Ansturm auf Grenze
Belarus-Krise: „EU muss offene Flanke schließen!“
An der Grenze zwischen Polen und Belarus herrscht seit Monaten Ausnahmezustand. Die Europäische Union hatte aufgrund von Menschenrechtsverletzungen Sanktionen gegen den belarusischen Diktator Alexander Lukaschenko ausgesprochen. Um sich zu rächen, erpresst Lukaschenko die EU nun, indem er gezielt Migranten an die Grenzen zur EU schleust. Die nationale Fluggesellschaft Belavia fliegt diese aus dem Nahen Osten in die belarusische Hauptstadt Minsk, von dort aus werden sie weitergeschickt und stecken letztlich im Niemandsland fest - denn die Grenzen sind dicht. Jetzt im Winter spitzt sich die humanitäre Lage zu. Zu dem Thema war Ewa Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen, bei Damita Pressl im krone.tv-Studio.
„Die Verzweiflung ist groß“, berichtet Ernst-Dziedzic, die kürzlich vor Ort in Polen war. Sie beschreibt ein „Niemandsland im Sumpfgebiet in den Wäldern“, wo inzwischen ein paar Tausend Menschen ohne Grundversorgung ausharren. „Polen und Europa haben sehr lange weggeschaut“, kritisiert Ernst-Dziedzic; die Lage habe sich seit dem Sommer abgezeichnet. „Diese Menschen wurden belogen und instrumentalisiert, jetzt sitzen sie fest.“
Die längste Zeit habe Polen jegliche Unterstützung abgelehnt: von Europol, Frontex oder der Europäischen Asylagentur. Das Land habe es alleine schaffen wollen. Inzwischen haben weder Journalisten noch NGOs Zugang zur Grenzzone. Das kritisiert Ernst-Dziedzic stark: „Wenn wir nicht wissen, was dort passiert, können wir keine Lösungsvorschläge machen. Man muss die Blackbox aufmachen.“
„Erpressbar, dass es uns rüttelt und schüttelt"
Nun nutzt Polen illegale Pushbacks. Aber: „Menschen zurück in den Wald zu werfen löst keine Probleme“, so Ernst-Dziedzic. Man müsse die Menschen registrieren, versorgen und deren Anspruch auf Asyl prüfen: „Die meisten Mitgliedsstaaten sprechen sich für eine Ausweitung des Grenzschutzes aus. Die Frage ist nur, wie wir das umsetzen, ohne Menschenrechte mit Füßen zu treten. Wenn wir diese Menschen nicht einmal registrieren und deren Anspruch auf Asyl prüfen können, dann beweisen wir, dass wir mit ein paar Tausend Menschen so erpressbar sind, dass es uns rüttelt und schüttelt“, so die Politikerin.
„Wir müssen endlich diese offene Flanke schließen. Unsere Achillesferse in Europa ist die Uneinigkeit. Wir haben keine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Vorschläge liegen am Tisch, aber die Länder können sich nicht einigen. Wenn wir wüssten, wie wir an den Außengrenzen tun, damit Menschlichkeit mit Ordnung einhergeht, hätte ein Erdogan oder ein Lukaschenko gar nicht die Gelegenheit, uns mit so etwas zu erpressen“, erläutert Ernst-Dziedzic.
Polen, so Ernst-Dziedzic, käme die Situation ganz recht, denn so sei die Debatte um Rechtsstaatlichkeit im Land in den Hintergrund gerückt: „Auf einmal sind alle solidarisch. Das kommt ihnen nur gelegen.“ Belarus selbst erhofft sich durch das Manöver Legitimierung: „Sobald Europa anfängt, mit Lukaschenko zu verhandeln, erkennen wir ihn indirekt als Präsidenten an. Er erhofft sich durch diese Erpressung, dass Europa erkennt, dass es nicht ohne ihn geht.“
Davor warnt Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die Anfang der Woche bei der Belarus-Konferenz in Wien war. Lukaschenko wolle davon ablenken, dass er nach wie vor Oppositionelle foltere und ins Gefängnis schicke, so Ernst-Dziedzic. Die internationale Gemeinschaft müsse nun entscheiden, wie sie mit ihm umgehen will.
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