Doula im Interview

Die Cheerleaderin der werdenden Mütter

Tirol
05.12.2021 12:00

Der Beruf der Doula ist erst vor Kurzem aus den USA nach Europa gekommen und in Tirol fast gänzlich unbekannt. Doch auch hier gibt es Frauen, die andere bei der Geburt begleiten und für ihr seelisches Wohlbefinden sorgen. Die Innsbruckerin Johanna Barton ist eine davon. Sie sorgt als Doula dafür, dass die Geburt Müttern und Familien als schönes Erlebnis im Gedächtnis bleibt. Bisher hat sie rund zehn Familien begleitet. Die „Tiroler Krone“ traf sie zum Gespräch.

„Krone“: Frau Barton, Sie sind eine Doula. Was ist das?
Johanna Barton: Prinzipiell begleite ich Frauen in der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett. Üblicherweise treffe ich mich in der Schwangerschaft mit der Frau, und wenn der Termin naht, bin ich rufbereit. Dann gehe ich mit ihr in das Krankenhaus oder zur Hausgeburt und bin die ganze Zeit bei ihr. Im Wochenbett unterhalten wir uns darüber, wie die Geburt war und ich helfe im Haushalt, übernehme kurzzeitig das Baby und versorge die Mutter.

Mit ihrer Doulatasche ist Johanna Barton für ihre Einsätze bestens gerüstet. (Bild: Christof Birbaumer / Kronenzeitung)
Mit ihrer Doulatasche ist Johanna Barton für ihre Einsätze bestens gerüstet.

Eine Doula als Ergänzung zur Hebammenarbeit
Wie unterscheiden Sie sich von einer Hebamme?
Hebammen decken den gesundheitlichen Bereich ab. Ich nehme keine Maßzahlen und dokumentiere nichts, was medizinisch überwacht werden muss. Das ist alles Sache der Hebamme. Die Doula hat im Gegensatz dazu die Funktion von körperlicher und vor allem emotionaler Unterstützung bei der Geburt. Denn du bist eigentlich der Cheerleader der Frau – also derjenige, der sie anfeuert. Wenn sie voll an ihre Grenzen geht, kannst du für sie den Raum halten. Bei Kommunikationsproblemen zwischen Klinikpersonal und Familie kann ich auch vermitteln und die Frau an das erinnern, was sie wollte. So fühlt sie sich immer gesehen und gehört und weiß, was los ist, und das medizinische Personal hat nicht den Druck, alles öfter erklären zu müssen. Obwohl zahlreiche Hebammen selbstverständlich auch Ansprechpartnerinnen für emotionale Themen sind, bin ich für alltäglichere Dinge da. Ich ergänze die Hebammenarbeit und arbeite am liebsten als Team.

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Sobald eine Doula anfängt, ihre eigenen Vorstellungen auf die Frau zu übertragen, ist bei mir der Zug abgefahren. Das sollte nicht der Fall sein, im Gegenteil. Sie sollte der Frau helfen, ihre Optionen aufzuzeigen.

Johanna Barton

Eine „Freundin auf Zeit“ für werdende Mamas
Wie kommt es bei den Hebammen an, wenn Sie bei einer Geburt hautnah dabei sind?
Wenn bekannt ist, dass eine Doula kommt, ist schon eine gewisse Hellhörigkeit da. Aber wenn wir zusammenarbeiten, tut es meistens total gut. Oft stelle ich mich nochmal vor, damit sie wissen, dass ich mich nicht einmische. An einem gewissen Punkt trete ich auch zurück, wenn ich merke, dass Hebamme und Frau gut zusammenarbeiten können.

Barton begleitet Geburten im Krankenhaus und auch Hausgeburten, sofern auch eine Hebamme dabei ist. Eine Doula ersetzt keine Hebamme und versucht dies auch nicht. (Bild: Christof Birbaumer)
Barton begleitet Geburten im Krankenhaus und auch Hausgeburten, sofern auch eine Hebamme dabei ist. Eine Doula ersetzt keine Hebamme und versucht dies auch nicht.

Warum braucht es Doulas?
Wir Frauen haben das immer schon gemacht, es war jahrhundertelang die Realität. Immer, wenn eine Frau schwanger war, haben sie die anderen in ihrem Umfeld da durchbegleitet und ihr etwas Gutes getan, ihr etwa Suppe gekocht, den Schweiß von der Stirn gewischt. Jetzt sind wir in einer modernen Gesellschaft. Wir wohnen in Kleinfamilien und oft ganz weit weg von unseren Kernfamilien, über weite Wege getrennt von Mama und Schwiegermutter. Und wer kümmert sich dann um die Frau? Das ist unnatürlich für uns Menschen, dass wir da so alleine durchgehen.

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Ich möchte Frauen stärken, denn ich finde, Frauen und Familien machen sich vulnerabel, wenn sie Kinder kriegen. Mein Ziel ist, dass sie gestärkt daraus hervorgehen.

Johanna Barton

Wie kommt es beim Vater an, wenn sich die werdende Mama eine Doula an ihrer Seite wünscht? Wird das nicht so verstanden, als sei der Vater nicht Stütze genug?
Ich glaube schon, dass das manchmal einen wunden Punkt trifft. Auf der anderen Seite gibt es viele Papas, die total erleichtert sind. Ich habe auch schon Hausgeburten mit Vätern erlebt, wo die Frauen total froh waren, dass ich die Männer einbezogen habe. Sie hätten sich selbst nicht getraut, bestimmte Schritte zu gehen, und sie haben so schöne Momente als Paar erlebt.

„Eine Geburt kann ein schönes Erlebnis sein“
Wer sind Ihre Kundinnen?
Total unterschiedlich. Aber es sind Frauen, die sich für Selbstbestimmung bei der Geburt interessieren, die das als schönes Erlebnis wahrnehmen wollen, und die sich vielleicht ein bisschen entziehen wollen aus diesen Horrorgeschichten. Aus einer normalen Geburt muss man nicht traumatisiert herauskommen. Man kann daraus auch mit einem positiven Erlebnis hervorgehen und daran wachsen.

Studien aus den USA zeigen, dass die Anwesenheit einer Doula bei der Geburt die Wahrscheinlichkeit von Kaiserschnitten reduziert, die Geburt zudem verkürzt und auch zu weniger Schmerzmittelgebrauch führt. (Bild: Christof Birbaumer Kronenzeitung)
Studien aus den USA zeigen, dass die Anwesenheit einer Doula bei der Geburt die Wahrscheinlichkeit von Kaiserschnitten reduziert, die Geburt zudem verkürzt und auch zu weniger Schmerzmittelgebrauch führt.

Was ist nötig, wenn man eine Doula werden möchte?
Feingefühl ist, glaube ich, das Wichtigste. Es braucht auch viel Mut, weil immer wieder Dinge auftreten, die neu für mich sind – jede Geburt ist vom Ablauf her unterschiedlich. Totale Achtsamkeit und Aufmerksamkeit ist nötig und auch der Mut, weiterzugehen, auch wenn man aneckt und vielen vielleicht merkwürdig erscheint.

Was fasziniert Sie am Beruf der Doula am meisten? 
Ich bin immer total berührt von diesem Moment, in dem sich die Mutter selber spüren kann. Wenn man es möglich macht, dass sich die Mutter bei der Geburt fallen lassen kann, dann entsteht etwas Magisches. Es ist so berührend, dass man an dem Moment teilhaben kann. Und wenn die Mutter dann das Gefühl hat, sie schafft es aus eigener Kraft, dass das Kind aus ihr herauskommt, dann nährt mich das total.

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