Miliz am Vormarsch
Afghanistan: Auch Taliban können IS nicht stoppen
Nachdem die US-Streitkräfte abgezogen waren, übernahmen im August die Taliban die Macht in Afghanistan. Doch auch die militant-islamistischen Herrscher konnten seither den Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nicht stoppen. Der IS, dessen Einfluss sich einst auf wenige Provinzen und Teile der Hauptstadt Kabul beschränkte, ist nun in fast allen Provinzen präsent und aktiv.
In der Nacht auf Donnerstag hat sich sogar die UNO-Sondergesandte für Afghanistan, Deborah Lyons, zu Wort gemeldet und vor einer Erweiterung des IS-Einflussbereichs gewarnt. Die Zahl der Angriffe, die der IS für sich reklamierte, sei signifikant gestiegen. Im Jahr 2020 seien es 60 gewesen, in diesem Jahr bereits 334. Der IS greife weiterhin Schiiten im Land an, sagte Lyons weiter. Das Vorgehen der Taliban gegen den IS sei insofern besorgniserregend, als es sich stark auf außergerichtliche Inhaftierungen und die Tötung mutmaßlicher IS-Mitglieder zu stützen scheine. „Dieser Bereich verdient mehr Aufmerksamkeit von der internationalen Gemeinschaft.“
Machtwechsel Mitte August
Die Taliban hatten nach Beginn des Abzugs der internationalen NATO-Truppen weite Teile Afghanistans erobert. Am 15. August zogen sie kampflos in die Hauptstadt Kabul ein und regieren seitdem. Armee und Polizei zerfielen, Vertreter der vorherigen Regierung flohen. Die Taliban, die den IS seit seinem Auftauchen in Afghanistan Anfang 2015 bekämpfen, sehen sich mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Sie können offenbar auch nicht für Sicherheit im Land zu sorgen. Der IS hatte in den vergangenen Wochen Anschläge mit vielen Toten auf Moscheen in Städten wie Kunduz und Kandahar sowie auf das Militärkrankenhaus in Kabul verübt.
Taliban fordern von USA Zugriff auf afghanische Zentralbank
Am Mittwoch haben die Taliban unterdessen die USA eindringlich aufgefordert, Reserven der afghanischen Zentralbank freizugeben. Das Einfrieren afghanischer Vermögenswerte löse keine Probleme und sei auch keine Forderung des amerikanischen Volkes, schrieb Afghanistans Außenminister Amir Chan Muttaqi an den US-Kongress. Daher müsse Washington die Reserven freigeben. Mit der militärischen Machtübernahme der Taliban wurde der Großteil der Hilfen für Afghanistan eingestellt. Rund neun Milliarden US-Dollar an Reserven der Zentralbank des Landes, die zum großen Teil in den USA geparkt sind, wurden eingefroren. Davor hatte die Regierung in Kabul jährlich Gelder in Höhe von 8,5 Milliarden US-Dollar an militärischer und ziviler Hilfe erhalten. Damit wurden 75 Prozent der öffentlichen Ausgaben finanziert.
Angeschlagene Wirtschaft im freien Fall
Die bereits zuvor angeschlagene Wirtschaft befindet sich seither in freiem Fall. Hilfsorganisationen zufolge zeichnet sich eine schwere humanitäre Krise in dem Land ab. Eine Dürre und der anstehende Winter mit steigenden Preisen verschärfen die Lage weiter. Die Vereinten Nationen warnten, von November an werde mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht ausreichend zu essen haben. Bisher hat kein Land der Welt die Taliban-Regierung anerkannt.
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