Startschuss für einen Mega-Suchtgift-Prozess in Salzburg: 40 Millionen Euro soll eine Bande mit dem Verkauf von 13,8 Millionen Captagon-Tabletten gemacht haben. Elf Männer und drei Frauen zwischen 27 und 54 Jahren sind angeklagt. Zu Beginn setzte es aber eine Kritik-Lawine der Verteidiger, weil die kürzlich rausgeworfene Dolmetscherin mit dem Kronzeugen zusammen ist.
13 der 14 Angeklagten erschienen – die meisten in Begleitung von Uniformierten. Die Besucherbänke im Gericht verwandelten sich abstandsbedingt in eine Angeklagten-Tribüne. Mehrere österreichische Familien mit libanesischen Wurzeln nahmen genauso Platz wie ein belgischer Speditionskaufmann, ein ungarischer Elektriker und ein deutscher Unternehmer. Nur wenige haben eine Vorstrafe, fast alle haben Kinder und viele sind massiv verschuldet.
Sie alle sollen aber Teil einer „höchst professionellen Suchtgift-Gruppe“ sein, deren Anführer sich versteckt in der Türkei aufhält, führte Staatsanwältin Sandra Lemmermayr aus und benannte die Vorwürfe: Suchtgifthandel und Bildung einer kriminellen Organisation.
13,8 Millionen Tabletten Captagon – auch bekannt als Dschichadisten-Droge – soll die Gruppe aus dem Libanon via Schiffsweg nach Belgien und per Lkw nach Österreich geschmuggelt haben – versteckt in 408 Plastikrollen mit je 34.000 Pillen.
Pizzeria in Bürmoos als Rauschgift-Drehscheibe
Der Vertrieb ging in einer Pizzeria in Bürmoos über die Bühne, berichtet die Anklägerin: Hier sollen die Tabletten anfangs in Pizzaöfen, später in Industriewäschetrocknern, verpackt und versteckt worden sein. „Mit einem Bleimantel um Röntgenstrahlen abzuschirmen.“
Keine einzige Tablette ist sichergestellt worden, es gibt keine Abnehmer und kein Geld. Ein Desaster für Polizei und Staatsanwältin
Verteidiger Kurt Jelinek
Als europäische Produkte kamen die Pillen nach Saudi-Arabien und seien dort um 3,50 Euro das Stück verkauft worden - bei Produktionskosten von drei, vier Cent ergäbe dies einen Gewinn von 40 Millionen Euro. Die Anklägerin ortete eine „strukturierte“ Organisation: Vom Erstangeklagten - ein libanesischer und im Pinzgau lebender Hotelier - als rechte Hand bis zu den Verpackern.
Die Anklage sei „von Fantasie getragen“, kritisierten die Verteidiger. „Es wurde keine einzige Tablette gefunden und auch kein Geld aus dem Drogenhandel, es gibt nicht einmal Transportunterlagen“, so Anwalt Andreas Reischl. Vor allem im Kreuzfeuer: der Kronzeuge, auf dessen Aussagen sich große Teile der Anklage stützen. Und seine offenbar geheim gehaltene Liebesbeziehung zur Haupt-Dolmetscherin, die Tage zuvor deswegen aus dem Prozess flog. Anwalt Kurt Jelinek kündigte sogar eine Strafanzeige an. Und Verteidiger Leopold Hirsch meinte: „Ich mache mir Sorgen um die Polizei.“ Heute wird weiterverhandelt.
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