Ohne Computerchips läuft buchstäblich nichts: Die kleinen elektronischen Helfer sind unverzichtbar für moderne Automobile und haben sich in den vergangenen Monaten zu einer Mangelware entwickelt, was sich in längeren Lieferfristen auswirkt, und - das ist die nun wirklich schlechte Nachricht - dieser Zustand wird sich in den kommenden Jahren nicht ändern. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger übersteigt die Chip-Nachfrage das Angebot deutlich.
Während der Bedarf bis zum Jahr 2022 um 17 Prozent steigt, wächst das Angebot der Hersteller um gerade sechs Prozent. Angesichts einer Auslastung der Halbleiterfertigungen von 97 Prozent ist eine zügige Ausweitung der Produktion zudem kaum möglich.
„Baldige Besserung nicht in Sicht“
„Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage von Halbleitern wird immer größer“, erklärt Michael Alexander, Partner bei Roland Berger. „Eine baldige Besserung ist nicht in Sicht. Denn der Engpass hat strukturelle Gründe, die in der aktuellen Ausgestaltung der Lieferketten liegen. Die Knappheit der Chips wird bis in das Jahr 2023 und wahrscheinlich darüber hinaus bestehen bleiben. Die angekündigten zusätzlichen Kapazitäten reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken.“
Nadelöhr sind „alte“ Chips
Die Situation wird sich auch deshalb verschärfen, weil die neuen Kapazitäten nicht für die Herstellung älterer Halbleiter aufgebaut werden. Das trifft die Automobilindustrie besonders hart, weil die Hersteller mit ihrer aktuellen Design-Philosophie noch immer auf ältere Chipgenerationen setzen. Verschärft wird der Versorgungsengpass auch dadurch, dass einige Fahrzeugproduzenten inzwischen Lagerbestände aufbauen. Die Halbleiter der älteren Generation stellen aktuell mit rund 95 Prozent den Löwenanteil der in den aktuellen Elektronik-Architekturen der Autos mit Verbrennungsmotoren arbeitenden elektronischen Helfer. Die restlichen fünf Prozent entfallen auf Chips der neuesten Generation.
Zwar ist die Automobilindustrie gerade auf dem Weg, die Elektronik der Modelle neu aufzustellen. Jedoch, so die Untersuchung, werden die traditionellen Unternehmen für diese Umstellung noch mehr als fünf Jahre benötigen. „Langfristig“, so Thomas Kirchstein, Principal bei Roland Berger, „müssen die Hersteller und ihre Zulieferer ihre Design-Philosophie umstellen, um mit den dynamischen Kapazitätsveränderungen in der Halbleiterindustrie Schritt zu halten.“ Die neue Chip-Generation wird vor allem für autonomes Fahren, Infotainmentsysteme und die Antriebssteuerung benötigt.
Etablierte Marken im Hintertreffen
Während die etablierten Hersteller also noch auf die älteren Halbleiter setzen, profitieren die neu gegründeten Unternehmen, die sich vor allem auf Elektroautos konzentrieren, von der Entwicklung der neuen Halbleiter-Generation und verschaffen sich so einen Vorsprung gegenüber den etablierten Marken. „Die von den neuen Anbietern produzierten Modelle vertrauen auf fortschrittliche Architekturen und setzen die neuesten Chips ein. Diese Halbleiter nehmen den größten Anteil der Investitionen ein, sodass diese Unternehmen im Vorteil sind“, stellt die Studie fest. Und: „Daher sollten die Automobilhersteller nicht auf ein Ende der Krise warten, sondern eigene Strategiemaßnahmen einführen.“
Doch nicht allein technische Gründe können die Versorgungskrise verlängern, stellen die Autoren der Untersuchung fest. Der Klimawandel und politische Unsicherheiten machen die Lieferkette zunehmend unberechenbar. So leiden zum Beispiel die Hersteller in Südostasien zunehmend unter Tropenstürmen, die ihre Produktion unterbrechen, und in Taiwan stellen Dürreperioden, die den Wasserbedarf der Fertigungen gefährden, die Hersteller vor Probleme. So benötigt zum Beispiel der weltweit drittgrößte taiwanesische Chip-Produzent TSMC 156.000 Tonnen Wasser - pro Tag. Hinzu kommen Probleme der internationalen Schifffahrt und damit verbundene steigende Transportkosten.
Außerdem sind die Probleme zum großen Teil hausgemacht: Die meisten Hersteller haben mit Beginn der Corona-Pandemie schlichtweg die Bestellmengen der Chips bei ihren Zulieferern heruntergefahren. Die haben umgehend langfristige Rahmenverträge mit anderen Abnehmern abgeschlossen - und haben nun keine Kapazitäten mehr für die Autobauer. Tesla und Polestar haben an ihren Lieferverträgen nichts geändert und sind daher so ziemlich die Einzigen ohne lange Lieferzeiten. Statt teilweise über ein Jahr warten Kunden hier lediglich ein paar Wochen auf ihr bestelltes Auto. (SPX)
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