Für das Event „Red Bull Symphonic“ kooperieren die Austropop-Helden Seiler und Speer mit dem großen Christian Kolonovits und dem Max Steiner Orchester, um an zwei Abenden im Wiener Konzerthaus ihre größten Hits in klassischem Gewand zum Besten zu geben. Wir haben die drei Vollblutmusiker vorab zum Talk gebeten und geben einen Ausblick auf eines der spannendsten Events des Jahres 2022.
„Krone“: Was kann man sich unter dem Überbegriff „Wenn die Klassik ham kummt“ zwischen Seiler und Speer und Christian Kolonovits grob vorstellen?
Christian Kolonovits: Das Projekt ist für mich ungemein spannend. Ich sitze daheim und muss mir beim Schreiben des Orchesters imaginieren, wie alles zusammen klingt. Ist das Schreiberlebnis dasselbe wie das Hör- und Spielerlebnis? Wir arbeiten darauf hin, dass die Elemente von Pop- und Rockmusik mit der Klassik eine Einheit werden. Das ist mitunter das Spannendste, was ich in meinem Leben mache. Das sind zwei grundverschiedene Klangspektren, die man vereinen muss. Wenn es klappt, dann ist es natürlich „orgasmisch“. (lacht)
Bernhard Speer: Wir kamen im Zuge von „Ala bin“ ja schon in den Genuss mit Christian zu arbeiten und deshalb bin ich gespannt, wie das mit anderen Nummern von uns klingt.
Kolonovits: Die Entstehung des Rock passierte in der Barockmusik bei Johann Sebastian Bach. Die Jungs waren damals schon Popstars und haben unglaublich kommerzielle Melodien geschrieben. Sie waren ja von ihren Landesfürsten und Bischöfen abhängig und mussten jedes Wochenende einen Hit schreiben. Bach gelang das bravourös. Bach klang schon mal wie AC/DC. Auch Procol Harum haben sich mit „A Whiter Shade Of Pale“ Anleihen bei ihm genommen - so wie viele andere auch. Später ging das in der Wiener Klassik weiter. Wir verfolgen diesen Weg, nehmen die Anleihen an und gehen positiv darauf zu. Es kommen sicher Originalteile von Johann Sebastian Bach im Programm und man merkt es vielleicht gar nicht. Es werden in den Liedern von Seiler und Speer auch Sachen aus der Spätromantik auftauchen. Wir wollen zeigen, dass wir nicht so weit voneinander entfernt sind. All das ist Unterhaltungsmusik. Die Leute sind nicht wegen den Pfarrern in die Kirche gegangen, sondern wegen Bach. Ähnlich zelebrieren wir es in den heiligen Hallen des Wiener Konzerthauses.
Wie weit ist der Zugang zur Klassik bei Seiler und Speer gegeben?
Christopher Seiler: Der war schon immer da. Ich bin in alle Richtungen extrem musikaffin und da gehört auch die Klassik dazu. Unsere Musik hat ihren Ursprung sicher auch in diesen Bereichen. Die Herausforderung ist, den Abend so zu gestalten, dass wir das Hochkulturelle mit unseren komödiantischen Elementen mixen. Gepaart ist das dann mit Rock- und Popmusik, wobei unser „Herr Inspektor“ damit auch nichts zu tun hat. Der einzig rote Faden bei Seiler und Speer ist der Dialekt, aber das war’s auch schon wieder. In Schönbrunn und auf der Wiener Donauinsel habe ich schon gemerkt, dass ich sehr verhalten bin, wenn ich mit einem Orchester spiele. Vor der Hochkultur lasse ich nicht den Proleten raushängen, sondern singe lieber ruhig meinen Teil runter. (lacht)
Kolonovits: Ein gewisser Respekt vor anderer Musik ist auf jeden Fall etwas Gutes. Man darf sich aber immer die Frechheit leisten, komödiantisch beide Aspekte der musikalischen Stile anzugehen.
Speer: Bislang hatten wir immer zwei bis drei Nummern, die klassischer klangen und das wird jetzt ein ganzes Set, das gut 100 Minuten oder mehr trägt. Das wird sehr spannend.
