Am 2. Dezember wird das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs 75 Jahre alt. Die Bilanz zum Jubiläum ernüchtert: Allein im 20. Jahrhundert wurden im kommerziellen Walfang beinahe drei Millionen Großwale getötet. Seit 1986 ist der kommerzielle Walfang zwar verboten, doch die zusätzlichen Gefahren sind vielfältig, und heute gelten 60 der 90 Arten von Walen und Delfinen als gefährdet, stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht.
Der kommerzielle Walfang im 20. Jahrhundert war die größte Massentötung einer Tierordnung in der Geschichte der Menschheit - gemessen an der ‚Biomasse‘. Die massive Dezimierung dieser Tiere, die an der Spitze der Nahrungsnetze stehen, hat die Struktur und Funktionsweise ganzer Meeresökosysteme durcheinandergebracht. Die Folgen dieses Feldzugs sind für die sich langsam fortpflanzenden Meeressäuger noch immer nicht überwunden. Hinzu kommen chemische Verschmutzung, Unterwasserlärm, Plastikvermüllung, Schiffskollisionen, Beifang in der Fischerei sowie klimatische Veränderungen, die den Meeressäugern massiv zusetzen.
Ingenieure funktionierender mariner Ökosysteme
Wir beginnen gerade erst zu verstehen, welche enorm wichtigen Ökosystem-Dienstleistungen Wale einst erbrachten und wieder erbringen könnten, wenn wir sie schützen und die vollständige Erholung ihrer Populationen zulassen. „Es ist eine bittere Ironie, dass die größte Gefahr für die Erholung der Waltierbestände heute der Klimawandel ist - genau jene Bedrohung, zu deren Eindämmung sie beitragen könnten,“ so Fabienne McLellan, Leiterin des Programms zur Einstellung der Waljagd bei der Organisation „OceanCare“.
Die IWC - eine Chronik
1900 bis 1940 töteten Walfänger mehr als 860.000 Wale
Am 2. Dezember 1946 wurde die „Internationale Konvention zur Regulierung des Walfangs“ (englisch ICWR) gegründet
Zunächst war die IWC ein Club weniger Walfangländer, die die sinkenden Walbestände unter sich aufteilen wollten. Die Jagd auf die Meeresriesen stieg in den 1950er Jahren sogar weiter an.
Mehr als 700.000 Meeresriesen wurden während 1960er Jahren gejagt. Ein Quotensystem der IWC wurde ausgetrickst; Länder wie die Sowjetunion und Japan fälschten ihre Fangstatistiken und unterschlugen abertausende Wale.
Erst Mitte der 1970er Jahre wurde der Walfang durch Medienberichte zum öffentlichen Thema und löste weltweite Proteste aus.
1975 gehörten einige Großwale zu den ersten Arten, für die das frisch gegründete CITES*-Artenschutzabkommen ein internationales Handelsverbot beschloss. Das reduzierte die Waljagd gegenüber den 1960er Jahren beträchtlich.
Erst 1982 beschloss die IWC ein Moratorium für den kommerziellen Walfang, das 1986 in Kraft trat und zunächst nur vorläufig gelten sollte, doch seither als kommerzielles Walfangverbot besteht. Bis auf drei Länder hielten sich alle daran: Norwegen und Island legten formalen Widerspruch ein und sind nicht an das Moratorium gebunden; Japan umging das kommerzielle Verbot, in dem es offiziell nun „Wissenschaftswalfang“ betrieb.
2014 befand der Internationale Gerichtshof, dass Japans „Wissenschaftswalfang“ in der Antarktis gegen die IWC-Regeln verstieß. Japan reduzierte die Antarktisjagd daraufhin und kämpfte weiterhin gegen das Moratorium.
Als dies 2018 erneut scheiterte, verließ Japan 2019 die IWC - beendete jedoch die Waljagd in der Antarktis und hat seither die Waljagd annähernd halbiert.
Die ungewisse Zukunft der IWC
Seit dem Austritt Japans 2019 als mit Abstand größtem Beitragszahler hat die IWC ernsthafte Geldsorgen. Verschärft wird die Situation durch die Corona-Pandemie, in der gerade kleinere Mitgliedsstaaten ihre Beitragszahlungen schuldig blieben. Auf einem digitalen Sondertreffen der IWC im Oktober 2021 wurde der Ernst der Lage deutlich. "Ob Japan den vielen Kleinstaaten in der Karibik, Afrika und Ozeanien weiterhin Geld zuschustert, damit sie die Interessen Japans auf der IWC weiterhin vertreten, ist fraglich", so die „Pro Wildlife“-Sprecherin Sandra Altherr. "Sollten sich die Finanzen der IWC stabilisieren, gibt es hingegen gute Chancen, dass sie endgültig zur führenden Walschutzorganisation umgebaut wird."
„IWC ist nicht fit für die Zukunft!“
„Die Internationale Walfangkommission ist nicht fit für die Zukunft“ schlägt die Meeresschutzorganisation „OceanCare“ Alarm. „Während das Walfanglager klare Vorstellungen für die Zukunft der IWC hat, vermisst man eine europäische Vision für die Zukunft des internationalen Walschutzes und ambitionierte diplomatische Initiativen,“ so Fabienne McLellan. Gemeinsam mit knapp 50 internationalen Verbänden legt „OceanCare“ deshalb zum 75. Jubiläum ein Visionspapier vor.
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