Arbeitsminister Martin Kocher will bei der Reform der Arbeitslosenversicherung nicht an der Höhe der Beiträge drehen. Diese seien im europäischen Vergleich zwar hoch, würden aber dennoch in den meisten Jahren nicht ausreichen, sagte der Minister am Dienstag bei einer Diskussionsveranstaltung in Wien. Aber die Abgabe liege mit sechs Prozent des Gesamteinkommens seit Langem unverändert, eine Erhöhung wäre wegen höheren Lohnnebenkosten auch nicht im Interesse der Beschäftigten.
Das Gesetz zur Arbeitslosenversicherung sieht zwar grundsätzlich vor, dass die Beiträge zu erhöhen sind, wenn die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben decken, erläuterten die beiden Arbeitsrechts Professorinnen Susanne Auer-Mayer (Institut für Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht, WU Wien) und Elisabeth Brameshuber (Institut für Arbeits- und Sozialrecht, Uni Wien) in der Diskussion.
Minus von über acht Milliarden Euro wegen Kurzarbeit
Dabei seien aber Möglichkeiten zur Kreditaufnahme des AMS oder andere Einnahmemöglichkeiten zu berücksichtigen - und es gebe offensichtlich einen gesellschaftlichen Konsens, dass die Beiträge nicht erhöht werden sollen, wie Brameshuber feststellte. Auch Kocher verwies darauf, dass es zwar wegen der massiven Kurzarbeit ein Minus von über acht Milliarden Euro gegeben habe, aber es sei immer klar gewesen, dass dies über das allgemeine Budget gezahlt wird.
Wobei Kurzarbeit nicht unbedingt im Rahmen der Arbeitslosenversicherung abgewickelt werden müsste, wie die beiden Professorinnen sagten. Allerdings habe der Gesetzgeber einen sehr großen Spielraum, wie die Unterstützung für Arbeitslose gestaltet wird, die Verfassung sehe kaum Einschränkungen vor. Immerhin müsse sichergestellt sein, dass der Zweck, nämlich die Absicherung der Arbeitslosen, erfüllt ist, so Auer-Mayer. Hingegen sei es keine Voraussetzung, dass gleiche Regeln wie zum Beispiel in der Pensionsversicherung gelten müssen - man dürfte also Arbeitslosen den Zusatzverdienst verweigern, auch wenn dieser Pensionisten erlaubt bleibt. Auch der Berufsschutz - dass man nicht gezwungen werden kann, den Job zu wechseln - und der Entgeltschutz - dass man keinen wesentlich schlechter bezahlten Job annehmen muss - könnten rein rechtlich verändert werden.
Der Gesetzgeber hat einen sehr großen Spielraum, wie die Unterstützung für Arbeitslose gestaltet wird. Die Verfassung sieht kaum Einschränkungen vor.
Arbeitsrechts-Professorin Susanne Auer-Mayer
Das sei aber in dieser Form ohnehin nicht geplant, sagte Kocher. Es würde ökonomisch keinen Sinn ergeben, Menschen in Jobs zu drängen, die nicht ihren Qualifikationen entsprechen. Das AMS habe sogar die Vorgabe, möglichst vielen Menschen einen Job mit einem Bruttolohn über 2000 Euro zu vermitteln. Auch wird es grundsätzlich weiter die Möglichkeit eines Zuverdienstes geben, so Kocher. Gesucht sei ein Modell, das den Zuverdienst ermöglicht, wo damit Armut gelindert oder verhindert wird, das aber nicht zur Verfestigung der Arbeitslosigkeit führt. „Ich kann mir einige Modelle vorstellen, wo das gelingt“, so der Minister. Wobei die Juristinnen wie auch der Minister darauf hinwiesen, dass eine erhebliche Zahl der Arbeitslosen aus Sozialgeld eine Aufstockung ihrer Unterstützung erhalten - würde man ihnen den Zuverdienst verwehren, würde dies die Kosten für den Staat nur erhöhen.
Das AMS hat sogar die Vorgabe, möglichst vielen Menschen einen Job mit einem Bruttolohn über 2000 Euro zu vermitteln.
Arbeitsminister Martin Kocher
Ganz grundsätzlich will Kocher mehr „in Richtung aktive Arbeitsmarktpolitik gehen“, also Geld für Qualifizierung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit ausgeben, um so bei der passiven Arbeitslosenhilfe, also dem Arbeitslosengeld, zu sparen.
Arbeitslosenversicherungsgesetz seit 1920
Eine Reform des 1920 entstandenen Arbeitslosenversicherungsgesetzes sei aber durchaus angesagt, waren sich die Juristinnen einig. Von einer „Eleganz“ des Gesetzes könne man nicht mehr sprechen, so Auer-Mayer. Seit der letzten Generalüberholung des Gesetzes sei es schon wieder über 130 Mal novelliert worden, „man findet immer wieder Dinge, die einen überraschen“. Etwa gewisse Berechnungen, oder Deckel für Unterstützungen. So gebe es Regelungen zur Sterbebegleitung, die an sich nichts mit der Arbeitslosenunterstützung zu tun haben. Brameshuber wiederum verwies darauf, dass es noch Regeln für selbstständige Pecher gebe - obwohl es vor zehn Jahren schon nur mehr 8 Vertreter des Berufsstandes gegeben habe.
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