Erleichtert eure gegenseitige Freundschaft und die Zusammenarbeit in der Vergangenheit das Projekt?
Kolonovits: Für mich ist das eine immense Erleichterung. Ich mache mir damit meinen einsamen Job des Schreibens leichter. Die Jungs vertrauen mir und wissen, dass ich keinen Mist baue. Ich tue das Beste, was ihren Songs inhaltlich und dramaturgisch gerecht wird. Ich bürde mir natürlich viel auf, aber immer mit großem Respekt vor diesen wunderbaren Kompositionen.
Als Seiler und Speer muss man die eigenen Lieder für so ein Projekt auch ein bisschen gehen lassen. Fällt euch das leicht?
Seiler: Das ist überhaupt kein Problem. Wir haben „Ham kummst“ geschrieben. Das Lied ist sowieso irgendwo hingegangen, wo wir nicht mehr hinkommen. (lacht) Bei Christian wissen wir außerdem, wohin die Lieder gehen und dass sie wieder schön zurückkommen. Im besten Fall auf die Bühne des Wiener Konzerthaus im Februar.
Gibt es bei euch Songs, die sich im klassischen Kontext nicht wirklich ausgehen und andere, die sich perfekt dafür eignen?
Speer: Manche unserer Nummern sind dafür gemacht, dass die Klassik einen besonderen Platz hat. Ich bin schon sehr gespannt, was man bei einem Song wie „Principessa“ noch dazudichten kann, aber wenn es dort geht, dann geht es bei jeder Nummer. Bei solchen Dingen ist Christian ja eine Koryphäe.
Kolonovits: Bei Liedern wie „Principessa“ muss man sich auf den Text konzentrieren. Der ist traurig, ehrlich, tragisch und geradeheraus. Es ist eine Charakterstudie vom Allerfeinsten. So einen Text kann ich im Orchester wunderbar umsetzen. Da kann eine „Principessa“ Geige spielen und sich auch aufführen wie eine solche.
Christian, hat ein Text eines Liedes von Seiler und Speer den gleichen Wert wie der Klang und die Melodie?
Kolonovits: Absolut. Ich war lange in Amerika und dort merkte ich beim Country, wie wichtig der Text für die Menschen ist. Vor allem in den Südstaaten weinen sie nicht wegen der Musik, sondern wegen der Inhalte. Das habe ich mit Staunen beobachtet. Das heißt es also, Singer/Songwriter bzw. Liedermacher zu sein. Wenn man sich eine alte Nummer von Bob Dylan anhört, gibt es dort keine komplizierten Harmonien, sie sind total auf den Text bezogen. Dieser Text wird dann aber von wunderschönen Harmonien und einer tollen musikalischen Hook begleitet.
Wo bestehen für euch bei dieser Zusammenarbeit die größten Herausforderungen?
Speer: Das ist eine Frage für Christian, denn die Lieder stehen ja und unsere Herausforderung ist eher das Proben. Darauf freuen wir uns aber extrem.
Seiler: Was die Bühnenabläufe betrifft, funktionieren Seiler-und-Speer-Shows seit jeher aus 50 Prozent Improvisation. Das ist der Rock’n’Roll, den wir lieben. Bei den „Red Bull Symphonic“-Shows sollte aber schon von der ersten bis zur letzten Sekunde alles ausgefeilt sein, damit sie auch wirklich ihre Wertschätzung bekommen. Für zwei Typen wie uns ist das die größte Herausforderung. 2013 wäre das noch voll in die Hose gegangen. (lacht)
Man reift ja mit der Zeit.
Seiler: Wir gären schon wieder. Der Reifeprozess ist schon lange fertig. (lacht)
Christian, du hast dieses Projekt 2020 schon mit der heimischen Drum-&-Bass-Band Camo & Krooked durchzogen. Ist die Kooperation mit Seiler und Speer in diesem Rahmen einfacher?
