Die Holzrückung mit Pferd hat sich über Jahrhunderte bewährt. Mittlerweile erlebt diese traditionelle Arbeitsmethode eine Renaissance - das hat nicht zuletzt mit dem Kampf gegen den Klimawandel zu tun. Die „Krone“ war in Vorarlberg bei einem Arbeitseinsatz dabei.
„Baum!“, schallt der Ruf durch den Wald bei Schnifis. Mit lautem Knacken und einem dumpfen Aufprall geht die Fichte zu Boden. Ein Mann in Schutzkleidung und ausgerüstet mit einer Motorsäge macht sich sogleich daran, den Baum zu entasten. Etwas abseits des Geschehens warten Daniel Nigg und sein „Fanti“ auf ihren Einsatz. Es ist ihre Aufgabe, die Holzstämme aus dem Wald und über die Forststraße wegzuschaffen.
Mann und Pferd sind ein eingespieltes Team: Jeder Handgriff sitzt, der Noriker scheint die Ruhe selbst und mit sanften Kommandos dirigiert Daniel Nigg das Pferd zwischen den Baumreihen hindurch - im Schlepptau die gefällte Fichte. Das Geräusch der Schritte von Mensch und Tier wird vom weichen Waldboden fast vollständig verschluckt. Schweigt die Motorsäge, dann sind nur Wind und der Nieselregen zu hören, der auf die letzten verbliebenen Blätter tropft. Mit Hilfe von Pony „Mickey Mouse“, welches von Daniela Nigg geführt wird, werden schließlich auch noch die großen Äste abtransportiert.
Gut für den Wald
Dabei handelt es sich keinesfalls um eine Nostalgie-Aktion: „Diese traditionelle Arbeitsmethode ist eine besonders umweltschonende Art der Holzbringung“, betont Forstwirtschaftsmeister und Waldpädagoge Günter Dünser. Große, schwere Maschinen hinterlassen oft unerwünschte Spuren der Verwüstung, zudem verdichten breite Reifen das Erdreich. Dabei ist ein gesunder Boden mit vielen luft- und wasserführenden Hohlräumen die Basis für die biologische Vielfalt im Wald. „In einem Gramm Waldboden befinden sich tausende Mikroorganismen“, weiß Dünser.
Durch Bodenverdichtung wird der wichtige Stoffkreislauf jedoch erheblich beeinträchtigt - so können sich beispielsweise Pilze und Bakterien nicht mehr entsprechend entwickeln. Da diese auch das Gedeihen der Bäume fördern, ist in weiterer Folge mit langsamerem Wachstum und geringeren Erträgen zu rechnen. „Es kann mehrere Menschenleben dauern, bis sich der Waldboden von so einer Belastung erholt“, verdeutlicht der Forstwirtschaftsmeister. Er betont zudem, dass Wälder weit mehr seien, als reines Wirtschaftskapital: „Sie fungieren als riesige Kohlenstoffspeicher und verringern so die CO2-Emissionen, zudem steuern sie Wasserkreisläufe und vieles mehr.“
Unser Wald ist „gestresst“
Der heimische Wald steht jedoch unter „Stress“ und ist vielerorts nicht so gesund, wie man annehmen möchte - Wetterkapriolen, Umweltverschmutzung und Klimawandel wirken sich zusehends negativ aus. Ein Modell für die Zukunft könnten sogenannte „Plenterwälder“ (siehe Factbox) sein. „Für diese braucht es verschiedene klimafitte Baumarten und die richtige Pflege“, erklärt Dünser. Das sei mit ein Grund, warum die Holzrückung mit einer oder zwei Pferdestärken gerade eine Art Renaissance erlebe.
Die Vorteile liegen für den Fachmann auf der Hand: Schutz des Bodens, keine Umweltbelastung durch Abgase und Lärm sowie Schonung von Jungpflanzen, da ein Pferd sich weit vorsichtiger durch den Wald bewegt und wendiger ist, als große Schlepper oder Traktoren. Ein völliger Verzicht auf moderne Gerätschaften ist heutzutage allerdings kaum denkbar, denn auch die traditionelle Arbeitsmethode hat ihre Grenzen: wenn das Gelände beispielsweise zu steil ist oder die zu transportierende Last all zu schwer. „Dennoch ist mit tierischer Arbeitskraft weit mehr zu bewerkstelligen, als die meisten glauben würden“, sagt Dünser.
Der Plenterwald ist ein vom Menschen bewirtschafteter, naturnaher Wald. Im Gegensatz zum häufig üblichen, gleichförmigen Altersklassenwald, gedeihen im Plenterwald auf kleinem Raum alte und junge Bäume verschiedener Arten nebeneinander. Erreicht wird dies, indem Bäume nur als Einzelstämme entnommen werden, anstatt größere Flächen kahl zu schlagen. Auf diese Weise bleiben eine vielfältige Struktur und das Waldklima erhalten. Dadurch ist der Plenterwald weniger anfällig gegenüber klimatischen Extremen.
Dafür braucht es allerdings einen Fuhrmann mit dem entsprechenden Know-how. Daniel Nigg trainiert seine Pferde selbst. Sie werden nicht nur für die Waldpflege eingesetzt, sondern auch für Kutschenfahrten oder landwirtschaftliche Arbeiten. Für den Landwirt ist die Arbeit mit den Tieren ein Ausgleich zum Alltag. Noriker wie „Fanti“ zählen zu den Kaltblütern und gelten als kräftig, ausdauernd und trittsicher. Ihr in der Regel gutmütiger Charakter macht sie zu beliebten Arbeitspferden.
Sensible Geschöpfe
Doch sie sind im Gegensatz zu Maschinen auch sehr feinfühlig. „Sie spüren, wenn man einen schlechten Tag hat oder nicht bei der Sache ist. Das überträgt sich direkt von Mensch auf Tier“, berichtet Nigg. Achtsamkeit ist daher gefragt - nicht nur weil Holzarbeiten prinzipiell ein gewisses Risiko bergen, sondern auch, damit das Tierwohl gewahrt bleibt. Fuhrmann und Pferd bilden ein Team, das eng zusammenarbeitet. Die Holzrückung mit Pferd hat sich über Jahrhunderte bewährt, nun ist sie vielleicht ein Schritt von vielen, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken.
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