Album „Still Sucks“

Limp Bizkit und die Rückkehr zu den dicken Hosen

Musik
17.11.2021 06:00

Mit einem neuen Album von Limp Bizkit hätten Nu-Metal-Fans und Nostalgiker trotz dutzendfacher Angekündigungen nicht mehr gerechnet. Zehn Jahre nach „Gold Cobra“ erschien „Limp Bizkit Still Sucks“ nun wie aus dem Nichts. Darauf zeigen Fred Durst und Co., das alte Besen zwar gut kehren, die Gegenwart aber nicht die Magie der Vergangenheit versprüht.

(Bild: kmm)

Guns N‘ Roses und die 15 Jahre zwischen dem „Use Your Illusion“-Doppelschlag und der unnötigen Quasi-Comeback-Platte „Chinese Democracy“ bleiben in diesem Segment unerreicht, aber in der Rangliste der größten Treppenwitze der neueren Musikgeschichte folgen direkt dahinter Limp Bizkit. Die Florida-Band rund um den streitbaren Frontmann Fred Durst schrieb spätestens 2000 mit dem Megaseller „Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water“ Musikgeschichte und lieferte den perfekten Soundtrack zum Millennium. Zur Hochphase des Nu-Metal, einer von Durst und Co. mitinitiierten Gemengelage aus Rap, Hardcore, Crossover und eben Metal, rotierten Songs wie „Rollin‘“, „Take A Look Around“, „My Generation“ oder „My Way“ in Dauerschleife. Schon im Jahr davor knallten „Nookie“ oder „Break Stuff“ die Basecaps von den Häuptern Baggie-tragender Skatekids. Während sich Genre-Mitbewerber wie Linkin Park oder die Deftones vom Nu-Metal-Mief distanzierten und Korn zumindest auf Abstand gingen, zogen Limp Bizkit ihre Mission gnadenlos durch.

Streithansl
Mit dem 2003er Album „Results May Vary“ ging es kommerziell nochmal durch die Decke, kreativ war die Luft aber endgültig draußen. Die On-/Off-Beziehung zum maskierten Gitarristen Wes Borland erreichte ihren Höhepunkt, DJ Lethal verstrickte sich in immer größere Skandale und Frontmann Fred Durst kokettierte schon längst mit Hollywood. Der streitbare Sänger mit dem fragwürdigen Modegeschmack hat sich über die Jahre zudem eine Feindesliste zugelegt, die selbst in Musikerkreisen als beachtlich angesehen werden kann. Öffentlich ausgetragene Beefs mit Slipknot, Placebo, Nine Inch Nails, Eminem oder Marilyn Manson lassen sogar Mastodon-Rüpel Brent Hinds wie einen Chorknaben dastehen. 2009 fanden Limp Bizkit wieder in Originalbesetzung zusammen, zwei Jahre später erschien das Comebackalbum „Gold Cobra“. Damals offensiv verschmäht, lässt sich das Album mit einer gemütlichen Nostalgiebrille heute durchaus versöhnlich betrachten.

Richtig verwirrend wurde es nach der Trennung mit dem Label Interscope Records. Jahrelang kündigte Durst neues Material an. Die EP „The Unquestionable Truth Part 2“ und das Album „Stampede Of The Disco Elephants“ lancierte er immer wieder in Interviews, etwa auch bei uns in der „Krone“ im Zuge des Rock In Vienna-Festivals 2015 auf der Wiener Donauinsel. Schon damals sagte er: „Ich habe die Songs bereits x-mal eingesungen und könnte das Album schon in drei Versionen veröffentlichen. Ich glaube einfach noch nicht so ganz an das Material.“ Einzelne Singles, einzelne Shows und interne Querelen folgten über die Jahre. Nur von einem Album war nichts zu sehen. Der sich längst wieder mit Durst in Eintracht befindende Gitarrist Wes Borland verlor in einem Interview vergangenen Juni dann auch schon die Geduld. „Wir waren gefühlt sieben Mal in verschiedenen Studios und habe alle unsere Parts eingespielt und sind fertig. Nur Fred hört nicht auf, daran zu feilen. Ungefähr 35 Songs sind instrumental fertiggestellt, aber er ist mit seinen Gesangsspuren nie zufrieden.“ Dass die Band beim Lollapalooza Festival in Chicago nur einen Monat später ihr Set mit einem Song namens „Dad Vibes“ beendete, erhöhte die Fan-Hoffnung auf die langjährige Einlösung des Albumversprechens.

