Immer mehr Studenten

Pflegenotstand: Grazer FH weist Schuld von sich

Steiermark
20.11.2021 07:00

Proteste, Kündigungen und Zukunftsängste: Die Pflegebranche befindet sich aktuell in einer großen Krise. Dennoch streben viele Steirer in den Beruf. Ein „Krone“-Besuch am jungen Grazer FH-Studiengang, der sich gegen Schuldzuweisungen in Sachen Personalmangel wehrt.

Hunderte Spitalsmitarbeiter, die sich koordiniert zu Protesten vor den Krankenhaustoren versammeln. Studien, laut dennen ein Großteil die Branche verlassen will. Betriebsräte, die ein düsteres Bild von der Zukunft zeichnen.

Pflegenotstand - seit Monaten prägt dieses Wort das öffentliche Bild über diesen höchst verantwortungsvollen und sensiblen Bereich unserer Gesellschaft. Dieses Wort macht uns Angst.

Stefan Ritz war im Tourismus, kam aber über den Zivildienst in den Pflege-Bereich. (Bild: Sepp PailSepp Pail)
Stefan Ritz war im Tourismus, kam aber über den Zivildienst in den Pflege-Bereich.

Ein junger Steirer gibt Hoffnung
Und dann sitzt Stefan Ritz vor einem. Und er erzählt mit ruhiger Stimme und einem Lächeln im Gesicht von seinen bisherigen Erfahrungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Davon, wie viel Freude und Dankbarkeit er von Patienten zurückbekommt. Vom guten Teamgeist in den Stationen. Und davon, dass er nach den Praktika nicht an seinem Weg zweifelt. Stefan Ritz macht Hoffnung.

(Bild: Sepp Pail)

Der Südsteirer studiert im dritten Semester Gesundheits- und Krankenpflege an der Fachhochschule Joanneum. Erst seit 2016 gibt es dieses akademische Angebot. Und schon ist es mittendrin in der aktuellen Debatte. Denn es steht eine Behauptung im Raum, die angesichts der aktuellen Personalsituation wie ein Vorwurf klingt: Die meisten Absolventen würden gar nie mit Patienten arbeiten, sondern Managementaufgaben übernehmen. Büroarbeit also.

Eva Mircic leitete vor 2016 als Direktorin die Krankenpflegeschule in Graz. (Bild: Sepp Pail)
Eva Mircic leitete vor 2016 als Direktorin die Krankenpflegeschule in Graz.

„Fast alle gehen ans Krankenbett“
„Das stimmt nicht“, kontert Eva Mircic. Sie leitet den Studiengang, der bisher etwa 170 Absolventen hervorgebracht hat. Zu wenig für wirklich repräsentative Daten. Aber genug, damit Mircic sagen kann: „Fast alle gehen ans Krankenbett.“

Fakten

  • Welche Ausbildungsreform wurde vor fünf Jahren in Österreich umgesetzt?
    Neben dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege (DGKP) und der Pflegeassistenz (PA) wurde sozusagen eine Zwischenebene einzogen: die Pflegefachassistenz (PFA) mit erweiterten Kompetenzen nach zweijähriger Ausbildung.
  • Warum ist nun teilweise von einer verkorksten Reform die Rede?
    Weil es für den neuen Bereich Pflegefachassistenz bisher zu wenig Bewerber gibt, und er auch in der Praxis noch nicht wirklich angekommen ist. „Ein Veränderungsprozess dauert. Er müsste aber noch mehr forciert werden“, fordert Expertin Eva Mircic. 
  • Welche Rolle spielt der FH-Bachelor-Studiengang?
    Er löst bis 2024 die DKGP-Ausbildung an den Landes-Gesundheitsschulen ab. Sie wurde um wissenschaftliches Arbeiten erweitert. Gezieltes Simulationstraining ist ein Schwerpunkt - etwa mit Hightech-Puppen. Kameras übertragen die Pflegearbeiten live zu Mitstudierenden. 
  • Warum braucht es mehr FH-Ausbildungsplätze?
    Zwar wurde die FH-Anfängerzahl frühzeitig auf 216 angehoben. Bei den alten Schul-Ausbildung waren es aber 400 bis 600 im Jahr. Daher hat das Land dort 2022 und 2023 noch zwei Jahrgänge eingeschoben. 2024 startet ein neuer FH-Standort in Kapfenberg mit über 70 Plätzen.

Es ist ein anstrengendes und herausforderndes Studium, betont Mircic. Dennoch steigen nur etwa zehn Prozent der Studenten aus, die meisten schon zu Beginn der Ausbildung. Die Hälfte der sechs Semester sind die Pflegekräfte von morgen in der Praxis, die andere Hälfte lernen sie an den beiden Studiengangs-Standorten: am LKH-Gelände in Graz sowie in einem Neubau in Eggenberg, etwas versteckt hinter einem Baumarkt.

Eigener Campus in Graz notwendig
„Wir brauchen einen weiteren Ausbau hin zu einem Campus“, betont Mircic. Denn für 2024 ist das Ende der „alten“ Diplomausbildungen an den Landes-Gesundheitsschulen besiegelt, die derzeit noch parallel laufen. Ab 2024 muss es also noch mehr Studienanfänger pro Jahr als derzeit (216) geben - junge Fachkräfte, auf die Spitäler, Heime und mobile Pflegedienste schon jetzt sehnsüchtig warten.

Stefan Ritz wird 2023 sein Studium beenden. Seinen Wunscharbeitsplatz hat er im jüngsten Praktikum bereits gefunden: das LKH Feldbach. Aber auch im dortigen Team musste er Aufklärung übers Studium leisten: „Einige glaubten, das ist nur wissenschaftlich. Dabei lernen wir, Leute zu pflegen und zu waschen oder ein Bett zu machen.“ Zwischen den Zeilen ist zu hören: Wir lernen fürs echte Leben.

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