Gewaltige Missstände

„Bald gibt es gar keine Pflegekräfte mehr“

Familie
08.11.2021 06:00

Zwei angehende Gesundheits- und Krankenpfleger schildern die Missstände, wie fehlende finanzielle Mittel und die Beeinträchtigung des Lernerfolgs durch Personalmangel, in ihrer Ausbildung. Eine Demo folgt.

Die Probleme in der Pflege betreffen mittlerweile sogar die Auszubildenden in den verschiedenen Sparten. Fehlende finanzielle Unterstützung, Wertschätzung und Ausbildungsplätze sowie Praktika, bei denen auch die Schüler unter dem Personalmangel leiden. Den Auszubildenden reicht‘s! Sie gehen daher am Dienstag in Wien auf die Straße. Unter dem Motto „Gesundheitskollaps - Und die Bundesregierung schaut zu“ fordern sie weitreichende Reformen.

(Bild: Brenek Malena)

Schüler fühlen sich mit Sorgen alleingelassen
„Die jungen Kollegen fühlen sich mit ihren Sorgen allein- und zurückgelassen und wollen jetzt endlich Taten sehen“, sagt Roman Brunner, Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft vida. Eine dieser Sorgen ist vor allem finanzieller Natur. „Es ist wirklich schwer, finanziell durch die Ausbildung zu kommen“, sagt Heidemarie Haslinger, die das Studium der Gesundheits- und Krankenpflege an der Fachhochschule Wien macht. Die 30-Jährige ist Quereinsteigerin, war davor in der Behindertenbetreuung tätig. Und das ist sie auch jetzt noch - zumindest geringfügig: „Ohne dieses Einkommen wäre es unmöglich, die Ausbildung zu beenden“, sagt Haslinger. Doch es sei auslaugend - 40 bis 50 Stunden Praktika pro Woche, dazu lernen, Prüfungen und der Nebenjob.

Roman Brunner von der Gewerkschaft vida (Bild: Lisa Lux)
Roman Brunner von der Gewerkschaft vida

Viele brechen Studium ab, weil Geld fehlt
„In unserem Jahrgang haben viele das Studium abgebrochen oder müssen ein Jahr pausieren, weil die finanziellen Mittel fehlen. Jüngere ziehen wieder zu den Eltern, andere benötigen Unterstützung vom Partner oder der Familie“, weiß auch Christopher Kleinlein, der ebenfalls an der FH studiert. Auch er ist Quereinsteiger, war davor Bürokaufmann und hat dadurch das Glück, ein Stipendium ergattert zu haben. Das Glück hat aber nicht jeder: Im Bereich der Pflegefachassistenz gibt es an manchen Instituten sogar nur ein „freiwilliges Taschengeld“ in der Höhe von 91,60 Euro pro Monat für all jene, die keinen Anspruch auf zusätzliche Förderungen haben.

Heidemarie Haslinger (Bild: zVg)
Heidemarie Haslinger
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Was, wenn du plötzlich selbst Pflege benötigst? Pflege betrifft uns alle. Wir brauchen ein komplettes Umdenken von der Regierung. Und Mitspracherecht.

Heidemarie Haslinger

Ausbildung leidet wegen Personalmangel
Neben der fehlenden finanziellen Unterstützung macht den Auszubildenden aber auch bereits jetzt der Personalmangel an den Stationen zu schaffen. „Während der Praktika werden wir oft als volle Kräfte eingesetzt. Es stehen auch keine Praxisanleiter zur Verfügung oder sie haben keine Zeit, weil sie selbst im Einsatz sind“, schildert Haslinger. „Wenn wir nicht die Möglichkeit haben, richtig zu lernen, wie sollen wir dann später wissen, wie man in bestimmten Situationen reagiert? Wir sind doch die Zukunft der Pflege“, betont sie.

Christopher Kleinlein (Bild: zVg)
Christopher Kleinlein
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Die große Ausbildungsoffensive fehlt noch. Wobei man sagen muss, dass Wien hier schon mehr macht. Es braucht aber auch mehr Wertschätzung für uns.

Christopher Kleinlein

„Wir waschen die Patienten nicht nur“
In Kleinleins Kursen machen sich die Studenten bereits Sorgen über die Zukunft. „Die größte Angst ist jene, plötzlich alleine auf der Station zu sein, weil sonst niemand da ist. Dann ist aber Gefahr in Verzug“, sagt er. Auch die Wertschätzung der Profession ist ein Kritikpunkt: „Wir waschen die Patienten nicht nur“, betont Kleinlein. Und die Auszubildenden warnen: „Wenn es so weitergeht, gibt es bald gar keine Pflegekräfte mehr.“

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