„Krone“-Interview

Platter: „Politisches Klima immer aggressiver“

Tirol
12.12.2021 11:34

Tirols Landeshauptmann Günther Platter im großen „Krone“-Interview über Corona, das uns noch länger begleiten wird, die FPÖ, die staatsschädigend agiert, Sebastian Kurz, dem die ÖVP viel zu verdanken hatte, und den neuen Kanzler Karl Nehammer, dem er viel zutraut.

„Krone“: Herr Landeshauptmann, wie sehen Sie das zu Ende gehende Jahr 2021 rückblickend? War es ein Jahr zum Vergessen oder gab es doch einige positive Lichtblicke?
Günther Platter: 2021 war erneut ein sehr schwieriges Jahr für uns alle. Ein Lichtblick war sicher der gute, mehr oder weniger coronafreie Sommer. Dass wir so eine starke 4. Welle erleben, war aber nicht vorhersehbar.

Es gab aber Experten, die bereits im August davor gewarnt haben. Wäre der jüngste Lockdown nicht doch zu verhindern gewesen?
In dieser Dimension war die Welle nicht absehbar. Das hat auch die meisten Experten überrascht. Aber natürlich sind im Nachhinein betrachtet Fehler passiert.

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Der Lockdown ist ein Wellenbrecher, bekämpft nicht das Problem. Das Problem kann nur die Impfung lösen.

Günther Platter

War das der letzte Lockdown bzw. wie lange wird uns Corona noch begleiten?
Wir befinden uns weiter mitten in der Pandemie, Corona wird uns sicher noch Jahre begleiten. Und das Virus überrascht uns leider immer wieder. Politiker wie Experten. Ob das der letzte Lockdown war, kann niemand mit Gewissheit sagen. Aber ich werde alles dafür tun, um einen weiteren zu verhindern. Der Lockdown ist ein Wellenbrecher, bekämpft nicht das Problem. Das Problem kann nur die Impfung lösen.

(Bild: LIEBL Daniel | zeitungsfoto.at)

War es richtig, den Lockdown mit heute, Sonntag, zu beenden?
Das haben wir den Menschen Mitte November bei der Konferenz am Achensee versprochen. Und daher habe ich mich vehement für diesen Schritt eingesetzt, weil es auch um die Glaubwürdigkeit der Politik geht. Hätten wir das nicht gemacht, dann hätten uns vermutlich viele gefragt, warum sie sich überhaupt noch impfen lassen sollen. Ja, es ist der richtige Schritt.

Ihr Appell an die Impfgegner im Land?
Ich verstehe ihre Ängste, doch die Impfung ist alternativlos. Deswegen kommen wir um die Einführung der Impfpflicht mit 1. Februar nicht herum. Ich kann nur appellieren: Schützt euch, euer Umfeld und uns alle mit einer Impfung.

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Wofür ich aber absolut kein Verständnis habe ist, wenn man sich vor Krankenhäuser stellt und das medizinische Personal beschimpft.

Günther Platter

Wie beurteilen Sie die Corona-Demonstrationen?
Manche Wut, manchen Ärger und manche Verunsicherung kann ich nachvollziehen. Wofür ich aber absolut kein Verständnis habe ist, wenn man sich vor Krankenhäuser stellt und das medizinische Personal beschimpft. Das geht nicht. Das sind jene Menschen, die in den vergangenen 21 Monaten alles für die Patienten gegeben haben und dabei an ihre absoluten Grenzen gegangen sind. Diesen Leuten muss man danken und sie nicht beschimpfen. Ich habe selbst vor kurzem eine Intensivstation besucht und gesehen, wie es ist, wenn Patienten Atemnot haben, was alles getan wird, damit diese Leute überleben können.

Was sagen Sie zu FPÖ-Politikern wie Abwerzger, Kickl oder Belakowitsch?
Was die machen und sagen, ist staatsgefährdend. Das übersteigt die Oppositionsrolle, für die ich natürlich Verständnis habe. Aber das hat nichts mehr mit normaler Oppositionspolitik zu tun. Ich kenne in keinem anderen Staat Europas eine Partei, die dermaßen die Menschen verunsichert, ihnen suggeriert, dass man mit einem Entwurmungsmittel für Pferde diese Pandemie bekämpfen kann, obwohl dies schon zu Vergiftungen geführt hat. Das ist einfach unverantwortlich.

(Bild: LIEBL Daniel | zeitungsfoto.at)
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Man tut sich mit der FPÖ mit dieser Ausrichtung schon sehr schwer, das gebe ich offen zu.

Günther Platter

Würden Sie mit der FPÖ nun einen anderen politischen Deal eingehen und diese Dinge beiseitelassen oder gibt es derzeit keine Gesprächsbasis mit der FPÖ?
Ich bin einer, der mit allen Parteien redet. Ich spreche auch ständig mit allen Klubobleuten, weil es mir wichtig ist, zu informieren und den Weg bekannt zu geben. Diesen Dialog werde ich fortsetzen, das erwarten sich auch die Menschen. Aber man tut sich mit der FPÖ mit dieser Ausrichtung schon sehr schwer, das gebe ich offen zu.

Gibt es eine Wintersaison?
Wenn wir uns impfen lassen und weiterhin vorsichtig im Umgang sind, dann haben wir gute Chancen auf eine akzeptable Wintersaison. Wir haben nicht aufgesperrt, um gleich wieder zusperren zu müssen.

