Die Stadt Wien kümmert sich um Weiterbildung. Vor Kurzem erhielten nämlich die Mitarbeiter eine Broschüre. Das Thema: Gendergerechtes Formulieren. Aber ist das auch alltagstauglich? Und: Die Stadt nimmt das Ganze so ernst, dass sie sogar schon Schafe gendert.
„Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, sehr geehrte intergeschlechtliche Menschen!“ Wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie demnächst am Magistrat oder bei einer Veranstaltung der Stadt Wien so angesprochen werden. Denn an alle Mitarbeiter erging eine neue Broschüre, die das richtige Formulieren zum Inhalt hat. „Ziel der Stadt Wien ist es, die Gleichstellung aller Geschlechter in allen Bereichen zu fördern“, heißt es darin.
Die dritte Geschlechtsoption
„Die Broschüre leitet an, wie nun Menschen aller Geschlechter gleichwertig respektvoll und inklusiv angesprochen werden sollen“, erklärt Wolfgang Wilhelm, Leiter des Büros der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend und Transparenz von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS), aus dessen Ressort die Anleitung stammt. Dies sei nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes betreffend die dritte Geschlechtsoption im Jahr 2018 nötig gewesen. Denn Angehörige dieser Gruppe sind weder als männlich noch als weiblich anzuerkennen. Wie spricht man sie also richtig an? Zum Glück hilft die Stadt bei dieser Frage aus.
Liebe Wienerinnen, liebe Wiener und liebe intergeschlechtliche Menschen in Wien!
Die richtige Formulierung laut Broschüre
Phrase „etwas Herr werden“ ist nicht mehr erwünscht
Laut Wilhelm seien die Formulierungen bereits praxiserprobt. Was man ob der Sperrigkeit aber kaum glauben kann. So soll es etwa heißen: „Liebe Wienerinnen, liebe Wiener und liebe intergeschlechtliche Menschen in Wien.“ Aber: „Um dem Verkehrschaos Herr zu werden“ soll aus dem Sprachgebrauch verschwinden - womöglich gleich mit das leidige Patriarchat. Die richtige Formulierung lautet aber auch nicht „Um dem Verkehrschaos Frau zu werden“ (die Auflösung finden Sie in der Grafik weiter oben).
Die breite Mitte findet sich gerade in solchen Debatten nicht wieder, wenn es um derartige Sprechverbote beziehungsweise Vorgaben geht.
ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch
Bürgermeister Ludwig kennt Broschüre nicht
Dass Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der Präsentation der nächsten Corona-Verschärfung „richtig formuliert“, kann nicht angenommen werden. Laut dessen Büro ist ihm die Broschüre noch nicht geläufig. Kritik kommt indes von ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch: „Das ist ein weiteres negatives Beispiel für die Gleichmacherei der Sprache."
Die Stadt gendert sogar Schafe!
Sehr geehrte Schafe, Böcke bzw. Widder, sehr geehrte Hammel sowie Bald-Hammel und intergeschlechtliche Schafe - so würde vermutlich eine Anrede formuliert sein, wenn Schafe lesen könnten. Am Wochenende staunten viele Wiener nicht schlecht, als sie eine Aussendung der Stadt Wien zu den Mäh-Schafen lasen. Das sind - unabhängig von ihrem Geschlecht - jene Tiere, die auf der Donauinsel vom Boden fressen, was sonst mühsam händisch gemäht werden müsste. „Denn die Schafe verursachen als umweltfreundliche Rasenmäher keine Abgase und sind leiser als maschinelle Rasenmäher“, freute sich noch die dafür zuständige Stadträtin Ulli Sima.
Ist ein Schaf nicht sowieso weiblich?
In der Aussendung war jedenfalls Folgendes zu lesen: „Sie fühlen sich rundum wohl auf der Insel: die 70 Krainer Steinschafe, die heuer bereits die dritte Saison als ,tierische MitarbeiterInnen‘ der Stadt auf der Donauinsel verbracht haben.“ Tierische MitarbeiterInnen? Ist ein weibliches Schaf nicht sowieso ein Schaf? Fühlen sich männliche Schafe schnell beleidigt, wenn man sie nicht mit Bock bzw. Widder anspricht? Hat ein Hammel schon wegen Diskriminierung geklagt?
Wieso gendern Sie Schafe?
Die „Krone“ fragte bei der Stadt nach: Wieso gendern Sie Schafe? In der Abteilung wird diese Erklärung abgegeben: „Ja, es ist richtig, dass wir gendergerecht formulieren. Bei den Schafen ist mir allerdings ein Fehler unterlaufen, richtigerweise hätte ich schreiben müssen ,tierische Mitarbeiterinnen‘, denn bei unseren Schafen handelt es sich ausschließlich um weibliche Tiere.“ Na wenn das nicht diskriminierend ist ...
Selbst das ABC ist zu männlich
Die Gleichberechtigung in der Sprache trägt mitunter skurrile Blüten - nicht erst seit der bizarren Broschüre der Stadt. So schlug das Deutsche Institut für Normung vor, künftig auch genderneutral zu buchstabieren. Immerhin seien derzeit 16 männliche und nur sechs weibliche Namen darin enthalten. Statt A wie Anton soll es dann etwa A wie Augsburg heißen. Die finale Fassung der gendergerechten Buchstabiertafel soll Mitte 2022 veröffentlicht werden.
Nur 20 Prozent nutzen gendergerechte Sprache
Die Wiener Linien strichen bereits die „Schwarzfahrer“, die Austrian Airlines ersetzten „Damen und Herren“ mit „Guten Tag“. Im Bezirksparlament Währing wurde schon im Juni die gendergerechte Sprache beschlossen.
Und wie halten es eigentlich die Österreicher? Laut einer „Krone“-Studie verwenden 20 Prozent geschlechterneutrale Sprache. 66 Prozent lehnen sie ab. Und: 56 Prozent glauben nicht, dass sie Frauen fördert.
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