Kolonovits: Nichts ist einfach und die größte Challenge wird sein, das klanglich so auf die Bühne zu kriegen, dass die Rock- und Klassikelemente gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. Dass diese Fusion für das Publikum so gut wie möglich stattfindet. Es wird ein Wahnsinnsaufwand, weil wir mit Solisten, Chor, Orgel und großem Orchester auffahren. Es geht nicht so sehr darum, dass wir es musikalisch hinkriegen. Jeder einzelne beherrscht sein Instrument perfekt. Aber das Gesamtpaket gut umzusetzen, das ist immer wieder aufs Neue spannend. Das Orchester besteht aus 70 Menschen, 16 sind im Chor, sieben sind in der Seiler-und-Speer-Band. Am Ende werden also gut 100 Leute auf der Bühne stehen.
Seiler: Andere haben nicht einmal so viele Fans. (lacht) So ein Projekt kann man bis zum Sankt-Nimmerleinstag spielen. So wie es „I Am From Austria“ als Musical gibt, wäre doch „Ham kummst“ als Musical super. Jetzt ist es raus. Irgendwann im Ronacher. (lacht) Das Gute ist, das müssen wir selbst nicht spielen. Musicaldarsteller sind andere Kaliber.
Ihr habt 2021 mit Seiler und Speer schon vor 300 Leuten in der Wiener Szene und vor Tausenden beim Nova Rock Encore und auf der Wiener Donauinsel gespielt. Ein Sprung zwischen den Extremen. Ist der Rahmen im Konzerthaus aber ein ganz besonderer, der noch mehr Ehrfurcht verbreitet?
Seiler: Jetzt bin ich noch gar nicht nervös, es überwiegt eindeutig die Freude. Ich würde am liebsten schon morgen spielen. Vor allem dann, wenn man hier so sitzt. Mir macht es unheimlich viel Spaß, etwas Neues zu probieren und eine Abwechslung zu haben. Oft hat man Nervosität vor etwas, was gar nicht so lustig ist. Aber hier - wie ist die Resonanz? Bleiben die Leute bis zum Schluss? Rennen sie weg?
Ihr habt als Seier und Speer mit Christian Kolonovits gemeinsam den Hit „Ala bin“ eingespielt. Kann man den für „Red Bull Symphonic“ noch einmal verändern, oder wird der dem Original sehr nahe sein?
Speer: Wir können die Nummer bombastischer und länger gestalten.
Seiler: Das Orchester bei der Aufnahme von „Ala bin“ war ja kleiner. Das wird hier sicher noch wuchtiger und gewaltiger.
Kolonovits: Für „Ala bin“ habe ich ein besonderes Schmankerl im Kopf. Jeder kennt die Nummer, wie sie ist, aber ich hätte da eine Idee, den Song in der Mitte zu brechen. Vielleicht etwas Einsames einfügen, wo jemand ganz alleine ausstrahlt und musikalisch etwas ganz anders einbringt und dann geht die Nummer zu Ende.
Seiler: Das Tolle an der Verbindung mit dem Orchester ist, dass wir die Nummern viel dramaturgischer gestalten können. Das wird den Unterschied ausmachen.
Gibt es Songs von euch, die in diesem Rahmen vom Klang oder auch von der Botschaft her erst so richtig ihre volle Wirkung entfachen?
Speer: Ich habe das bei „Der letzte Schnee“ beobachtet. Was wir für dieses Projekt daraus gemacht haben, ist zum Original 1:100. Der Song ist an sich schon stark, aber was das Symphonieorchester dazu erzählt hat, das ist ein Wahnsinn. Es wurde dadurch noch eine Geschichte drumherum erzählt. So wird es uns sicher auch noch bei anderen Nummern gehen.
Wie bereitet man sich auf so ein Event vor?
Seiler: Wir müssen auf jeden Fall viel mehr proben als sonst. Es muss alles passen, aber das ist das Schöne an Livemusik. Deshalb haben wir auch noch nie Playback gespielt und treten kaum im Fernsehen auf. Wenn wir dort vorkommen, dann spielen wir live. Ich verabscheue Playback, das ist nicht der Gedanke von Musik. Die Bühne ist das Parkett, auf dem man sich beweisen kann. Dort unterscheidet sich der Gute vom Schlechten.
Kolonovits: Das stimmt. Live auf der Bühne zu spielen wird einem immer mehr verweigert. In Sendungen siehst du immer seltener Musik natürlich sein. Es kann somit nie die volle Emotion rüberkommen.
