Wer hatte Schuld?

Streit nach Tod von Migranten im Ärmelkanal

Ausland
25.11.2021 08:55

Nach dem Tod von mindestens 27 Migranten im Ärmelkanal am Mittwoch geben sich britische und französische Stellen gegenseitig die Schuld an der Katastrophe. Der britische Premierminister Boris Johnson fordert Frankreich zu schärferen Kontrollen auf. Der Vorfall zeige, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichten, um Migranten von der gefährlichen Überfahrt abzuhalten. Hingegen warf die Bürgermeisterin der französischen Küstenstadt Calais, Natacha Bouchart, Johnson Feigheit vor: Der Premier übernehme keine Verantwortung. 

27 Migranten waren am Mittwoch bei der Überquerung des Ärmelkanals nach Großbritannien ums Leben gekommen, darunter fünf Frauen und ein Mädchen. Zunächst hatten die französischen Behörden von 31 Toten berichtet, später korrigierte das französische Innenministerium die Zahl der Todesopfer auf 27. Dennoch sei dies laut einer Ministeriumssprecherin in Paris nur eine vorläufige Bilanz. Wie viele Menschen insgesamt mit dem havarierten Boot im Ärmelkanal unterwegs waren, lasse sich abschließend noch nichts sagen, so die Sprecherin am Donnerstagmorgen. 

Neben dem Einsatz um das gekenterte Boot hätten Helfer sich im Laufe des Mittwochs um zahlreiche weitere Migranten gekümmert, die mit kleinen Booten ebenfalls in Seenot geraten waren. Mehr als 100 Gerettete seien in die französischen Häfen Boulogne-sur-Mer, Dunkerque und Calais gebracht worden. Vier mutmaßliche Schlepper wurden festgenommen.

(Bild: AFP/Francois Lo Presti)

Schlauchboot ähnelte aufblasbarem Swimmingpool
Nach französischen Angaben war es der bisher schlimmste Vorfall mit Migranten in der Meeresenge. Innenminister Gérald Darmanin sagte, das gebrechliche Schlauchboot ähnelte eher einem aufblasbaren Swimmingpool für den Garten. „Dies zeigt, dass die Banden, die Menschen in diesen gefährlichen Gefährten aufs Meer schicken, sich von nichts stoppen lassen“, sagte Premier Johnson.

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Die Antwort muss auch aus Großbritannien kommen, wir müssen gemeinsam gegen Schlepper kämpfen.

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin

Bei Kontrollen unterstützen
Er bot an, die französischen Beamten bei den Kontrollen am Kanal zu unterstützen. In Nordfrankreich warten etliche Migranten unter widrigen Umständen auf eine Überfahrt nach Großbritannien. Wenn den Schleusern nicht deutlich gemacht werde, dass ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniere, würden sie weiterhin die Leben von Menschen aufs Spiel setzen und „mit Mord davonkommen“, betont Johnson. 

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Wenn wir nicht sofort unsere Anstrengungen verstärken, werden sich weitere Tragödien wiederholen.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron

Politik für Tragödie verantwortlich
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron verwies auf die gemeinsamen Anstrengungen mit Großbritannien, seit Jahresbeginn seien an der französischen Küste bereits 1552 Schlepper festgenommen und 44 Schleppernetzwerke zerschlagen worden. Kritik schlug Johnson aber auch im eigenen Land entgegen. Die menschenfeindliche Politik seiner konservativen Regierung sei für die Tragödie verantwortlich, betonten mehrere Politiker der oppositionellen Labour-Partei am Mittwochabend. Anstelle scharfer Asylgesetze müsse die Regierung humane und sichere Wege nach Großbritannien bieten.

Migration über Ärmelkanal stoppen
Vor allem die britische Innenministerin Priti Patel steht wegen der wachsenden Zahl an Migranten unter Druck: Patel hatte angekündigt, die Überfahrten zu beenden. Nach dem Brexit führte die Regierung scharfe Zuwanderungsregeln ein. Noch aber hat Patel kein Mittel gefunden, die Migration über den Ärmelkanal zu stoppen. Zuletzt kündigte sie erneut eine Verschärfung der Asylregeln an. Die Zahl der Flüchtlinge, die in Großbritannien Asyl beantragen, sei jedoch deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern.

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