Eine Komödie über die Klimakatastrophe - kann man das machen? Eigentlich spricht nicht viel dafür, doch die junge deutsche Dramatikerin Svenja Viola Bungarten beweist in „Garland“ das Gegenteil. In der Regie von Anita Vulesica feierte das Stück nun am Grazer Schauspielhaus seine umjubelte Uraufführung.
Was haben Judy Garland und die Welt von 2021 gemeinsam? So wie die Schauspielerin einst von den Bossen des Studiosystems in Hollywood verheizt wurde, wird es auch der Planet gerade von der Wirtschaftselite - alles im Namen der Gewinnoptimierung. Die Dürre, die bei Garland noch eine emotionale war, ist mittlerweile zur globalen Bedrohung geworden - und wie beim Hollywood-Star, der mit 47 Jahren abgewrackt verglühte, scheinen auch beim Verglühen der Erde alle nur staunend zuzuschauen.
Katastrophe als Dauerzustand
Dieses Dilemma stellt die junge Dramatikerin Svenja Viola Bungarten ins Zentrum ihres ersten Stückes. „Garland“ spielt in einer Welt, in der die Katastrophe zum Dauerzustand geworden ist. Daran kann auch die geisterhafte Präsenz von Judy Garland (grandios: Evamaria Salcher) nichts ändern, die immer wieder auftaucht und ihre Lieder über das Durchhalten anstimmt.
Kunstvoll und mit viel Witz verschränkt Bungarten Figuren und Geschichten. Da gibt es etwa Tante Em und Onkel Henry, die auf der Veranda sitzen und in pointenreichen Dialogen (ein gefundenes Fressen für Beatrice Frey und Rudi Widerhofer) in die Dürre starren, bis dort die junge Dorothee auftaucht. Das Mädchen (wunderbar gespielt von Katrija Lehmann) ist eine Mischung aus Greta Thunberg und der Dorothy aus dem „Zauberer von Oz“ und will eigentlich gegen die Dürre ankämpfen, wird aber von einem ungeschickten Cop (Lukas Walcher) als Brandstifterin verfolgt.
Heiße Luft und Humor
Sie alle landen im Laufe des Stückes im Studio von Radiomoderatorin Lorna Luft (stimmgewaltig und ausdrucksstark: Lisa Birke Balzer), die zwar bemüht ist für die Probleme eine Öffentlichkeit herzustellen, aber ihnen letztlich auch nicht mehr als heiße Luft entgegenzusetzen hat.
Von Anfang an stellt sich in „Garland“ ohnehin eine grundsätzliche Frage: Wie real ist all das eigentlich, was die Figuren in diesem Stück erleben? Denn viele der Szenen werden vom glücklosen Filmregisseur Salvatore Brandt (von Frieder Langenberger mit kauziger Intensität gespielt) für eine unsichtbare Kamera inszeniert - so manches lässt er auch mehrmals drehen.
Die Kunst der Katastrophe
Das Stück erzählt also nicht nur eine Geschichte über den Klimawandel, sondern auch eine Geschichte über die künstlerische Verarbeitung derartiger Katastrophen: Denn je größer diesbezüglich die künstlerischen Ambitionen sind, desto größer ist auch die Gefahr, ins Klischeehafte oder gar in die Moralpredigt zu kippen.
All diese Gefahren umschifft „Garland“ bravourös. Es ist beeindruckend, wie humorvoll und kurzweilig ein Stück über die Klimakatastrophe daherkommen kann, ohne dabei jemals die Dringlichkeit des Themas aus den Augen zu verlieren. Das ist nicht zuletzt der Verdienst von Anita Vulesica, die es in ihrer Inszenierung versteht, den Klamauk stets im richtigen Moment einzubremsen und das Geschehen auf den ausgedörrten Boden der Realität zurückzuholen, für den Bühnenbildner Frank Holldack die perfekt abgewrackte Kulisse bietet.
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