„Impfthema spaltet“

Lockdown: Warum so viele so wütend sind

Österreich
24.11.2021 06:00

Die Pandemie dauert schon zu lang. Ständig Sorge, das Gefühl, sein Leben nicht unter Kontrolle zu haben, zusätzliche Hetzer, Anheizer. Die Wut ist verständlich. Aber es braucht Gemeinschaft statt Spaltung!

„Die Pandemie ist eine emotionale Ausnahmesituation“, sagt Social-Media-Expertin Ingrid Brodning, „für jeden von uns.“ In Zeiten, in denen Unsicherheit herrscht, Menschen sich um Jobs, Gesundheit, Angehörige sorgen müssen, überlastet, mit ständig wechselnden Maßnahmen konfrontiert sind, schnellen Emotionen hoch. Menschen sind auf der Suche: nach einfachen Lösungen zu komplexen Themen, die ihr Leben so arg verändert haben, nach „dem“ Schuldigen, nach Halt.

Und sie verirren sich oft dabei: in Verschwörungserzählungen etwa. Diese bieten „ein Stück Orientierung“, sagt Verena Fabris von der Beratungsstelle Extremismus, „und Entlastung“. Sie böten simple Erklärungen, teils verankert in antisemitischen und rechtsextremen Verschwörungserzählungen.

Bei der Großdemo am Wochenende in Wien gab es auch rechtsextreme Botschaften. (Bild: APA/Florian Wieser)
Bei der Großdemo am Wochenende in Wien gab es auch rechtsextreme Botschaften.

Gefährlich wird es, wenn Betroffene abgleiten, Argumenten gegenüber nicht mehr zugänglich sind. So „spaltet das Impfthema Familien enorm“, sagt Fabris. Das geht so weit, dass Kindern der Kontakt zu anderen verboten werde, weil diese geimpft sein könnten. Und Angehörige nicht mehr zueinander durchdringen.

Ein Viertel der Anfragen bei der Beratungsstelle haben bereits Covid zum Thema. Auswertungen zufolge sind Betroffene häufig generell Verschwörungstheorien, Esoterik und Co. gegenüber aufgeschlossen, oft spielen Arbeitslosigkeit, Suchtthemen, Depressionen mit.

Von demokratiepolitischer Verantwortungslosigkeit
So verirren sich Menschen nicht nur in Fantasiewelten, sondern im realen Leben auf Demonstrationen, wo sie neben Nazis und Co. hermarschieren, ohne die Tragweite zu erkennen, bis sie etwa mit beruflichen Konsequenzen zu rechnen haben. Oft gehen sie dabei politischen Anheizern auf den Leim, die die Lage für den eigenen Wahlerfolg nutzen. Letztere nennt Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack „demokratiepolitisch verantwortungslos“. Die Vereinnahmung von Impfgegnern durch die FPÖ erfolge bewusst: leicht gewonnene Prozentpunkte, sagt auch Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.

Dass Krisenzeiten Menschen spalten, ist im Grunde nichts Neues. Nur: Je länger sie dauern, desto schwieriger wird es. Da legen schon immer da gewesene Spaltungsthemen zusätzlich zu neuen an Gewicht zu. „Was uns früher an anderen Meinungen kaum berührt hat, betrifft uns jetzt persönlich“, so Prainsack. Etwa der Sitznachbar in den Öffis, der keine Maske trägt - und einem dann zu dicht aufrückt. Oder die Regierung, die dem überzeugten Nicht-Impfer eine Spritze „aufdrängen“ will.

Dialog, Gerechtigkeit und der letzte Anker
Was also tun? Gerechtigkeit ist „das Fundament sozialen Zusammenhalts“, weiß Prainsack, die Politik müsse sich der sozialen und ökonomischen Ungleichheiten, die sich in der Krise noch vergrößert haben, annehmen.

Und im Kleinen, der Einzelne? Unbedingt versuchen, miteinander in Kontakt zu bleiben, Verständnis und Respekt zu zeigen, auch wenn man sich in der Sache nicht eins ist, rät Fabris: „Oft sind Angehörige für Betroffene der letzte Anker zu einer anderen Welt.“

So lasst uns füreinander ein Anker sein.

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