Sebastian Kurz hat die ÖVP sowohl in lichte Höhen großer Wahlerfolge als auch zurück an den Rand dunkler Abgründe geführt. Nach seinem Rückzug aus der Politik steht seine Partei nur aufgrund starker Länderorganisationen nicht vor dem Nichts. Sie befindet sich jedoch in einer tiefen Krise.
Aufstieg und Fall des Herrn Kurz machen klar, dass Politik nicht nur aus Führungspersonen besteht, denen man wie dem Guru einer Sekte unkritisch huldigt. Eine neue Lichtgestalt hat die ÖVP aber als Nachfolger sowieso nicht zur Hand. Alexander Schallenberg war bloß ein vorübergehender Schattenkanzler von Kurz’schen Gnaden. Dieser hat angeblich sogar seinen Vorgänger angerufen, was er tun solle.
Wäre nun Innenminister Karl Nehammer eine bessere Lösung? Dieser steht – mit Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger vergleichbar – unter dem Generalverdacht, bloß der Marionettenwunsch seiner politischen Heimat Niederösterreich zu sein. Zudem müsste man quer durch alle Ministerien und Ministerbüros Dutzende Kurzparteigänger austauschen. Wichtiger als ein Köpfekarussell sind daher überzeugendere Inhalte der ÖVP.
Die Erfolgsgeschichte von Sebastian Kurz war die eines exzellenten Kommunikators, der Wahlen gewinnt. Thematisch hat er sich biegsam nach Umfragen gerichtet, um auf dieser Basis gut klingende Überschriften als vermeintliches Konzept zu verkaufen. Was unpopulär war, wurde an der Garderobe abgegeben. Daraus resultiert jetzt eine inhaltliche Leere der Partei.
Strategisch ordnete Kurz sachpolitische Fragen dem Plan unter, Wählerstimmen von der FPÖ zu gewinnen. Von der strikten Zuwanderungspolitik bis zu falschen ÖVP-Werbesprüchen über die angeblich gemeisterte Coronapandemie. Nun steht man bundesweit ohne wirkliches Programm minus dem Medientalent Kurz da. Also mit leeren Händen.
So verliert man rechte Wählergruppen zurück an die FPÖ. Bürgerlich-liberale wenden sich lieber den Neos oder sogar den Grünen zu. Ältere Menschen im ländlichen Raum als christlich-konservative Stammwähler, das ist zu wenig.
Bei den Ermittlungen in der Korruptionsaffäre sind zudem nicht nur Sebastian Kurz und sein engstes Umfeld im Beschuldigtenstatus. Auch die Bundespartei der ÖVP wird aufgrund des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigte geführt. Schließlich wurden die vermuteten Taten zu ihren Gunsten begangen.
Es gilt die Unschuldsvermutung. Politisch geht es um mehr als das. Die ÖVP braucht einen Plan der klaren Abgrenzung von Kurz, um nicht zum Inbegriff für allerlei politische Machenschaften zu werden. Das wird schwierig. Hier muss seinem Nachfolger schnell etwas Klügeres einfallen als die demokratiepolitisch seltsame Rechtfertigung eigenen Fehlverhaltens, dass da alle anderen Parteien dasselbe Unrecht begehen würden.
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