Zwei Monate nach dem Abgang als Bundeskanzler hat Sebastian Kurz am Donnerstag auch den Rücktritt als ÖVP-Obmann verkündet - und damit eine große ÖVP-Personalrochade ausgelöst. Alexander Schallenberg ließ am Donnerstagabend wissen, dass er als Kanzler abtritt, wenige Stunden später gab Finanzminister Gernot Blümel den Abschied aus der Politik bekannt. Klarer Favorit als Kanzler und Obmann ist Innenminister Karl Nehammer.
Knalleffekt in der österreichischen Innenpolitik. Schon wieder. Die ohnehin schwer gebeutelte ÖVP braucht nach dem endgültigen Rückzug von Sebastian Kurz einen neuen Parteichef.
Nehammer: Großes Einvernehmen mit Vizekanzler Kogler
Doch allein dabei bleibt es nicht. Die Funktionen Parteivorsitz und Bundeskanzler werden wieder bei einer Person zusammengefasst. Und diese Person ist definitiv nicht der bisherige Regierungschef Alexander Schallenberg. Dieser stellte Donnerstagnachmittag sein Amt zur Verfügung. Als so gut wie sicher gilt, dass der bisherige Innenminister Karl Nehammer (49) aufsteigt - zum ÖVP-Chef und Kanzler. Nehammer hat ein gutes Einvernehmen mit dem grünen Vizekanzler Werner Kogler und ist auch sonst beim Juniorpartner besser angeschrieben als man meinen möchte.
Wird Edtstadler neue Innenministerin?
Karoline Edtstadler ist im Gespräch als Nachfolgerin im Innenressort. Alexander Schallenberg, der sich seit Wochen im Kanzleramt abmüht und dort keine wirklich gute Figur gemacht hat, dürfte wieder ins Außenministerium wechseln - und darüber wohl mehr als nur froh sein. Michael Linhart, der erst vor Kurzem von seinem Botschafterposten in Paris ins Außenamt geholt worden ist, könnte wieder in den diplomatischen Dienst zurückkehren oder die EU-Agenden übernehmen, die derzeit noch bei Edtstadler beheimatet sind.
Blümel verkündet seinen Abgang in Video
Am Abend wurde bekannt, dass auch Finanzminister Gernot Blümel - er ist wie Sebastian Kurz Beschuldigter - zurücktritt. Dem Vernehmen nach wollte die ÖVP nicht mehr abwarten, ob noch weitere Chats, die Blümel belasten, auftauchen. Nicht auszuschließen sind weitere Rochaden. So machten am Donnerstag Gerüchte die Runde, wonach Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Integrationsministerin Susanne Raab und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck als große Wackelkandidatinnen gelten.
Der Ball lag am Donnerstag jedenfalls bei Nehammer und den ÖVP-Landeshauptleuten. Schallenberg und das restliche Regierungsteam waren nur Passagiere. Außer aus Niederösterreich gab es keinen überschwänglichen Jubel für den neuen Bundeskanzler.
Schwarz statt Türkis: Länder geben wieder den Ton an
Die Frage wird sein, wie viel Macht kann sich Nehammer von den Ländern, die mittlerweile wieder das Sagen haben, holen? Wie weit traut er sich, ein eigenes Team zu präsentieren und das türkise System, das der Partei einen enormen Höhenflug, jetzt aber auch einen tiefen Fall beschert hat, aufzulösen? Lang wurde kreuz und quer durch Österreich telefoniert, den Ton gaben Niederösterreichs Landeschefin Johanna Mikl-Leitner, Steiermarks Hermann Schützenhöfer sowie Oberösterreichs Thomas Stelzer an.
Klar ist: Kein Bundesland will auf einen Minister oder eine Ministerin verzichten. Eiserne Regel: Wird jemand ausgetauscht, muss ein Ersatz aus dem jeweiligen Bundesland gefunden werden, sonst gibt es von höchster Stelle kein grünes Licht.
Neuwahlen noch ein Stück wahrscheinlicher
„Stabilität“ ist ein Wort, das am Donnerstag sehr oft zu hören war, und es wird wohl auch in den kommenden Tagen noch sehr oft von sehr vielen Personen bekräftigt werden. Ob allerdings die ÖVP mit dem neuerlichen Kanzlerwechsel und der Postenrochade aus der Krise kommt, bleibt abzuwarten. Die Koalition stehe „auf dünnem Eis“, hat Schallenberg stets betont. Ob das Eis nun dicker wird, ist mehr als fraglich. Die Bruchlinien sind deutlich zu erkennen. Neuwahlen im kommenden Jahr sind noch ein Stück wahrscheinlicher geworden.
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