Knapp einen Monat nach seinem fulminanten Heimsieg beim Flexenrace in Zürs-Lech traf die „Krone“ den Vorarlberger Christian Hirschbühl im Olympiazentrum in Dornbirn zum großen Interview. Der 31-Jährige verrät, was der Triumph mit ihm gemacht hat, warum erst zwei Tage vor dem Rennen feststand, dass er wirklich fahren kann, was bei ihm einen schweren Knick im Kopf verursacht hatte und was passieren muss, damit er vielleicht wieder rennmäßig Riesentorlauf fährt.
Krone: Christian, mittlerweile sind fast vier Wochen seit dem Heim-Weltcupsieg beim Flexenrace in Lech-Zürs vergangen. Haben Sie schon realisiert, was Ihnen da gelungen ist?
Christian Hirschbühl: Nicht wirklich! Und ich weiß auch nicht, wann ich es so richtig checken werde. Am Tag nach dem Rennen habe ich mir die 26-minütige Zusammenfassung der ganzen Finalläufe angeschaut. Es war echt komisch: Ich saß vor dem Fernseher und bin nervös geworden. Obwohl ich den Rennausgang gekannt habe und mir bewusst war, dass ich die Person bin, die da fährt, hatte ich am Schluss Gänsehaut. Weil da Dinge passiert sind, die du im Vorhinein nicht planen kannst. Aber es hat auf jeden Fall etwas mit mir gemacht.
Krone: Was meinen Sie damit?
Hirschbühl: Ich habe gelernt, dass man sich - egal wie schlecht es auch ausschauen mag - die Chance immer offenlassen muss. Dass es sich lohnt, für Dinge zu kämpfen, geduldig zu bleiben und sie erwarten zu können. Eine Erkenntnis, die mir in Zukunft hoffentlich helfen wird.
Krone: Es war ja gar nicht sicher, ob Sie fahren können, oder?
Hirschbühl: Nachdem ich mir im Oktober im Schnalstal beim Training das Knie beleidigt hatte, habe ich drei Wochen vor dem Rennen ehrlich gesagt nicht daran geglaubt. Auch als ich nach einer zwölftägigen Ski-Pause erstmals wieder mit den Jungs auf Schnee trainierte, glaubte ich nicht, dass es gehen wird. Fünf Tage vor Zürs bekam ich aber noch eine gute Behandlung. Als ich dann auf der Piste in Hippach ein positives Feedback bekam, wusste ich, dass ich fahren kann. Das war allerdings erst am Freitag - zwei Tage vor dem Rennen am Arlberg. Rückblickend war es mein großer Vorteil, dass ich keinerlei Erwartungen hatte. Ich ließ alles einfach auf mich zukommen. Das war wohl der Schlüssel, warum der Tag dann so verlaufen ist, wie er verlaufen ist.
Krone: Am Sonntag wartet in Val d’Isère der erste Slalom des Winters. Was sind Ihre Zielsetzungen?
Hirschbühl: Es ist für mich der größte Antrieb, im Slalom wieder dorthin zu kommen, wo ich bereits war. In der Saison 2018/19 bin ich in der Weltcupstartliste von Platz 25 auf Rang zwölf vorgefahren. Im Winter darauf hatte ich einen Super-Saisonstart - und dann verletzte ich mich im Jänner einen Tag vor dem Zagreb-Rennen an den Adduktoren. Die Zeit danach war sportlich gesehen eine der schwersten für mich. Weil ich gemerkt hatte, dass ich der Weltspitze näherkomme und den Sprung nach ganz vorne schaffen könnte. Die Verletzung und die daraus resultierende Zwangspause waren ein schwerer Knick im Kopf. Da musste ich schwer mit mir ringen. Besonders in den ersten paar Wochen, nachdem es passiert ist.
Krone: Was sagt Ihnen Ihr Gefühl, sind Sie auf einem guten Weg, wieder dort anzuschließen, wo Sie bereits waren?
Hirschbühl: Wir hatten in der letzten Saison das stärkste Slalom-Team der Welt. Insofern habe ich einen ganz guten Vergleich, in dem ich mich nicht zu verstecken brauche. Allerdings bin noch nicht ganz happy damit, wie gewisse Sachen vom technischen her laufen. Wenn man mich jetzt fragen würde, ob ich bereit bin für Sonntag, müsste ich sagen: „Ich weiß es nicht!“ Jeder Athlet ringt mit sich selbst, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem es wieder losgeht, wo es drauf ankommt. Du hast als Sportler immer das Gefühl, dass du mehr hättest tun können. Aber ich glaube, da geht es jedem gleich.
Krone: „Juckt“ Sie der klassische Riesentorlauf gar nicht mehr?
Hirschbühl: Es ist nicht so, dass ich keinen Riesentorlauf trainieren würde. In der Saisonvorbereitung war es in den letzten Jahren zumeist eine 50:50-Aufteilung zwischen Slalom und „Riesen“. Derzeit ist die Situation aber so, dass mein Fokus, wenn die Saison losgeht, primär auf dem Slalom liegt. Das heißt aber nicht, dass ich nie wieder einen RTL fahren werde. Anders gesagt: Sollte meine Slalom-Saison eine Granate werden, würde ich fürs kommende Jahr den Riesentorlauf vielleicht wieder dazunehmen. Aber im Moment ist das definitiv nicht geplant. Ich schau, dass ich meine Slalom-Hausaufgaben hinkriege und wäre froh, wenn das funktionieren würde.
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