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Ziel ist es auch, dass wir unsere Schulden innerhalb von zehn Jahren tilgen, damit diese nicht auf Kosten unserer Enkel gehen.

Günther Platter

Themenwechsel: Tirol hat nun fast eine Milliarde Euro an Schulden. Werden das unsere Enkelkinder noch zurückzahlen müssen?
In dieser Ausnahmesituation war es wichtig, das Land zu stabilisieren. Ziel ist es, den Standort Tirol mit seinen Betrieben und Arbeitsplätzen abzusichern. Und das dürfte uns gelingen. Ziel ist es auch, dass wir unsere Schulden innerhalb von zehn Jahren tilgen, damit diese nicht auf Kosten unserer Enkel gehen. Das wäre nämlich unverantwortlich. Im Budget 2022/2023 sind deshalb bereits je 100 Millionen Euro an Schuldenrückzahlung vorgesehen. Trotzdem ist es kein Sparbudget und wir werden auch Schwerpunkte setzen.

Woran denken Sie?
Wir werden mit der Lebensraum Holding Tirol ein Exzellenzzentrum ins Leben rufen. Das wird ein Zentrum für Wissenschaft, Forschung und Gesundheit. Es wird aber auch große Investitionen im Bereich Digitalisierung geben, ausreichend Wohnbauförderungsmittel für den Wohnbau und Sanierungsoffensiven sowie Schwerpunkte im Zusammenhang mit Klima und Energiewende.

War die Regierungsumbildung im Frühjahr richtig?
Ja, sonst hätte ich sie nicht gemacht. Es war die richtige Entscheidung, die geplant und auch gut vorbereitet war.

Wird es vor der nächsten Landtagswahl noch eine weitere Umbildung geben?
Nein, es gibt keinen Grund dazu.

Werden wir 2022 Landtagswahlen in Tirol haben?
Nein, diese finden wie geplant im Februar 2023 statt.

Noch ein Schwenk zur Bundespolitik: Sie waren einer der Ersten, der einst gefordert hat, dass Sebastian Kurz die ÖVP übernehmen soll. Sie haben ihn auch bis zum Schluss unterstützt. Bedauern Sie seine Entscheidung, dass er sich nun komplett aus der Politik zurückzieht?
Wir haben dank ihm große Erfolge erzielt und er hat auch über großes Ansehen im In- und Ausland verfügt. Das darf man nicht vergessen. Aber ich akzeptiere seine Entscheidung. Was man leider feststellen muss ist, dass das politische Klima immer noch aggressiver wird. Ich bin vor 32 Jahren Bürgermeister geworden und seither in der Politik. Ich weiß daher ganz genau, wovon ich rede.

Kurz gratulierte Platter zum Wahlergebnis im Februar 2018. (Bild: GEORG HOCHMUTH)
Kurz gratulierte Platter zum Wahlergebnis im Februar 2018.

Was sagen Sie zu den Chats, die an die Öffentlichkeit gelangt sind?
Über die eine oder andere Äußerung war ich schon sehr verwundert und der Umgangston hat mich geärgert. Es hat mich aber auch gewundert, dass das alles an die Öffentlichkeit gelangt ist.

Angeblich gibt es noch Kurz-Chats, in denen auch schwarze Landeshauptleute angegriffen werden?
Ich kenne die Chats nicht.

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Ich habe auch immer klar gesagt, dass ich ein Schwarzer bin.

Günther Platter

Ist Türkis nun Geschichte?
Mir ist es nie um Farbenspiele gegangen, sondern um Werte. Und ich habe auch immer klar gesagt, dass ich ein Schwarzer bin.

Wie halten Sie es mit dem neuen Bundeskanzler Karl Nehammer?
Ich kenne ihn schon lange und er ist einer, auf den man sich verlassen kann. Er ist ein Mensch, mit dem man gerne auf ein Bier geht. Er hat großes Potenzial.

Wird er länger als Schallenberg Kanzler sein?
Diese Frage ist nach den letzten Monaten natürlich gerechtfertigt. Und ja, er wird sicher länger Kanzler sein.

Hält die schwarz-grüne Bundesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode?
Ja, davon gehe ich aus. Außerdem spüre ich den Willen in der Koalition, das Regierungsprogramm umzusetzen.

Landeshauptmann Günther Platter mit „Tiroler Krone“-Chefredakteur Claus Meinert (re.) und Markus Gassler (Chef vom Dienst). (Bild: LIEBL Daniel | zeitungsfoto.at)
Landeshauptmann Günther Platter mit „Tiroler Krone“-Chefredakteur Claus Meinert (re.) und Markus Gassler (Chef vom Dienst).

Es hat geheißen, dass die Tiroler Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ebenfalls „gewackelt“ hat?
Ich habe mich selbstverständlich hinter sie gestellt, weil sie gute Arbeit leistet. Da hat es keine langen Diskussionen gegeben.

Es hat auch geheißen, dass Sie den Innenminister für Tirol gefordert und Helmut Tomac für diese Funktion vorgeschlagen haben. Stimmt das?
Wir haben sehr gute Leute. Dazu gehört natürlich auch Tirols ehemaliger Landespolizeidirektor Helmut Tomac, der jetzt Generalsekretär im Innenministerium ist. Ganz egal in welcher Position, er ist ein guter Mann.

Vor einigen Monaten hieß es schon einmal, dass Herr Tomac in die Tiroler Landesregierung wechselt.
Das ist nur ein Gerücht.

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