Weitere Reformen

G20-Gipfel: Grünes Licht für globale Mindeststeuer

Ausland
30.10.2021 22:20

Im Ringen um eine gerechtere weltweite Besteuerung von Konzernen, ehrgeizigere Klimaschutzziele und die Pandemiebekämpfung drücken die G20-Staaten aufs Tempo. Mehrere Regierungschefs aus dem Kreis der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer betonten am Samstag bei ihrem Gipfeltreffen in Rom, wie wichtig es sei, dass die Corona-Impfungen in den Entwicklungsländern beschleunigt würden. Außerdem sprachen sich die Staatschefs für die jüngst ausgehandelte globale Reform der Unternehmenssteuer aus. Bei den Klimazielen gab es allerdings weiter keine Einigung.

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros Adhanom Ghebreyesus nahm die Politiker in die Pflicht. „Wie viel mehr Menschen werden noch sterben, in dieser und in künftigen Pandemien?“, fragte Tedros am Samstag bei einer Diskussion über Gesundheitsfragen mit den G20 in Rom. „Die Antwort liegt in Ihren Händen.“ Sieben Milliarden Impfdosen seien bisher verabreicht worden, aber nur 0,4 Prozent davon in den Ländern mit niedrigen Einkommen. Jeder habe Verständnis dafür, dass Regierungen zunächst ihre eigenen Bevölkerungen schützen wollten. „Aber für Gleichheit bei der Impfstoffverteilung zu sorgen, ist kein Akt der Wohltätigkeit, es ist im besten Interesse jedes Landes“, sagte Tedros. Die scheidende deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach weitere deutsche Spenden von 75 Millionen Impfdosen für 2022.

Globale Mindeststeuer als „Gerechtigkeitssignal“
Die G20 gab nach Angaben von Teilnehmern außerdem Grünes Licht für die jüngst ausgehandelte globale Reform der Unternehmenssteuer. Die „historische Einigung“ auf eine Mindestbesteuerung großer Firmen werde das schädliche globale Wettrennen um die niedrigsten Steuersätze für Unternehmen beenden, erklärte US-Finanzministerin Janet Yellen am Samstag. Damit werde der „schädliche Wettlauf nach unten bei der Unternehmensbesteuerung beendet“, ergänzte Yellen. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Einigung am Abend „ein klares Gerechtigkeitssignal in Zeiten der Digitalisierung“. Auch US-Präsident Joe Biden lobte die Übereinkunft.

Das obligatorische Gruppenfoto beim G20-Gipfel (Bild: AFP)
Das obligatorische Gruppenfoto beim G20-Gipfel

Im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatten der geplanten Reform bereits 136 Staaten, darunter Österreich, auf Ministerebene zugestimmt. Ziel der Reform ist es vor allem, die Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Steueroasen zu verhindern. Große, international tätige Firmen sollen deswegen spätestens 2023 unabhängig von ihrem Sitz mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Zahlt ein Unternehmen mit seiner Tochterfirma im Ausland weniger Steuern, kann der Heimatstaat die Differenz einkassieren. Außerdem sollen profitable, weltweit operierende Digitalunternehmen wie Amazon und Google nicht mehr nur in ihrem Mutterland besteuert werden, sondern auch da, wo sie gute Geschäfte machen.

Aussagen zur Klimapolitik mit Spannung erwartet
Die meisten G20-Staats- und Regierungschefs nehmen diesmal physisch an dem Treffen in Rom teil. Die Präsidenten von China, Russland sowie der japanische Ministerpräsident sind aber nur virtuell dabei. Vor allem die Aussagen zur Klimapolitik in der Gipfel-Erklärung waren mit Spannung erwartet worden, weil das Treffen unmittelbar vor der Weltklimakonferenz in Glasgow stattfand. Dort werden weitere nationale Selbstverpflichtungen erwartet, um durch eine drastische Reduzierung der Treibhausgas-Ausstoßes das Ziel zu erreichen, die Erwärmung der Erdatmosphäre auf 1,5 Grad zu beschränken.

