Belarus greift durch

Sonderflug brachte Flüchtlinge zurück in den Irak

Ausland
18.11.2021 15:31

Am Donnerstagnachmittag ist in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ein erster Sonderflug mit irakischen Migranten an Bord in Richtung Bagdad gestartet. In Weißrussland (Belarus) befinden sich derzeit rund 7000 Migranten, 2000 davon an der Grenze zu Polen, sagte am Donnerstag Präsidentensprecherin Natalja Ejsmont. Sie erwähnte gleichzeitig ein Kompromissangebot an die EU. Minsk sei bereit, 5000 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückzuschicken, sollte die EU ihrerseits 2000 Migranten aufnehmen, zitierte Ejsmont die staatliche Nachrichtenagentur Belta. Präsident Alexander Lukaschenko habe diesen Vorschlag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel besprochen.

Nach offiziellen Angaben aus dem Irak war am Donnerstag die Rückführung von 430 Irakern geplant, die in Belarus gestrandet waren. Sie sollten mit einem Evakuierungsflug zurück in den Irak gebracht werden, teilte ein Sprecher des Außenministeriums in Bagdad mit. Mitarbeiter des irakischen Konsulats hätten in Belarus außerdem 50 weitere Menschen registriert, die in den Irak zurückkehren wollten, hieß es.

EU drohte Weißrussland mit harten Sanktionen
Um zu verhindern, dass Migranten zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus gebracht werden, hatte die Europäische Union zuletzt harte Sanktionen auch gegen ausländische Fluggesellschaften angedroht. Daraufhin verfügte zum Beispiel die Türkei, dass Staatsbürger mehrerer arabischer Länder nicht mehr vom türkischen Staatsgebiet aus nach Belarus fliegen dürfen. Auch Usbekistan in Zentralasien hatte laut Medienberichten einen solchen Schritt angekündigt.

EU lehnt Verhandlungen mit Weißrussland ab
Die EU lehnte am Donnerstag Verhandlungen mit Weißrussland über die Notlage der Migranten an der Grenze zu Polen und den baltischen Staaten ab. „Es kommt nicht infrage, mit dem Lukaschenko-Regime zu verhandeln“, sagte der Sprecher der Europäischen Kommission, Eric Mamer, am Donnerstag. Gesprächspartner seien vielmehr das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen, UNHCR, und die Internationale Organisation für Migration (IOM), um die Rückführung von Menschen, die sich an der Grenze befinden, zu erleichtern. „Das steht im Mittelpunkt der Gespräche und natürlich auch weiterhin, den Menschen an der Grenze Hilfe zu ermöglichen.“

Am Vortag hatte die EU Hilfslieferungen für die in Weißrussland festsitzenden Migranten angekündigt. In einem ersten Schritt sollen Nahrung, Decken und andere Güter im Wert von 700.000 Euro in die Region an der Grenze zu Polen gebracht werden.

„Kaum jemand kommt durch“
Polen rief unterdessen die EU zu einem entschlossenen Grenzschutz auf. „Wenn wir nicht in der Lage sind, jetzt Tausende Zuwanderer fernzuhalten, dann werden es bald Hunderttausende sein, Millionen, die Richtung Europa kommen“, sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Sein Land beweise derzeit am Grenzzaun zu Belarus, dass effektiver Grenzschutz möglich sei. „Kaum jemand kommt durch, obwohl es jede Nacht und jeden Tag Tausende versuchen.“ Nach Angaben des polnischen Verteidigungsministeriums versuchte in der Nacht auf Donnerstag eine Gruppe von rund 100 Migranten vergeblich, in der Nähe der Ortschaft Dubicze Cerkiewne die Grenze nach Polen zu durchbrechen. Weißrussische Uniformierte hätten dabei zunächst die Lage erkundet und vermutlich die Grenzbefestigung beschädigt, teilte das Ministerium per Twitter mit.

Corona-Fall in Notunterkunft für Migranten
Weißrussland meldete am Donnerstag einen ersten Corona-Fall in der Migranten-Notunterkunft nahe der polnischen Grenze. In der zum Schlaflager umfunktionierten Logistikhalle sei ein Mensch erkrankt, meldete die weißrussische Staatsagentur Belta unter Berufung auf einen Behördenvertreter aus der Region Grodno. Der Erkrankte sei in ein Krankenhaus gebracht worden. In der am Dienstag eröffneten Unterkunft schliefen in den vergangenen beiden Nächten Hunderte Menschen auf engstem Raum auf dem Boden. Weil Regen droht, wurden nun in der oberen Etage noch weitere Migranten untergebracht. Immer mehr Menschen verlassen das Waldstück direkt an der Grenze zu Polen.

In der Halle hielten sich demnach am Donnerstagnachmittag bereits rund 2000 Menschen auf. Corona-Schutzauflagen gibt es dort kaum, fast niemand trägt eine Maske. Die Hygienebedingungen sind schlecht. Dmitri Schewzow, Generalsekretär des weißrussischen Roten Kreuzes, sagte, dass alle Menschen in der Unterkunft Platz finden könnten, die in den vergangenen Tagen im Grenzgebiet kampiert hatten.

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