Erneut Großdemo gegen die Corona-Maßnahmen in Wien. Wieder befeuert die FPÖ die Emotionen der Kritischen und Radikalen. Ihr Chef Herbert Kickl ruft in martialischen Tönen zum „friedlichen Kampf“ auf. Parteiintern gibt es Widerstände gegen den harten Kurs. Welche Rolle spielen die Blauen bei einer Spaltung der Gesellschaft? Und ist Österreich ein Spezialfall? Experten analysieren.
Um 14.11 Uhr erhebt Kickl die Stimme. Martialisch. Kampf um Freiheit. Gegen Zwang. „Hier sind lauter Menschen, die an das Gute glauben.“ Das Böse in dieser Welt: die Regierung, die kritische Geister als Kriminelle darstelle und eine „Strategie der Entmenschlichung“ verfolge. 1400 Polizisten begleiten den zigtausendfachen Protest. Der verläuft mit viel Emotion - und etwas Eskalation: Eisbrocken werden auf Medienvertreter geschleudert, ein Fall von versuchter Körperverletzung wird angezeigt. Auf der FPÖ-Bühne treten auch Rechtsradikale auf.
Es gibt heftige Kritik am FPÖ-Führer. Vor allem von der Kanzlerpartei. Tirols Landeschef Günther Platter: „Was die FPÖ macht, ist staatsgefährdend.“ Tourismusministerin Elisabeth Köstinger: „Die FPÖ ruft zu Widerstand und fast zur Gewalt auf. Kickl hat Blut an seinen Händen.“
„Schmuddelkind“ FPÖ muss hohen Preis zahlen
Doch welche Rolle spielt die FPÖ bei der Lage der Nation? „Rechtsextremisten nützen die Impfangst für ihre Agenda. Die richtet sich gegen den demokratischen Rechtsstaat“, sagt Politologe Anton Pelinka. Die FPÖ bediene sich dieser „Kakophonie“, um ein Feld zu besetzen, auf das sie Alleinvertretungsanspruch hat. Kickl und Co. zahlen „aber einen hohen Preis. Die FPÖ war lange nicht so isoliert wie jetzt. Sie gleicht dem Schmuddelkind, mit dem niemand spielen will.“ Die Frage stelle sich - welche inhaltliche Substanz kommt nach der Pandemie?
Die Phalanx bröckelt. Nicht nur FPÖ-Urgestein Andreas Mölzer, sondern auch Funktionäre aus Wien, und anderen Bundesländern sind gegen den strikten Kickl-Kurs und plädieren fürs Impfen. Es gibt auch zahlreiche Parteiaustritte. Besonders erregte die Aussage von Dagmar Belakowitsch, wonach hauptsächlich Menschen mit Impfschäden auf Intensivstationen behandelt würden. Kickl hat hier eingelenkt.
Den Blauen könnte eine Zerreißprobe drohen
Doch ist die FPÖ ein Spezifikum in Europa? Der Salzburger Politologe Reinhard Heinisch betreibt internationale Studien. „Es gibt wie in Italien vielerorts mehrere rechtspopulistische Parteien. In Österreich gibt es eine seit Haider, also seit vielen Jahren gewachsene FPÖ.“ Dort, wo die Rechtspopulisten an der Macht seien, wie in Slowenien, „fährt man eine restriktive Corona-Politik. Aber generell sammeln Populisten Leute auf, die noch nicht bei anderen Parteien sind. Bei der FPÖ ist das besonders stark erkennbar.“
Generell wende man sich gegen Eliten. „Das können wie aktuell auch Mediziner und Experten sein. Oder die Regierung.“ Populisten müssen naturgemäß polarisieren. Umso mehr in polarisierten Zeiten wie aktuell. „Trump hat das wunderbar vorgemacht. Es geht um einen Wettkampf der Mobilisierung. Dadurch muss ich radikalisieren.“
Der FPÖ dürfte eine Zerreißprobe drohen, wenn es intern instabil wird. „Solche Parteien müssen mit einer Stimme sprechen. Nun gibt es Probleme. Man wird sehen, wie Kickl damit umgeht. Er muss einen Spagat schaffen.“
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