Der nummehr ehemalige Vizekanzler hat seinen politischen Aufstieg gezielt vorangetrieben. Schon als Europas jüngster Landwirtschaftsminister inszenierte er sich gerne, gab Feiern mit Prominenz und übte sich in seiner wohl größten Stärke, dem legeren Umgang mit Wähler- und Journalistenvolk. Als hintereinander Wolfgang Schüssel und Wilhelm Molterer scheiterten, war längst nur noch der Neffe des niederösterreichischen Landeshauptmanns als logische Chefhoffnung in der ÖVP übrig geblieben.
Dabei galt Pröll noch zu Jugendzeiten als eher gemütlicher Zeitgenosse, dem ehemalige Weggefährten gar keine so großen Ambitionen zugetraut hätten. Er selbst will freilich schon als Kind begeistert den politischen Gesprächen seines Vaters, eines Landwirts, mit Onkel Erwin gefolgt sein.
Vom Bauernbund in die Regierung
Politisch sozialisiert wurde der Agrarökonom, der schon während seines Studiums erstmals Vater wurde, wenig überraschend im Bauernbund. Der gebürtige Stockerauer (14.9.1968) heuerte bei der EU-Abgeordneten Agnes Schierhuber an, war dann Kabinettschef des damaligen Landwirtschaftsministers Molterer und Direktor des Bauernbunds. Von dort aus ging es ab ins Kabinett Schwarz-Blau II. Kanzler Schüssel galt dabei weniger als Mentor Prölls denn dessen Landeshauptmannonkel Erwin. Der neue Landwirtschaftsminister führte sein Ressort ohne gröbere Probleme, einzig mit den Umweltorganisationen hatte Pröll immer wieder seine Zores. Gern wäre Pröll bei der verkorksten Wiederauflage von Rot-Schwarz mehr geworden, etwa Wirtschaftsminister. Es sollte nicht sein, fürs erste musste sich die Zukunftshoffnung neuerlich mit dem Landwirtschafts- und Umweltressort zufriedengeben.
Erst als Molterer die "Es reicht!"-Neuwahl an die Wand fuhr, schlug im Herbst 2008 Prölls Stunde. Als Leiter der Perspektivengruppe zur Reform der ÖVP hatte er sich in den Monaten davor eine Basis geschaffen, die groß genug war, um auf einem Parteitag mit knapp 90 Prozent zum Parteichef gewählt zu werden - und das in einer Zeit, wo er sich mit seinem Pro-Regierungskurs einer gehörigen Portion Skepsis der oppositionslustigen Basis ausgesetzt sah.
Als Vizekanzler zu Beginn den Kanzler überflügelt
Die ersten Monate im neuen Amt als Multifunktionär - sprich ÖVP-Obmann, Vizekanzler und Finanzminister - liefen für Pröll wie geschmiert. Erfolgreiche Landtagswahlen etwa in Vorarlberg und Niederösterreich, ein Kanzler Werner Faymann, der sich noch schwertat mit dem Umstieg aus der Kommunalpolitik und eine Steuerreform mit Zuckerln wie der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten machten das schwarze Leben sonnig.
Die Welt des Sepp Pröll schien schwer in Ordnung. Von Kommentatoren zum Schattenkanzler hoch stilisiert inszenierte sich der Finanzminister selbst mit einer Art Rede an die Nation, wo er mit dem Transferkonto ein Thema setzte, mit dem er wochenlang die Schlagzeilen mitdominierte. Stimmen aus der ÖVP, wonach man als Vizekanzler in einer Regierung zum Scheitern verurteilt sei, verstummten. Doch die Zeiten ändern sich. Die Wirtschaftskrise inklusive Bankenrettungspaket kratzte Pröll weniger an als das Comeback des Kanzlers. Mit dessen sozialen Gerechtigkeitskampagne geriet Pröll in die Defensive. Der Finanzminister stand plötzlich nur noch als Verkünder düsterer Sparpakete da, der Kanzler ging bei allem in Deckung, was irgendwie unangenehm klang. Hinzu kam ein schlechtes Wahljahr 2010 - die Steiermark wurde nicht zurückerobert, in Wien ging es so tief wie nie und auch das Burgenland lieferte keinen rauschenden Erfolg.
Erschwerend für Pröll: er hatte parteiintern einen mächtigen Zweifler dazubekommen. Onkel Erwin war sauer, dass der Neffe seine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl unterlaufen hatte. Seither gilt das Verhältnis als gespannt. Und auch inhaltlich hatte der einst liberale Reformer Pröll seine Nöte, die Partei etwa im Bildungsbereich in modernere Zeiten zu holen. Das Bild in der Öffentlichkeit blieb: wenn was geht, dann geht es nur mit, aber nie gegen die schwarze Lehrergewerkschaft.
Kein Glück mit der Personalauswahl
Schwer tat sich Pröll auch mit der Personalauswahl. Sowohl sein Generalsekretär Fritz Kaltenegger als auch Klubobmann Karlheinz Kopf gelten in der Partei mittlerweile als Schwachstellen. Nicht gerade bewährt hat es sich auch, mit BAWAG-Richterin Claudia Bandion-Ortner eine politische Quereinsteigerin ins Justizressort zu holen. Und schließlich war die EU-Spitzenkandidatur Ernst Strassers, der mit seinem jüngsten Lobbyisten-Skandal die ÖVP so richtig in die Krise gestürzt hat, einsam auf Prölls Mist gewachsen.
Was neben dem gesundheitlichen Aspekt - immerhin hatte der scheidende VP-Chef schon früher mit einer Thrombose zu kämpfen - Prölls Lust auf eine weitere Polit-Karriere gedämpft haben dürfte, ist eben der aktuelle Zustand der Partei. In den Umfragen war man zuletzt nach dem Strasser-Skandal fast überall auf Platz drei hinter die Freiheitlichen abgerutscht, ein Neustart, auch personell, schien notwendig, und solch ein zeitintensives Unterfangen wäre für einen angeschlagenen Obmann sicher nicht die beste Medizin.
Karriere-Steckbrief Josef Pröll
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