Seiler: So viele Produkte werden heute nur mehr rausgeworfen, damit die Zahlen stimmen.
Speer: Ein gutes Beispiel war unser Auftritt beim Amadeus Award mit „Ala bin“. Wir haben alle Pläne verworfen, weil wir das unbedingt live spielen wollten.
Seiler: Die waren alles andere als glücklich mit uns. (lacht) Normal schiebst du die Band rein und man kriegt nicht einmal ein ordentliches Mikro. Die glaubten, wir wären die Rolling Stones. Man macht sich keine Freunde damit, aber so ist das eben bei uns.
Speer: Wenn wir etwas präsentieren, dann auch so, wie es sich gehört.
Was waren die wichtigsten Prämissen für euch für das „Red Bull Symphonic“-Projekt?
Seiler: Wir haben uns bei der Songauswahl viele Gedanken gemacht. Es werden 15 Songs sein. Die Prämisse war, dass es ein guter Querschnitt unseres Songmaterials sein muss, aber es müssen solche Songs sein, die mit einem Orchester noch besser wirken. Das war schon Arbeit, aber es hat sich ausgezahlt. Die Fans kriegen das Bestmögliche aus diesem Paket und ich freue mich irrsinnig darauf, das zu präsentieren. Es ist nicht der nächste Schritt für uns, sondern ein ganz anderer. Ich will ihn in meiner Karriere schon jetzt nicht missen. Wir haben die Idee ja nicht besoffen im Proberaum geboren, da steckt schon mehr dahinter. (lacht)
Werden auch eure jeweiligen Solosongs im Set sein?
Speer: Die sind dabei.
Kolonovits: Die Freiheit, dass sich die Musiker ihre eigenen Welten bauen, die muss es natürlich geben und die muss man auch herzeigen.
Speer: Es wird so gerne darüber geredet, dass wir auseinandergehen, weil wir unsere eigenen Songs machen. Dem ist aber nicht so. Das gehört einfach dazu und dieses Material hat genauso den Platz in diesem klassischen Set.
Seiler: Mein allererstes Kabarett war eine Stand-Up-Comedian-Show im Sub in Wiener Neustadt. Das hat drei Stunden und 15 Minuten gedauert. Für mich war es das beste Erlebnis überhaupt, ich hatte nur mehr Glücksgefühle, aber die Leute waren schon am Gehen. So lang wird es bei uns im Konzerthaus auf jeden Fall nicht sein. (lacht)
Was schätzt ihr aneinander musikalisch und menschlich denn besonders?
Speer: Ich finde schön, dass man mit Christian immer auf Augenhöhe arbeiten kann. Das ehrt uns.
Seiler: Nichts für ungut, Christian, uns trennen Jahrzehnte, aber im Studio verhalten wir uns alle wie 13-Jährige. Wenn wir arbeiten, dann sind wir wie im Kinderzimmer vorm ersten PC. Wir probieren alles aus, basteln herum und denken nicht an eine verkaufte Platte oder irgendwas. Ich glaube, das hört man auch. In der kommerziellen Musik hörst du die Freude nicht mehr raus. Da werden Dinge kreiert, die der Markt braucht. Für mich ist das abscheulich.
Kolonovits: Für mich war die Musik immer mit meinem Leben gekoppelt. Es war beides immer eins, da gab es keinen Unterschied. Das haben wir uns erhalten und so fühlen wir uns, wenn wir zusammenarbeiten. Ich finde es schön, dass es das noch so gibt. Wenn ich etwas Negatives sagen darf, dann, dass das in der Musikwelt immer seltener vorkommt. Deshalb ist die Verbindung von Leben und Musik nicht mehr so normal und üblich wie es früher einmal war.
Wann ist das Projekt schlussendlich ein Erfolg?
Kolonovits: Wir haben eine Vision und die muss auf die Bühne. Wenn die gelingt, dann haben wir alles erreicht.
Live im Konzerthaus
Das „Red Bull Symphonic - Seiler und Speer x Kolonovits & Orchester“ geht am 10. und 11. Februar 2022 im Wiener Konzerthaus über die Bühne. Unter www.oeticket.com. gibt es noch Karten für den 10. Februar und weitere Infos zum Crossover-Event des Jahres.
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