Nun ist es auch offiziell: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat das endgültige Aus für den Lobautunnel verkündet. Nach monatelangen Evaluierungen aller geplanten Neubauprojekte, die auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft worden sind, liegt nun das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von Ministerium, Experten der Asfinag und dem Umweltbundesamt vor. Die wichtigste Schlussfolgerung: Die Lobau-Autobahn mit ihrem Tunnel durch ein Naturschutzgebiet wird nicht weiterverfolgt. Die Bundesregierung habe Klimaziele definiert. Papier sei aber geduldig. „Zukunft heißt, Entscheidungen zu treffen“, betonte Gewessler bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.
„Wir bauen eben für die Zukunft“, gab die Ministerin die Marschrichtung vor. Die heutigen Entscheidungen sollen auch noch in den nächsten Jahrzehnten gut sein. Gewessler betonte, dass alle Experten sagen: „Mehr Straßen bedeutet mehr Autos, mehr Straßen führen zu mehr Verkehr.“
Neben dem Lobautunnel-Aus werden auch noch folgende Adaptierungen erfolgen: Für den Nordabschnitt der S1 werden Alternativen geprüft, um den geänderten Anforderungen im Zusammenhang mit den Gerichtsentscheidungen zu S8 Folge zu tragen. Die S34 im niederösterreichischen Traisental wird nicht in der geplanten Form umgesetzt - gemeinsam mit dem Land Niederösterreich sollen bessere Alternativen erarbeitet werden, die die Bevölkerung vom Stau entlasten und wertvolle landwirtschaftliche Flächen erhalten.
Die Analyse zahlreicher Bauvorhaben habe ergeben, dass in der Vergangenheit viele neue Straßen nicht mit Blick auf die Zukunft geplant worden seien. Oftmals seien Entscheidungen auf Basis eines angenommenen steigenden Verkehrsaufkommens getroffen und dabei wichtige Zukunftsfragen wie Klimaschutz und Eindämmung des Bodenverbrauchs außer Acht gelassen worden. „Moderne und gute Verkehrsplanung soll aber unser Land verbessern und den Menschen mehr Lebensqualität bringen anstatt einfach Bestehendes fortzuschreiben“, betonte Gewessler in der Begründung des Evaluierungsberichts.
„Falsche Entscheidungen verbauen Zukunft unserer Kinder“
In Zukunft werde sich das Bauprogramm der Asfinag an den verkehrlichen, aber auch an den Klimazielen, den Bodenverbrauchszielen und den Zielen einer klimafreundlicheren Mobilität orientieren. „Wir wollen Infrastruktur bauen, die unser Klima schützt, wertvolle Böden erhält und zu besserer Lebensqualität führt. Was wir jetzt bauen, soll uns dabei helfen die Klimaneutralität 2040 zu erreichen und unsere wertvollsten Böden zu schützen. (...) Wenn wir heute falsche Entscheidungen treffen, werden nicht nur Milliarden an Steuergeld vergraben, sondern auch die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder verbaut“, so die Ministerin weiter.
Seit Beginn der Planungen vor rund 30 Jahren hätten sich die Rahmenbedingungen umfassend verändert. Viele der Annahmen und Argumente von damals seien heute nicht mehr zutreffend. Die Grünen-Politikerin erinnerte daran, dass es auch Pläne gegeben habe, in Wien eine Autobahn bis zum Karlsplatz zu führen. Heute, wenn man über den Naschmarkt gehe, sei man froh, dass dies nicht geschehen sei: „Ich bin überzeugt, genau diesen Mut müssen wir heute auch beweisen.“
Droht nun Welle von Klagen?
Während Klimaschutzaktivisten über die Entscheidung des Klimaschutzministeriums jubeln, dürfte bei beteiligten Firmen, die mit den Planungen begonnen und auch Vorleistungen erbracht haben, der Katzenjammer sehr groß sein. Eine Welle von Klagen dürfte bevorstehen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte wenige Stunden nach der Pressekonferenz von Gewessler eine intensive Prüfung des Evaluierungsberichts durch Juristen und meinte: „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“
Blümel erfuhr „aus den Medien“ über Stopp
Gewessler versicherte, dass der türkise Koalitionspartner im Vorfeld über die Entscheidungen informiert gewesen sei. Auch das an die neuen Kriterien geknüpfte Bauprogramm der Asfinag werde nach dessen Ausarbeitung dem Finanzministerium vorgelegt. Aus dem Büro von Finanzminister Gernot Blümel klang das aber ein wenig anders. „Ich habe aus den Medien von der Entscheidung zum Lückenschluss der S1 erfahren. Meine Haltung ist bekannt. Es handelt sich um ein wichtiges Infrastrukturprojekt, das sowohl Anrainer entlasten als auch den Standort stärken würde. Wie bei der Steuerreform gehe ich davon aus, dass man auch diesmal einen gemeinsamen Weg als Bundesregierung findet. Zumal es für das Bauprogramm der Asfinag auch das Einvernehmen mit dem BMF braucht“, wurde der Minister zitiert. Er erwartet sich nun, dass die entsprechenden Gespräche auf Expertenebene rasch aufgenommen werden, „um hier zu einer guten Lösung zu kommen“.
Weniger zurückhaltend äußerte sich die Wiener ÖVP, deren Obmann Blümel ist. „Die heutige Entscheidung von Verkehrsministerin Gewessler ist völlig unverständlich, zeugt von kompletter Verantwortungslosigkeit und ist geradezu ein Schlag ins Gesicht der Wienerinnen und Wiener. Dieser Entscheidung muss entschieden entgegengetreten werden“, befanden Klubobmann Markus Wölbitsch und Verkehrssprecher Gemeinderat Wolfgang Kieslich in einer Aussendung.
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