Wegbereiter für die Jungen
Weitere drei Monate später traut man seinen Augen nicht, denn das bewusst ironisch betitelte „Limp Bizkit Still Sucks“ erblickt das Licht der Welt - auch wenn man die Songs oder Songskizzen des geplanten „Elephant“-Albums vielleicht nie zu hören bekommt. Vom trashigen Millenniumscover über die musikalische Ausrichtung bis hin zur Fuck-You-Attitüde haben sich Limp Bizkit tatsächlich wenig verändert. Dass Durst schon im Vorjahr den 50er überschritten hat, hört man seiner Stimme nicht an, die durchwegs aggressiven Eingangstracks „Out Of Style“, „Dirty Rotten Bizkit“ und „Dad Vibes“ beweisen, dass man neben einer kräftigen Portion Selbstironie auch noch genug Feuer unterm Hintern hat. Limp Bizkit anno 2021 sind auch in der Popkultur weitaus populärer als sie vielleicht selbst glauben wollen. Zukunftsträchtige Jungstars wie Poppy, die Nova Twins oder Rina Sawayama nennen die Floridianer als wichtigen Einfluss und die Altherrenriege erfüllt ihnen auf „Still Sucks“ den großen Wunsch, sich noch einmal unschuldig und unbekannt in den Moshpit begeben zu dürfen, nur dass die Konzertsünden heute dank inflationären Smartphoneeinsatz für das Elternhaus nicht mehr ungesühnt bleiben.

Die Old-School-Vibes fühlt man zu jeder Zeit der nur 32 Minuten kurzen Platte. Der Opener könnte so auch auf „Significant Other“ stehen und selbst mit Rap-basierten Tracks wie „Snacky Poo“ oder „Empty Hole“ macht man nichts falsch, solange man sich eben mit beiden Händen am Jahr 2000 festkrallt. Das INXS-Cover „Don’t Change“ überrascht dazwischen mit einer dunklen, ungewohnt ernsthaften Note, wie man es schon früher gewohnt war („Faith“, George Michael). Limp Bizkit haben sich noch nie wirklich ernst genommen, tun das auf „Still Sucks“ noch weniger. Diese Einstellung zieht sich so behände und konstant durch Songtitel und Texte, dass man unweigerlich das Gefühl bekommt, die Band träte die einzig mögliche Flucht nach vorne an. Nur wer sich selbst so frappant auf die Schaufel nimmt, wird gegen alle Kritiker immun - frag nach bei Scooter. Humorige Medienschelte, poppige Momente und harte Rockbrecher finden sich alle auf dem Album. „Still Sucks“ ist alles andere als ein Meisterwerk und wird eher nicht gut altern, aber mit welcher Selbstsicherheit Durst und Co. der Welt den Mittelfinger entgegenstrecken, hat etwas unzweifelhaft Sympathisches.

Spaß mit Provokation
„Ich bin jemand, der sich gerne hinter Humor versteckt“, erzählte uns Durst damals in Wien, „ich persifliere verschiedene Genres und werde dafür immer angegriffen. Wenn man sich aber Zeit lässt und mit Distanz auf diesen Humor zurückblickt, dann versteht man ihn auch. Natürlich haben wir stark polarisiert, aber eigentlich wollten wir immer nur Spaß haben. Als die Band durch die Decke ging war ich kurz vor meinem 30er, aber alles was ich wollte war, dass man uns nicht allzu ernst nimmt. In der Hitze des Gefechts habe ich oft falsch reagiert. Ich habe mich mit allen angelegt und wollte die Journalisten nur anpissen, weil sie sowieso schlecht über uns geschrieben haben. Limp Bizkit ist im Endeffekt ein wunderbarer Unfall, der mir passiert ist, weil ich meiner lebenslangen Vision gefolgt bin.“ Mit seiner Leidenschaft Erfolg haben und möglichst niemals erwachsen werden, das gelang kaum einer Band besser als Limp Bizkit. Mit der Gnade des Alters ist jetzt längst schon alles egal. Still Sucks eben - aber mit Ansage.

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