Oxford-Professor:

Menschen sind gescheiter als Roboter – meistens!

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24.11.2021 09:40

Der Mensch wird nicht durch künstliche Intelligenz und Robotik überflüssig - weder gesellschaftlich, noch in der Wirtschaft. Das sagt der aus Österreich stammende Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger anlässlich des Erscheinens des Buches „Framers“, das er mitgeschrieben hat. Über Framing besitze der Mensch die einzigartige Fähigkeit, die Zukunft umzugestalten. In der Coronakrise habe das aber genausowenig immer funktioniert, wie etwa in der deutschen Autoindustrie.

„Wir haben in den vergangenen Tagen gesehen, wie wichtig es ist, richtige Entscheidungen zu treffen“, sagte Mayer-Schönberger in Oxford im Telefon-Interview mit der APA mit Blick auf die Politik und den neuesten Lockdown. „Wir haben auch gesehen, dass es schwierig wird, wenn man sich versteift hat.“ Versteift seien Teile der Bundesregierung darauf gewesen, dass die „Pandemie für Geimpfte vorbei“ sei.

Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger (Bild: APA/BARBARA GINDL)
Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger

Das hatte der frühere Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz seiner Fraktion so vorgegeben. Sei man aber versteift, eröffneten sich weniger potenzielle Lösungen, als wenn man offen sei, so der Wissenschaftler. Man werde zwischen weniger Optionen eingeschränkt. Das Buch soll zeigen, wie Menschen im Zeitalter der Algorithmen bessere Entscheidungen fällen können und wie Framing - also das Anwenden mentaler Modelle - das menschliche Überleben im Zeitalter der Maschinen und Unruhe sichert.

In Frames gefangen
Wieso kann man in Frames - also in der Anwendung bestimmter mentaler Modelle - gefangen sein? „Wenn man einmal einen Hammer hat, sieht man viele Nägel, die man einschlagen kann“, antwortet der Wissenschaftler. „Wir Menschen sind faul. Schnell wird zu bekannten Lösungen gegriffen, ohne zu überlegen, ob das zu eng ist. Dabei hätten wir die Möglichkeiten im Kopf.“

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Es geht um zielgerichtetes Träumen.

Viktor Mayer-Schönberger

Österreichisches Beispiel für ein neues Framing, sei die Besteigung des Mount Everest durch Reinhold Messner und Peter Habeler. „Alle sagten, das geht nicht ohne Sauerstoff“, so der Professor. Daraufhin hätten die beiden Abenteurer das bisherige Frame geändert: Nicht mit großer Expedition langsam aufsteigen, denn dann wird der Sauerstoffmangel tödlich - sondern in der kleinen Gruppe rasch rauf und runter. Das gelang. „Es geht um zielgerichtetes Träumen“, sagt der Experte.

Menschen können bessere Entscheidungen treffen
„Wir Menschen hätten die Möglichkeit, viel bessere Entscheidungen zu treffen“, so Mayer-Schönberger. Als Beispiel aus der Welt der Unternehmen nennt er den US-Elektrobauer Tesla im Lichte des weltweiten Mangels an Computerchips. Unternehmenschef Elon Musk hätte diesen - wie beispielsweise auch die deutsche Autoindustrie - kommen sehen. Der Amerikaner habe beschlossen, die Autos seiner Firma so umzubauen, dass sie mit anderen Chips funktionierten, die leichter verfügbar seien. Dazu seien eigentlich nur Software-Änderungen nötig gewesen. Die deutschen Autobauer hingegen hätten sich an die Politik gewandt, forderten mehr europäische, souveräne Halbleiter-Fertiger. Folge: „Tesla kann derzeit seine E-Autos fertigen, BMW beispielsweise nicht im gewünschten Ausmaß.“

Beim Vorgehen in der Pandemie gebe es gewisse Parallelen. Als geschaut worden sei, wo die Zahlen am höchsten seien, habe sich gezeigt, dass die Schulen große Infektionsherde seien. „Gekommen ist eine FFP2-Maskenpflicht im Handel“, so Mayer-Schönberger. Es habe den Verantwortlichen im Sommer auch bewusst sein müssen, dass ab Herbst neue Wellen drohen. Im Sommer sei aber nicht viel gemacht worden, um das zu Verhindern. Jetzt herrscht ein Lockdown, der vom Gros der Bundesregierung fast bis zuletzt ausgeschlossen worden war.

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Wenn man sich eine Wirklichkeit vorstellt, die es noch nicht gibt, dann kommen die neuen Entscheidungsmöglichkeiten.

Viktor Mayer-Schönberger

„Wenn wir den richtigen Frame haben, dann haben wir mehr und bessere Entscheidungsmöglichkeiten“, schließt Mayer-Schönberger. „Unser Kopf ist so gut, man kann sich immer unterschiedliche Möglichkeiten vorstellen, in der die Zukunft anders ist als die Gegenwart: Wenn man sich eine Wirklichkeit vorstellt, die es noch nicht gibt, dann kommen die neuen Entscheidungsmöglichkeiten.“ Beispiel wieder aus der Welt der E-Autos: „Wenn ich es schaffe, hocheffiziente E-Motoren zu bauen, kann es eine Zukunft mit lauter Elektroautos geben, deren Maschinen eine Effizienz von 90 Prozent aufweisen, anstatt wie bei Verbrennern höchstens 30 Prozent.“

Framing mit der Vorstellung einer anderen Wirklichkeit und welche Entscheidungsmöglichkeiten man daraus generieren kann „wird vom Mensch aber zu wenig eingesetzt“, bedauert Mayer-Schönberger. „Dabei lernt man das schon als Kind beim Verkäufer- oder Doktor-spielen - oder tut es auch beim Lesen eines Romans.“

Wie man an Daten herangeht
„Das Problem ist, dass wir glauben, wir brauchen immer mehr Daten“, so der Universitätsprofessor. „Daten sind gut, aber alleine helfen sie nicht bei Entscheidungen.“ Es gehe um das Frame, um die Daten einzuordnen - also etwas zutiefst menschliches. Mögliches Problem: Man glaubt das Richtige zu tun, wenn es tatsächlich ein Fehler ist. Trotzdem: „Es geht darum, an Daten mit dem richtigen Vorstellungsmodell heranzugehen.“

Beispiel aus dem Vorgehen gegen die Corona-Pandemie: Nach dem Lockdown hätten alle in etwa die gleichen Daten gehabt. In Neuseeland sei die Entscheidung zur vollen Abschottung gefallen, weil es von einer SARS-Epidemie bereits Erfahrungen gab. „Zwei Monate später war der Virus weg.“ In UK habe man sich aber gesagt, man könne das Virus nicht eliminieren. „Folge waren die höchsten Infektionszahlen ganz Europas.“ Für Mayer-Schönberger war das ursprüngliche britische Modell der Gleichsetzung von COVID-19 mit einer saisonalen Grippe ein „Framing-Desaster“.

Auf Unternehmen bezogen helfen laut dem „Ox“-Professor Teams mit unterschiedlichen Menschen. Diese sollten voneinander unabhängig Ideen überlegen und sie dann einbringen. Diese Ideen sollten hernach gemeinsam beraten werden.Auch ganze Gesellschaften würden profitieren, wenn es viele unterschiedliche Frames gebe. Selbiges gelte für jeden Einzelnen. Funktioniere ein Frame nicht mehr, könne zu einem anderen gegriffen werden, um so gut wie möglich mit einer neuen Situation umzugehen.

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