Nach dem wunderbaren „Colorado“ (2019) bringen Neil Young & Crazy Horse ein weiteres Album in gleicher Besetzung heraus, also mit Nils Lofgren anstelle des in den Ruhestand getretenen Gitarristen Frank „Poncho“ Sampedro. „Barn“ ist ein rundum stimmiges Spätwerk, dass viele Facetten der Zusammenarbeit dieser Musiker abdeckt. Young überzeugt vollends mit dem Songwriting, es gibt keine Füller - die Palette reicht von berührend bis bissig.
Der Opener „Song Of The Seasons“, ein melancholischer Folksong, war im Voraus veröffentlicht worden. Die Klänge von Lofgrens Akkordeon wehen wie ein sanfter Wind durch das Stück („Like The Wind In Your Hair“), begleitet von akustischen Gitarren und Youngs Mundharmonika und seinem zärtlich-fragilen Gesang. Schon werden die E-Gitarren ausgepackt: „Heading West“ (die zweite Auskopplung) kracht im typischen Crazy-Horse-Sound. Young blickt auf seine Kindheit, den Umzug nach der Scheidung seiner Eltern und die „Good Old Days“ zurück.
Hämmern und scheppern
Der Blues darf auch nicht fehlen: Die Mundharmonika leitet „Chance Ain‘t Never Gonna“ ein. Lofgren hämmert ins Piano, Ralph Molinas Schlagzeug scheppert, und Young widmet sich einmal mehr dem Umweltthema. Mit „Canerica“ zieht ein Sturm auf, die E-Gitarren wüten, während Molina stoisch den Takt klopft. Fast schade, dass der Song langsam ausblendet und nicht in eine Endlosschleife wie „She Showed Me Love“ auf „Colorado“ übergeht.
Insgesamt bietet „Barn“ zehn neue Songs, diesen Sommer live aufgenommen in einem restaurierten Stadl aus dem 19. Jahrhundert in den Rocky Mountains. Die Atmosphäre der Session bei Vollmond fängt perfekt „They Might Be Lost“ ein. „The Weather Is Changing“, singt Young zur melancholisch-nachdenklichen Ballade, bevor es mit „Human Race“ wieder richtig laut wird. Young klagt die Menschheit an, niemand schert sich um die Folgen des Klimawandels, poltert er. Youngs Gitarre „Old Black“ heult auf wie ein Hurrikane, und Crazy Horse stehen im Zentrum des Feedback-Sturms.
Im Klang verlieren
Ein sanfter Pianosong, „Tumblin‘ Thru The Years“, lässt durchatmen. Es wäre kompliziert das Leben, singt Young, wenn er ohne seine Liebsten durch die Jahre taumeln müsste - ein schönes Vorspiel auf den Höhepunkt von „Barn“: Der langsame Blues „Welcome Back“, in dem man sich wunderbar verlieren kann, erinnert an „Milkyway“ von „Colorado“, über acht Minuten und 30 Sekunden mäandern die E-Gitarren, mal zart, mal kräftig, immer großartig stimmig.
Das von Young und Niko Bolas produzierte Album erscheint auch als Deluxe-Edition mit dem Film „Barn“ auf Blu-ray. Diese unter der Regie von Youngs Partnerin Daryl Hannah entstandene Dokumentation über Young & Crazy Horse, deren Spirit und ihre Arbeit an „Barn“ wird auch eigenständig veröffentlicht. Eine abschließende Botschaft hat Neil Young am Ende dieses starken Tonträgers: „Vergesst die Liebe nicht!“
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