In dreieinhalb Jahren hat er eine halbe Weltreise hingelegt, nun ist „B*O*A*T*S“ das Ergebnis davon: So hat Michael Patrick Kelly sein neues Album getauft, auf dem er sich vielseitig wie noch nie zeigt. „Ich habe mir viele Auszeiten genommen für das Songwriting“, sagte er im APA-Interview. Als roter Faden dienen die Songtexte. „Der Albumtitel steht für ‘based on a true story‘, alle Lieder basieren auf wahren Geschichten.“
So sind es entweder eigene Erlebnisse oder aber Erzählungen von anderen, die der 43-jährige Sänger verarbeitet hat. In „Mother‘s Day“ geht es etwa um eine Episode aus seiner Kindheit, war Kelly doch erst fünf Jahre alt, als seine Mutter gestorben ist. Als er ein halbes Jahr danach ihr Grab mit Blumen zum Muttertag verschönern wollte, fielen ihm die üppigen Sträuße auf den anderen Gräbern auf. „Und ich hatte nur ein paar Wildblumen. Deshalb habe ich alle anderen Blumen geklaut und auf das Grab meiner Mutter gelegt“, schmunzelte Kelly. „Sie hat sicher von oben runter geschaut und sich gedacht: Gutes Herz, schlecht erzogen.“ Vor kurzem hat er alle Gräber des Friedhofs schmücken lassen, was die Menschen sehr berührt habe.
Nicht aufgeben
„Running Blind“ handelt wiederum vom paralympischen Langstreckenläufer Henry Wanyoike aus Kenia, der 2000 in Sydney Gold holte, obwohl sein Begleitläufer kurz vor dem Ziel zusammengebrochen ist. Daraufhin hätten ihn die Besucher im Stadion mittels Zurufen ins Ziel gebracht. „Das ist für mich eine Metapher fürs Leben: Manchmal sieht man nur schwarz und weiß einfach nicht weiter“, so Kelly. „Da nicht aufzugeben, dafür ist Henry ein Vorbild für mich.“
Insgesamt wollte er in diesen turbulenten und für viele so schwierigen Zeiten Songs mit gutem Ausgang abliefern. „Ich schreibe Lieder normalerweise ja aus egoistischen Gründen, aber manchmal frage ich mich: Was brauchen die Leute eigentlich?“ Als Künstler leiste er „Menschendienst“, so der in Dublin geborene Musiker, der seine Karriere als Teil der legendären Kelly Family begonnen hat. „Wir sind für die Emotionen da und begleiten die Menschen. Nietzsche hat zurecht gesagt, dass das Leben ohne Musik ein Irrtum wäre. Man stelle sich nur eine Hochzeit oder auch eine Beerdigung ohne Musik vor. Du musst feiern oder trauern können. Musik hilft dabei, das auszulösen. Im Moment brauchen die Menschen gute Nachrichten, sie brauchen Hoffnung, Trost und Mut. Daher haben diese Songs Mut machende, hoffnungsbringende und tröstende Themen.“
Playlist-Album
Keine Vorgaben gab es wiederum musikalisch: Da liefert Kelly schon mit dem Opener und Titelsong handgemachte Popmusik mit Folkschlagseite, zeigt direkt im Anschluss mit „Diamonds & Metals“ sein Faible für Rock oder serviert das weltmusikalisch gefärbte „Fake Messiah“. Knackige Beats? Klar doch, sind bei „Throwback“ mit dabei. Oder aber der reduzierte Singer/Songwriter-Touch von „The World“, einem Duett mit der niederländischen Musikerin Ilse DeLange. „Musikalisch ist das Album wie meine persönliche Playlist“, erklärte Kelly. Er habe stets nur die Lieder selbst im Auge gehabt: „Was auch immer funktioniert, so lange der Song bekommt, was er braucht - das war für mich das Kriterium.“
Schwieriger wurde die Albumproduktion klarerweise durch Corona. „Die Pandemie hat das Leben komplizierter gemacht, auch für alle in der Musikbranche“, rekapitulierte der Sänger. „Auf der anderen Seite haben sich viele von uns die Frage gestellt, was wirklich wichtig ist. Eine einfache Umarmung oder ein geselliger Abend mit Freunden und Familie sind auf einmal so wertvoll geworden. Das sind Sachen, die mich im Songwriting zum Nachdenken gebracht haben. Alles was unnötig, oberflächlich, zynisch ist, habe ich einfach weggeschoben.“
Ode an den Menschen
Zudem sieht der Künstler die Gesellschaft von einer „Wahrheitskrise“ bedroht. „Auf Twitter verbreiten sich Fake News viel schneller, oft wird nur ellbogenmäßig gearbeitet und gelebt“, fand Kelly klare Worte. „Deshalb wollte ich auch diese wahren Geschichten erzählen, das Album sollte echt sein. Immerhin ist das Leben oft wirklich schön! Der Mensch ist nicht nur ein Arschloch, er ist auch ein Held, ist herzlich und selbstlos.“ All diese Dinge wollte er mit „B*O*A*T*S“ erzählen und vor den Vorhang holen. „Es gibt die ‘good news‘, aber sie kommen zu wenig in den Nachrichten vor.“
Was aber nicht bedeutet, dass sich Michael Patrick Kelly zum großen Welterklärer aufschwingen will. „Wir leben ja in einer Zeit, in der jeder glaubt, seine Meinung zu allem sagen zu müssen. Das kommt auch durch Social Media. Und natürlich habe ich zu allem eine Meinung - aber nicht zu allem eine fachliche Kompetenz! Das muss man wirklich unterscheiden.“ Stattdessen wolle er mit seiner Musik „gemeinsame Momente“ schaffen. Seine Songs will er ohnehin nicht zu sehr erklären. „Da wo die Sprache aufhört, fängt das Bild an. Es soll möglich sein, deine eigene Story damit zu verbinden. Vielleicht mache ich es aber auch wie Dylan oder Bowie und erzähle jedes Mal etwas anderes“, lacht der Musiker, der für 2022 einen Auftritt in der Wiener Stadthalle plant. Die Reise geht also weiter.
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