Gabriele Aichers öffentliche Kritik an der WKStA schlug hohe Wellen. Nun stellte sich heraus, dass sie von einer Kanzlei beraten wurde, die ÖVP-Beschuldigte vertritt. Alma Zadic bittet zum Rapport und lässt die Vorwürfe untersuchen. Die Opposition ortet politische Vereinnahmung durch Türkis.
Es war ein großer Aufreger. Die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher kritisierte Ende Oktober in einem öffentlichen Schreiben mit scharfen Worten die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die ÖVP fühlte sich durch die Stellungnahme der hochrangigen Juristin und obersten Aufseherin über die Staatsanwaltschaften in ihrer eigenen Kritik an den Korruptionsermittlern bestätigt. Nun steht Aicher selbst im Fokus schwerer Kritik. Wie der „Spiegel“ und der „Standard“ herausfanden, sei Aicher bei ihrem Vorstoß von einer Anwaltskanzlei beraten worden, die beschuldigte ÖVP-Politiker vertritt, gegen die die WKStA ermittelt.
Dies wirft Fragen auf. Die will Justizministerin Alma Zadic (Grüne) beantwortet wissen und hat Gabriele Aicher vorgeladen. „Die Unabhängigkeit der Justiz muss zu jedem Zeitpunkt gewahrt und auch nach außen hin sichtbar sein“, betonte Zadic in einer schriftlichen Stellungnahme. „Deshalb habe ich unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine umfassende Prüfung angeordnet und die Rechtsschutzbeauftragte zu einem Gespräch ins Ministerium geladen.“
Aicher, die in ihrer Funktion für die Kontrolle bestimmter sensibler Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaften zuständig ist, sah in den Ermittlungen zur „Inseratenkorruptions-Affäre“ um die ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz „eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten“. Sie ortete aber auch Fehlverhalten der WKStA in anderen Fällen.
Aus Metadaten soll sich herausgestellt haben, dass die Kanzlei der bekannten Strafverteidiger Manfred und Klaus Ainedter als Erstellerin des Aicher-Schreibens hervorgehe. Die Kanzlei vertritt u.a. den einstigen Medienbeauftragten im Kanzleramt Kurz - Gerald Fleischmann. Er ist einer von zehn Beschuldigten in der Korruptionsaffäre. Außerdem ist Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), gegen den die WKStA in der Causa Casinos/Postenschacher ermittelt, Klient der Promianwälte. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Gabriele Aicher bestätigte die „anwaltliche Beratung“, die schon im vergangenen Jahr „auf eigene Kosten“ in Auftrag gegangen sei. Grund: Sie habe befürchtet, dass mögliche Äußerungen gegen die WKStA mit Anzeigen und unrichtiger medialer Berichterstattung einhergehen könnten.
Ainedter weist „Komplizenschaft“ zurück
Manfred Ainedter wies in einer Stellungnahme gegenüber krone.at den Vorwurf einer „Komplizenschaft“ umgehend zurück. Ein solcher Verdacht sei „auf das Schärfste“ zurückzuweisen. Die Kanzlei Ainedter habe nie in irgendeiner Form an der verfassten Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen mitgewirkt und auch keinerlei Kenntnis davon gehabt. Dennoch habe jeder das Recht, sich anwaltlich vertreten zu lassen, unabhängig von seiner Position oder Funktion.
Opposition fordert Konsequenzen
Naturgemäß ruft diese weitere eigenartige Episode in der Geschichte „Justiz und politische Einflussnahme“ die Opposition auf den Plan. Christian Hafenecker, Fraktionsvorsitzender der FPÖ (war er im Ibiza-Ausschuss und wird es auch im kommenden ÖVP-Ausschuss sein), forderte die umgehende Abberufung der Rechtsschutzbeauftragten durch Zadic. Gerade als Rechtsschutzbeauftragte habe diese eine besondere Sorgfaltspflicht und jeden Verdacht auf Befangenheit zu vermeiden.
„Wenn Aicher als Ratgeber aber genau jene Rechtsanwaltskanzlei konsultiert, die mitten im betroffenen Verfahren steht, hat sie alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Mit einem Funken Anstand verzichtet sie am Montag freiwillig auf ihre Tätigkeit, um der unabhängigen Justiz nicht noch mehr Schaden zuzufügen.“
Auch Stephanie Krisper, Fraktionsführerin der NEOS, fordert rasche Aufklärung der Vorwürfe, diese seien „schwerwiegend“. Eine derart wichtige Funktion des Rechtsstaates dürfe nicht einmal den Eindruck der Parteilichkeit haben, so Krisper. „Die Justizministerin würde jetzt gut daran tun, nicht nur Aufklärung anzukündigen, sondern auch zu zeigen, dass sie es für unseren Rechtsstaat auch tut - unabhängig davon, dass es, wieder einmal, den Koalitionspartner ÖVP betrifft.“
Wir brauchen eine unabhängige Rechtsschutzbeauftragte, nicht Teile des türkisen Netzwerks.
Kai-Jan Krainer
SPÖ schießt Richtung ÖVP
Kai-Jan Krainer von der SPÖ wird gewohnt offensiv mit entsprechender Rhetorik: „Die Vehemenz und Unverschämtheit, mit der die ÖVP gegen die Ermittlungen der WKStA zum türkisen System vorgeht“, sei ein Beleg dafür, wie wichtig die Einsetzung eines parlamentarischen U-Ausschusses zur politischen Verantwortlichkeit möglicher Korruption in Reihen der ÖVP sei. Zuerst sei ein Rechtsgutachten „gekauft“ worden, um Ex-Kanzler Kurz in der Öffentlichkeit „reinzuwaschen“. Nun werde bekannt, dass die Rechtsschutzbeauftragte „wie ein Teil der türkisen Familie“ agiere. „Wir brauchen eine unabhängige Rechtsschutzbeauftragte, nicht Teile des türkisen Netzwerks.“
Mahnende wie klare Worte gab es auch von anderer Seite. Vertreterinnen und Vertreter des Rechtsstaats- & Antikorruptionsvolksbegehrens forderten per Aussendung ebenfalls Aichers Rückzug. „Anwälte von Beschuldigten an Texten mitarbeiten zu lassen, die sich gegen die in dieser Sache ermittelnde Behörde richten, ist unvereinbar mit der Funktion einer unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten der Republik“, sagt etwa Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs.
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