linie. Das gleiche wiederholt sich anschließend, sodass ein Sägezahnprofil entsteht. Mit spitzen Gipfeln in Juni und September und tiefen Tälern im Juli - und aller Voraussicht nach auch im Oktober. Zumindest war es in den vergangenen zwei Jahren so. Denn das Muster ist regelmäßig das gleiche.
Alle auf einmal
Und das hat einen einfachen Grund: Das US-Werk Freemont, wo die meisten Model 3 für Europa produziert wurden, baut die für den Export bestimmten Autos immer in der ersten Hälfte eines Quartals. Anschließend werden sie verschifft und landen alle zeitgleich in der Alten Welt an. Dort werden sie umgehend an die Kunden ausgeliefert und in der Regel sofort zugelassen. Mit dieser flüssigen Strategie - „Wave“ genannt - will Tesla die Lagerkosten in der Heimat geringhalten. Die Fahrzeuge landen dadurch auf einen Schlag in der amtlichen Statistik. Danach ist Ruhe, bis drei Monate später die nächste Ladung folgt.
In einem normalen Jahr dürfte es aber auch in Wellengipfel-Monaten noch nicht für einen Spitzenplatz in Europas Bestsellerliste reichen. Knapp 25.000 Einheiten des Tesla Model 3 wurden im September 2021 auf dem Kontinent zugelassen. In den Vorjahren hätte das nicht für einen Platz an der Sonne gereicht: 2020 lag der VW Golf mit knapp 28.000 Einheiten an der Spitze, im Vor-Corona-Jahr 2019 kam der ewige Bestseller sogar auf rund 32.000 Neuzulassungen.
Tesla hat kaum Chip-Probleme
Aktuell profitiert Tesla also von einem schwachen Gesamtmarkt. Im Vergleich zum September 2020 sank die Zahl der Neuzulassungen von 1,29 auf 0,96 Millionen Fahrzeuge und damit um 25 Prozent. Hintergrund ist die weltweite Chipkrise, die die Produktion bei nahezu allen Herstellern ins Stocken bringt. Außer bei Tesla. Im Gegensatz zu den Wettbewerbern haben die Kalifornier nicht zu Beginn der Corona-Lockdowns ihre Halbleiter-Bestellungen storniert, sondern die Aufträge weiterlaufen lassen. Clever, wie sich längst herausgestellt hat. Denn anders als von den etablierten Herstellern offenbar gedacht, haben die Chip-Hersteller nicht demütig gewartet, bis die Autobauer ihre Fließbänder wieder anlaufen lassen, sondern ihre Produktion einfach woanders hin verkauft. Etwa an die Produzenten von Smartphones und Unterhaltungselektronik. Und eben an den treuen Kunden Tesla, der wohl auch noch immer von dieser Loyalität profitiert.
Die Folgen der Fehleinschätzung werden die Auto-Branche noch eine Weile begleiten, Experten rechnen bis ins nächste Jahr mit Produktionsengpässen. Mit einem Podestplatz in den europäischen Jahres-Charts wird Tesla zumindest 2021 aber nicht rechnen können. Nach neun Monaten liegt das Model 3 in der Neuzulassungs-Statistik mit knapp 100.000 Einheiten lediglich auf Rang 18, knapp hinter Fiat Panda und Hyundai Tucson. Auf den ersten drei Plätzen finden sich mit VW Golf (knapp 170.000 Neuzulassungen), Toyota Yaris und Peugeot 208 (jeweils gut 140.000 Neuzulassungen) drei etablierte Kräfte.
Mittel- bis langfristig könnte sich Tesla aber durchaus im vorderen Charts-Bereich etablieren. Vor allem wenn im kommenden Jahr die Pkw-Produktion in Brandenburg anrollt. Dann hat es wohl auch ein Ende mit den Sägezahn-Zulassungen. Stattdessen wird sich die Kurve wie in den USA und China viel ruhiger über den Jahresverlauf ziehen. In beiden Ländern hat Tesla bereits Fabriken.
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