Im Smartphone-Zeitalter ist Pornographie jederzeit verfügbar - nicht nur für Volljährige, sondern mangels Alterskontrollen auch für Schulkinder. In mehreren europäischen Ländern fordern Jugendschützer daher Alters-Checks beim Aufruf von Porno-Streamingseiten. Eine britische NGO warnt vor Entwicklungsstörungen und einem „korrosiven“ Effekt.
Die britische NGO Barnardo’s betreut mit ihren Sozialarbeitern traumatisierte Kinder und Jugendliche. Sie berichtet auf Basis einer Umfrage unter ihren Mitarbeitern, dass immer mehr Kinder in England und Wales Aktivitäten nachstellen, die sie in Online-Pornos gesehen haben. Die Jugendarbeiter beobachten eigenen Aussagen zufolge einen „korrosiven Effekt“ auf die Entwicklung von Kindern, die Pornos ausgesetzt wurden.
Kinder müssen nicht tippen können, um Pornos zu sehen. Sie können ihnen zugeschickt oder am Handy eines Dritten gezeigt werden. Sie sehen es in der Schule am Gang, auf der Toilette und im Bus.
Jugendarbeiterin Sarah
Und davon gibt es viele. Jugendarbeiterin Sarah zum britischen „Guardian“: „Kinder müssen nicht einmal tippen können, um Pornos zu sehen. Sie können ihnen zugeschickt oder am Handy eines Dritten gezeigt werden. Sie sehen es in der Schule am Gang, auf der Toilette und im Bus. Es wird überhaupt nichts zensiert, ein Video führt zum nächsten.“
Hardcore-Material für jedes Kind zugänglich
Die Jugendarbeiterin macht sich Sorgen wegen der Natur des Materials, das Kinder ohne Zugangsschranke abrufen können. Oft seien auf einschlägigen Seiten Videos abrufbar, in denen eine Fetischisierung familiären Missbrauchs stattfinde - etwa, wenn Pornodarsteller als vermeintliche Stiefväter oder -töchter interagieren.
Sarah: „Ich arbeite mit einem Teenager, der von einem Familienmitglied sexuell missbraucht wurde. Dieser junge Mensch war Pornos ausgesetzt und hat verinnerlicht, was der Täter ihm gesagt hat - dass das normal sei und dass es kein Missbrauch ist.“ Das Phänomen sei gleich auf mehreren Ebenen problematisch: Es bringe Kinder in Gefahr und ermutige die Täter.
„Die Kinder, die wir betreuen, sind schwer geschädigt“
Ihr Kollege Brian hat ähnliche Beobachtungen gemacht. „Leider ist Pornografie für die Mehrheit der Kinder, die zu uns kommen, ein Thema. Die Kinder, die wir betreuen, sind schwer geschädigt.“ Kollegin Lucy pflichtet bei: „Sie kriegen keine Erotik oder Softpornos zu sehen. Sie starten auf einer Pornoseite und bekommen schnell sehr explizites Material zu sehen.“
Wir haben 14-Jährige, die uns erzählen, dass sie es sich ansehen müssen, sobald sie aufwachen.
Jugendarbeiterin Lucy
Bei Teenagern könne der Pornokonsum problematische Ausmaße annehmen. „Wir haben 14-Jährige, die uns erzählen, dass sie es sich ansehen müssen, sobald sie aufwachen.“ Das könne die Entwicklung der Kinder beeinflussen - besonders, wenn es sich um Kinder mit Lernschwäche handle. „Man kann das von ihnen fernhalten, bis sie 13 oder 14 sind, dann sehen sie Pornos und nehmen falsche Erkenntnisse daraus mit - etwa, dass Nein eigentlich Ja bedeutet oder dass Frauen erzwungener Sex gefällt“, so Lucy.
Jugendschützer rufen nach Alters-Checks
Für Jugendschützer wie die Mitarbeiter bei Barnardo’s ist angesichts ihrer Beobachtungen klar: Es müssen Alterskontrollen her. Sie fordern vom Gesetzgeber, entsprechend zu handeln. Und sie sind nicht allein: In Deutschland gibt es - krone.at berichtete - eine ähnliche Debatte, auch dort fordern Jugendschützer schon länger, dass Pornoseiten Alterskontrollen einführen müssen. Die Anbieter zeigten sich bislang unkooperativ.
Mehrere Portale mit Sitz in Zypern ignorierten seit Monaten die Forderung der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, Alters-Checks einzuführen. Der Fall landete beim Verwaltungsgericht Düsseldorf, wo entschieden wurde, dass deutscher Jugendschutz sehr wohl auch für Anbieter im EU-Ausland gelte. Nun drohen den Anbietern Website-Sperren.
Sperren und Alters-Checks theoretisch umgehbar
Problematisch könnte allerdings die technische Umsetzung etwaiger Alterskontrollen oder Sperren werden. Sperren werden üblicherweise beim Anbieter oder bei den Internet-Providern eingebaut und können recht einfach umgangen werden, indem alternative DNS-Server genutzt oder mittels VPN-Diensten ausländische IP-Adressen vorgetäuscht werden.
Würden Alterskontrollen an das Herkunftsland geknüpft, wäre so ein Mechanismus somit ebenfalls leicht zu überlisten: Minderjährige Nutzer müssten sich nur eine IP-Adresse aus einem Land zulegen, in dem beim Besuch von Pornoseiten keine Altersprüfung stattfindet.
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