Doch am Samstagabend wurde schließlich bekannt, dass die G20-Gruppe sich offenbar nicht auf konkrete Ziele zum Klimaschutz einigen konnte. Aus dem jüngsten Entwurf des Abschlusskommuniqués, der am Samstag der Deutschen Presse-Agentur vorlag, sind ursprünglich beabsichtigte Zielvorgaben und Zusagen wieder gestrichen worden.

So gab es nicht mal mehr eine Einigung auf „sofortiges Handeln“, wie es in einem früheren Entwurf geheißen hatte. Jetzt ist von „bedeutungsvollem und wirksamen Handeln“ die Rede, um wie im Pariser Klimaabkommen angestrebt, die gefährliche Erderwärmung auf 1,5 Grad zu bremsen. Beim Ziel der CO2-Neutralität sowie dem Auslaufen der Subventionen für fossile Brennstoffe hat es auch keine Fortschritte gegeben. War ursprünglich 2050 als Zieldatum angestrebt worden, ist jetzt allgemeiner von „Mitte des Jahrhunderts“ die Rede. Das geschah offensichtlich auch aus Rücksicht auf China. Der größte Produzent von Kohlendioxid hatte sich bisher nur bis 2060 dazu verpflichtet. Die Abschlusserklärung soll am Sonntag angenommen werden.

Im Kontrast zu den Anstrengungen im Klimabereich stehen die Bemühungen zur Ankurbelung der Weltwirtschaft. US-Präsident Biden werde die wichtigsten G20-Energieproduzenten mit Kapazitätsreserven, insbesondere Russland und Saudi-Arabien, auffordern, ihre Produktion zu steigern, um eine stärkere Erholung der Weltwirtschaft zu gewährleisten, sagte ein hochrangiger Beamter der US-Regierung. Damit werden mehr fossile Energieträger genutzt. Merkel wiederum betonte die Bedeutung der Sonderziehungsrechte in Höhe von 650 Milliarden Dollar beim Internationalen Währungsfonds (IWF), die vor allem afrikanische Staaten nutzen könnten, um ihre Wirtschaften nach der Corona-Pandemie anzukurbeln.

Streit um Subventionen von E-Autos
Differenzen zwischen den G20-Ländern gibt es in anderen Bereichen. Während sich die G20-Staaten in Rom in der Abschlusserklärung zum freiem Welthandel bekennen wollen, kocht in Washington ein Streit über Subventionen für E-Autos hoch. Staaten mit starker Autoindustrie wie Japan, Mexiko, Kanada, Deutschland, Frankreich, Italien und andere EU-Länder warnen den US-Kongress vor einem neuen Protektionismus zur Förderung der US-Autokonzerne bei der E-Mobilität. In einem gemeinsamen Brief, der Reuters vorliegt, wird vor Kaufanreizen gewarnt, die einseitig US-Firmen zugutekommen sollen.

Italiens Ministerpräsident und G20-Gastgeber Mario Draghi forderte die G20-Partner auf, mehr für die Verbreitung von Corona-Impfstoff zu tun. Während in den Industrieländern 70 Prozent der Erwachsenen geimpft seien, seien dies in einigen Entwicklungsländern erst drei Prozent. Merkel wies darauf hin, dass die Impfstoff-Firma Biontech gerade Verträge über den Aufbau von Fabriken mit Senegal und Ruanda unterzeichnet habe. Deutschland stand diesmal anders als bei früheren Treffen nicht unter starkem Druck, dass Impfstoff-Patente freigegeben werden sollen.

Russlands Präsident Wladimir Putin forderte am Samstag in seinem virtuellen Statement auf dem G20-Gipfel, dass die Staaten ihre Corona-Impfstoffe gegenseitig anerkennen sollten. Hintergrund ist die fehlende Zulassung etwa für den russischen Impfstoff Sputnik etwa in der EU.

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