Tennis-Ass Dominic Thiem zögerte lange mit der Corona-Impfung. Wichtige Politiker schalteten sich ein. In Deutschland forderte gar Angela Merkel Kicker Joshua Kimmich zum Impfen auf. Ist das notwendig oder ungerechtfertigt?
„Sport hat die Kraft, um die Welt zu verändern. Zu inspirieren, zu einen. Sport ist mächtiger als Regierungen beim Niederreißen von Barrieren und beim Bekämpfen von Diskriminierung aller Art.“ Große Worte von Nelson Mandela. Aktueller denn je. Die Macht des Spitzensports und dessen Stars werden zum Politikum. Dank Corona mit einer neuen Facette.
In Österreich bekam dies zuletzt Tennisprofi Thiem zu spüren. Er wollte auf ärztlichen Rat hin auf einen neuen Impfstoff warten. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) forderte daraufhin den Star öffentlich auf, sich impfen zu lassen. Ähnliche Wortspenden wurden von Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Karoline Edtstadler (ÖVP) dargeboten. Sie wollten mit Argumenten überzeugen. Das Argument für eine erste Impfung letzten Freitag waren aber keine Politiker-Worte, sondern die Karriere-Pläne. Die Australian Open im Jänner stehen an.
Kritik an politischer Vereinnahmung
„Die Politiker sollen sich lieber auf eine für die Gesellschaft sinnvolle Politik konzentrieren, die Sportler auf den Sport“, sagt Soziologe Otmar Weiß von der Universität Wien. Je populärer ein Sport, desto wirkmächtiger. Vereinnahmung des Sports durch die Politik finde sukzessive und durch die medialen Möglichkeiten statt. Das zeigt sich zurzeit auch beim ebenfalls ungeimpften Bayern-Superstar Joshua Kimmich. Fußball zählt in Deutschland zu wichtigen Kulturgütern. Da sah sich selbst Kanzlerin Angela Merkel bemüßigt, dem jungen „reflektierten“ Herrn Kimmich Reflexion ans Spitzensportlerherz zu legen.
„Ich finde es schade, wenn das politisch ausgeschlachtet wird. Man sollte einem Spitzensportler als Privatperson die Entscheidung überlassen“, sagt Sportmediziner Kurt Moosburger. „Wenn Dominic Thiem sagt, er wartet auf einen Totimpfstoff, so ist das zu akzeptieren. Totimpfstoffe kennen wir seit Jahrzehnten, die sind erprobt, Beispiel Influenza oder Zeckenimpfung. Hier werden gegen das ganze Virus Antikörper gebildet im Gegensatz zu den neuen Impfstoffen, die gegen Covid eingesetzt werden.“ Niemand habe das Recht, Sportler zu kritisieren, zu drängen. „Solange es keine gesetzliche Impfpflicht gibt, kann man keinen Menschen zum Impfen nötigen.“
Spezielle Verantwortung durch die öffentliche Rolle
Kritiker indes verweisen auf die große Vorbildwirkung von Leuten, die derart stark in der Öffentlichkeit präsent sind. „Sportstars kreieren ein öffentliches Bild von sich. Auch mit ihren Botschaften. Seien sie nun bewusst oder unbewusst. Und es gibt eine besondere Verantwortung“, erklärt Thomas Brandauer. Der Sportpsychologe betreute u. a. die Olympiamannschaft von Tokio. Sind Athleten anfälliger für Ängste vor Impfungen? „Da fehlen uns die Daten. Aber klar ist: Der Körper ist das Kapital des Sportlers. Einige horchen auf, wenn über Nebenwirkungen geredet wird.“ Eine Woche auszufallen, könne einen Rückschlag bedeuten.
Bei Österreichs Olympiatruppe habe Brandauer wenig von Impfskepsis bemerkt. Klar ist: „Bei einer Verletzung sind die Athleten sofort beim Arzt, eine Impfung ist eine präventive Handlung. So etwas schiebt man leichter vor sich her und fürchtet vielleicht auch Nebenwirkungen.“
Thiem arbeitet nach einer langwierigen Handgelenksverletzung am Comeback. Der 28-Jährige will unbedingt in Australien spielen. Dort dürfen nur Geimpfte hinein. Der Totimpfstoff ist noch nicht verfügbar. Also wurde es ein aktuell vorrätiger. Er hat über die Angelegenheit nie viel geredet. Das tun andere über ihn ohnehin zur Genüge.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.