Pflegenotstand

Mitarbeiter schlagen Alarm: Pflege ist am Limit!

Vorarlberg
31.10.2021 07:55

Ausgebrannte Pfleger und ganze Stationen, die wegen Personalmangels leer sind - ein Jahr ist seit dem letzten „Aktionstag der Gesundheitsberufe“ vergangen. Passiert ist seitdem nichts, kritisiert der Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser, Thomas Steurer. Es ist sogar noch schlimmer geworden. Und vonseiten des Landes ist scheinbar keine Aufstockung des überlasteten Personals geplant.

Die Situation des Pflegepersonals in heimischen Spitälern und Pflegeheimen spitzt sich dramatisch zu. Seit Jahren sind die Beschäftigten überlastet, durch Corona ist der Druck derart gestiegen, dass das Pflegepersonal selbst krank wird. Wie ernst die Lage ist, verdeutlicht eine Umfrage der „Offensive Gesundheit“, bei der österreichweit fast 7000 Mitarbeiter befragt wurden. 78 Prozent leiden an Depressionen, und fast die Hälfte hat Angstzustände. Verantwortlich dafür ist das deutliche Ansteigen der ohnehin hohen Arbeitsbelastung durch ständige, kaum planbare Mehrarbeit. Viele fühlen sich ausgelaugt, und in der Freizeit fehlt es an Energie für die Familie.

Es bräuchte bessere Entlohnung und mehr Personal. (Bild: Privat)
Es bräuchte bessere Entlohnung und mehr Personal.

„Die Überstundensituation ist dramatisch“, bestätigt der Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser, Thomas Steurer. Die Kollegen hätten dermaßen viele Stunden angehäuft, dass diese angesichts des Personalmangels gar nicht abgebaut werden können. „Viele Kollegen - vor allem weibliche - können vor allem aus familiären Gründen nur Teilzeit arbeiten, weil bei Vollzeitarbeit noch mehr Überstunden dazukommen würden. Auch in Teilzeit arbeiten sie oft weit über ihr Beschäftigungsausmaß hinaus, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.“

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Auch in Teilzeit arbeiten viele Kollegen oft weit über ihr Beschäftigungsausmaß hinaus, um den Betrieb aufrecht zu erhalten

Thomas Steurer

Von Seiten der Politik passiere nichts, kritisiert Steurer. „Seit Jahren sind wir Schlusslicht, was die Anzahl des Personals pro 100 Betten betrifft.“ Anstatt mehr Personal einzustellen, habe die Landesregierung heuer keine zusätzlichen Stellen für die Spitäler bewilligt - angeblich wegen coronabedingter Sparmaßnahmen. Wohl die falsche Strategie. Fast die Hälfte der Pflegekräfte denkt mittlerweile ans Aufhören. Das zeigt eine Online-Umfrage von Arbeiterkammer, Ärztekammer und Gewerkschaften. „Da müssen alle Alarmglocken schrillen“, betont Steurer eindringlich. „Zusammen mit der kommenden Pensionierungswelle ist es jetzt bereits 5 nach 12.“

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Seit Jahren sind wir Schlusslicht, was die Anzahl des Personals pro 100 Betten betrifft.

Thomas Steurer

Kein Zusatzpersonal
Von der zuständigen Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) war zu den erschreckenden Ergebnissen der Umfragen kein Statement zu bekommen. Nur so viel: „Derzeit ist die berufliche Situation in der Pflege eine herausfordernde Aufgabe, aber es ist wichtig zu betonen, dass es ein schöner Beruf mit vielen schönen Seiten ist.“ Darüber hinaus wird von Landesseite auf eine weitere Pflegeprognose verwiesen, die in den nächsten Wochen präsentiert werden soll. Darauf würden die weiteren Planungen aufbauen. Die derzeitige Strategie bestehe aus einem Maßnahmenbündel wie etwa eine zentrale Steuerung der Pflegeausbildung, Auslagern von Nichtpflegeaufgaben, Kooperationen und Angebotsreduktion von Schwerpunktsetzungen in den Spitälern. Von zusätzlichem Personal ist jedoch nicht die Rede. Zuletzt ging die Landesregierung davon aus, dass in Vorarlberg bis 2030 zusätzlich 400 Pflegekräfte gebraucht werden. Angesichts der aktuellen Lage muss diese Zahl wohl deutlich nach oben korrigiert werden.

„Um die Lücke zu schließen, müssen die Ausbildungsplätze von Fachpersonal dringend ausgebaut werden, nicht nur in der Fachhochschule, sondern auch an den Krankenpflegeschulen.“ Doch es hapert offenbar auch am Interesse. An der Fachhochschule hätten heuer 90 Studenten anfangen können, aber nur 68 haben laut Steurer mit dem Studium begonnen. Zur Attraktivierung könnten die Praxisstunden bezahlt werden, schlägt Steurer vor. Auch für Quereinsteiger brauche es bessere Angebote.

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Dem Klatschen müssen nun endlich Taten folgen!

Thomas Steurer

Über die Implacementstiftung „connexia“ werden zusammen mit dem AMS Ausbildungen finanziert. Die finanzielle Unterstützung für die Auszubildenden müsste laut Steurer aber besser sein. Der Pflegelehre erteilt Steurer neuerlich eine Absage. Es sei nicht sinnvoll, eine vierjährige Ausbildung anzubieten, wenn derselbe Abschluss zur Pflegefachassistenz auch innerhalb eines Jahres erreicht werden könne. Über kurz oder lang werde das Land außerdem an einer Gehaltsreform nicht vorbeikommen, ist Steurer überzeugt. „Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein gut ausgebautes Gesundheitssystem und das Personal sind. Dem Klatschen müssen nun endlich Taten folgen!“

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