Doppelmoral

Mit 400 Privatjets zum Klimagipfel nach Glasgow

Ausland
02.11.2021 11:09

Mit düsteren Worten wie „wir schaufeln uns unser eigenes Grab“ (UNO-Generalsekretär Antonio Guterres), „auf der Weltuntergangsuhr ist es eine Minute vor Mitternacht“ (Briten-Premier Boris Johnson) oder „es ist unsere Pflicht zu handeln“ (EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen) wurde am Wochenende zum Auftakt des Klimagipfels in Glasgow vor den katastrophalen Auswirkungen der Erderwärmung gewarnt. Ob den Ankündigungen auch Taten folgen, ist zu bezweifeln, denn viele Teilnehmer bewiesen eine gehörige Portion Doppelmoral: Nicht weniger als 400 Privatjets brachten die Gipfel-Gäste nach Schottland. Laut „Daily Mail“ wurden alleine durch diese Flüge 13.000 Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Österreichs Kanzler Alexander Schallenberg reiste übrigens per gewöhnlichem Linienflug an.

Prinz Charles, Prinz Albert von Monaco oder Amazon-Gründer Jeff Bezos sind nur einige der Prominenten, die sich mit privaten Flugzeugen zur COP26, der 26. Welt-Klimakonferenz, bringen ließen. Alleine am Sonntag zählten Reporter der „Daily Mail“ binnen weniger Stunden 52 Privatjets, die in der Nähe von Glasgow landeten. Es wird geschätzt, dass insgesamt 400 derartige Flüge für sämtliche Teilnehmer nötig waren. Eine besonders auffällige CO2-Spur dürfte US-Präsident Joe Biden hinterlassen haben, der gar mit einer Flotte von vier Flugzeugen und einem Helikopter anreiste.

Per SUV-Konvoi zur Konferenz
Damit aber nicht genug: Da der Flughafen von Glasgow wegen der vielen ankommenden Gäste stark überlastet war, mussten zahlreiche Maschinen auf andere Airports ausweichen. Das hatte wiederum zur Folge, dass die Promis, VIPs, Konzern-Chefs und Spitzenpolitiker von den Landeplätzen Dutzende Kilometer zur Konferenz bzw. zu ihren Unterkünften gebracht werden mussten - teilweise in langen Konvois von SUVs mit schmutzigen Verbrennungsmotoren ...

Detail am Rande: Auf den allermeisten Anreiserouten wären auch reguläre Verkehrsmaschinen geflogen. Von einer versuchten Vorbildwirkung der Gipfel-Teilnehmer kann also kaum die Rede sein. Auch ein Augenzeuge am Glasgower Flughafen meinte: „Damit verliert man an Glaubwürdigkeit. Es ergibt keinen Sinn, mit all diesen Jets anzureisen, sie verschärfen das Problem mit den Emissionen nur.“ Die Pandemie habe gezeigt, dass man auch per Videokonferenzen effizient miteinander reden könne.

100 Staaten wollen bis 2030 Entwaldung stoppen
Beim Gipfel hatten sich am Montagabend mehr als 100 Staaten verpflichtet, die Zerstörung von Wäldern und anderen Landschaften bis 2030 zu stoppen. Die beteiligten Länder, darunter die gesamte EU, repräsentieren 85 Prozent der weltweiten Waldfläche, also etwa 34 Millionen Quadratkilometer.

Schallenberg kam per Linienflug
Einen Auftritt in Glasgow hatte am Montagabend auch Kanzler Schallenberg, der mit einem gewöhnlichen Linienflug anreiste. Er unterstrich in seiner Rede die enge Verbindung der österreichischen Aktivitäten beim Klimaschutz mit jenen auf EU-Ebene. Und Europa sei mit seinen Klimazielen „auf dem besten Weg, bis 2050 erster klimaneutraler Kontinent zu werden“, so Schallenberg. Mit dem auf 130 Millionen Euro vervierfachten Beitrag zum Green Climate Fund hob er Österreichs Rolle bei der Klimafinanzierung hervor.

Österreichs Bundeskanzler Alexander Schallenberg in Glasgow (Bild: AP)
Österreichs Bundeskanzler Alexander Schallenberg in Glasgow
Schallenberg und der britische Premier Boris Johnson in Glasgow (Bild: AP)
Schallenberg und der britische Premier Boris Johnson in Glasgow
(Bild: AP)

Bezos spendet zwei Milliarden Dollar
Im Vergleich dazu: Der mit seinem Privatjet angereiste Jeff Bezos hat angekündigt, zwei Milliarden Dollar (rund 1,73 Milliarden Euro) zu spenden. Diese enorme Summe soll für Aufforstungen eingesetzt werden.

Porträt von Georg Horner
Georg Horner
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