Sich in ein Taxi setzen und einfach mit den Fahrern drauflosreden - das machte „Krone“-Redakteur Robert Fröwein für sein Buch „Ein Leben voller Abzweigungen“ und jetzt in weiterer Folge auch für die „Krone“.
Prekäre Arbeitsverhältnisse, Stress mit den Gästen, wenig Freizeit und undurchsichtige Verträge. Das Taxi- und Mietwagengewerbe ist in vielerlei Hinsicht umstritten und stets Gegenstand von Diskussionen. Mein Ansatz sollte aber ein anderer sein. Im Buch „Ein Leben voller Abzweigungen“ (Leykam Verlag) geht es um das Schicksal, das Wirken und das Leben des Menschen hinter dem Lenkrad.
Unbeantwortete Fragen
Woher kommt er? Was hat er erlebt? Wie verläuft seine tägliche Realität, und an welchen Erlebnissen möchte er die Menschen gerne teilhaben lassen? Welche Geschichte steckt hinter einer 4,6-Sterne-Durchschnittsbewertung in der Uber-App? All diese Fragen bleiben meist unbeantwortet, weil sie nie gestellt werden. „Die Leute sind nett, aber sie hängen die meiste Zeit am Smartphone“, erzählt mir Walid, als er mich zu einem Termin Richtung Happel-Stadion bringt, „ich würde mich eigentlich gerne öfter unterhalten.“
Für Walid ist der Job Fluch und Segen zugleich. Einerseits ernährt er damit seine Familie und bezahlt die Miete, andererseits reicht der unregelmäßige und meist geringe Verdienst nicht aus, um ruhig zu schlafen und sich sorgenfrei durch die Arbeitswoche zu bewegen. Sein Dienstplan kommt eine Woche im Voraus. Dienstag und Mittwoch Tagschicht, am Wochenende nachts - dazu kann immer jemand ausfallen, und Walid muss einspringen.
Würde meine Frau nicht arbeiten, könnten wir uns mit unseren zwei Kindern die 67-Quadratmeter-Wohnung in der Donaustadt nicht leisten.
Taxilenker Walid
Nicht friktionsfrei
Abseits der Lockdowns bleiben ihm bei seinen Schichten rund 500 Euro in der eigenen Tasche. „Würde meine Frau nicht arbeiten, könnten wir uns mit unseren zwei Kindern die 67-Quadratmeter-Wohnung in der Donaustadt nicht leisten.“ Walid flüchtete vor 20 Jahren aus Afghanistan. Die Gräuel des Krieges hat er nicht vergessen, will aus Selbstschutz aber nicht mehr darüber reden. Das Verhältnis zu seiner „neuen“ Heimat Wien ist nicht friktionsfrei. „Ich bin überall der Ausländer, das ist mir bewusst.“ Hinter dem holprigen Deutsch und der 4,6-Sterne-Bewertung steckt ein Mensch aus Fleisch und Blut. Diesen Menschen werden wir zuhören und Raum geben.
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