In Reaktion auf staatliche Kontrolle und behördliche Auflagen für soziale Netzwerke haben Rechtsextreme und Kritiker der Corona-Maßnahmen ihre Online-Strategie einer neuen Studie zufolge angepasst. Besonders der Messenger-Dienst Telegram sei dabei ein Stützpfeiler der rechtsextremen Szene und wichtiger Bestandteil ihrer Radikalisierungsstrategien, heißt es in dem Bericht der Extremismusforscher des Institute for Strategic Dialogue Germany.
Um nicht von etablierten Plattformen wie YouTube oder Facebook gesperrt zu werden, würden die Extremisten dort auf offen rechtsextreme Inhalte verzichten, sagte der Co-Autor der Studie, Christian Schwieter, den Zeitungen der deutschen Funke-Mediengruppe vom Freitag. Stattdessen würden sie dort aber auf ihre Telegram-Kanäle verweisen, die harmlose Namen wie „Fluthilfe“ oder „Hochwasserkatastrophe“ trügen, aber „äußerst antisemitische und rechtsextreme Inhalte“ verbreiteten. Es sei eine „strategische Radikalisierungsspirale“, sagte Schwieter.
Telegram als zentrales Sammelbecken
Für die Analyse „Stützpfeiler Telegram. Wie Rechtsextreme und Verschwörungsideolog:innen auf Telegram ihre Infrastruktur ausbauen“ hat das ISD Germany laut den Funke-Zeitungen sowohl Chat-Nachrichten als auch Verlinkungen etwa von Texten, Videos und Fotos aus knapp 240 öffentlichen Telegram-Kanälen ausgewertet. Telegram sei das zentrale Sammelbecken, das andere Plattformen wie Twitch, Dlive oder Bitchute miteinander verbinde, heißt es demnach in der Studie.
„Poweruser“ geben den Ton an
Dabei seien sogenannte „Poweruser“ zentral, die in der Lage sind, eine große Anzahl an Anhängerinnen und Anhängern an sich zu binden und auf neue Plattformen zu bewegen. Der deutsche Verschwörungsideologe Attila Hildmann sei ein solcher „Poweruser“, genauso der Österreicher Martin Sellner, der Kopf der sogenannten Identitären Bewegung. Sollte der Stützpfeiler Telegram wegbrechen, würden sich zwar Alternativen bilden, es sei aber „extrem schwierig“ und zeitintensiv, die alten Netzwerke wieder aufzubauen, sagte Schwieter.
Problematisch ist dem Experten nach, dass auf den alternativen Plattformen staatlich vorgeschriebene Lösch- und Meldepflichten oft nicht greifen, sodass extremistische und antisemitische Inhalte verbreitet werden könnten. Auf europäischer Ebene bietet laut Schiweter jedoch das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Regulierung digitaler Dienste, der sogenannte Digital Services Act, die Möglichkeit, Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen.
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