Sterbehilfe, Flüchtlinge, gespaltene Gesellschaft und Respekt, aber keine Absolution für Sebastian Kurz: Im „Club 3“ von „Krone“, „Kurier“ und „profil“ sprach Kardinal Christoph Schönborn über heikle Themen.
„Wir dürfen nur 130 auf der Autobahn fahren. Wer schneller fährt, wird bestraft, wenn er erwischt wird“, mit einem weltlichen Bild spricht Kardinal Christoph Schönborn sich für die Corona-Impfpflicht aus. Und vergleicht sie mit dem Rauchverbot: „Ich war selber lange Raucher und habe bewundert, wie bereitwillig die Bevölkerung sie angenommen hat.“
Die Einschränkung sieht er gerechtfertigt: „Freiheit ist ein unglaublich kostbares Gut. Aber es gibt sie nicht ohne Verantwortung. Und die Pflicht, den Nächsten zu schützen, ist gerade in einer Pandemie eine Bedingung dafür, dass wir miteinander in Freiheit leben können.“
„Ein fundamentaler Irrtum“
Er habe Verständnis für die Angst mancher Menschen: „Das Virus kann man nicht sehen, nicht greifen. Ja, das ist unheimlich. Da entstehen leicht pseudowissenschaftliche Ideen.“ Ideen, die jeder Grundlage entbehren: „Ich halte es für einen fundamentalen Irrtum zu behaupten, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft weltweit einer Verschwörung aufsitzt.“
Doch wie kann man Impfgegner ins Boot holen? „Schwer. Denn wenn man sich mental ernährt von Videos, die man massenweise im Internet finden kann, bekommt man den Eindruck, dass hier etwas Schreckliches an der Menschheit getan wird.“ Eine Aufgabe käme den Medien zu, die sich „nicht auf diese Phänomene konzentrieren“ sollten. „Das verstellt den Blick auf die große Mehrheit, die vernünftig reagiert.“ Manchmal helfe Humor, „ein bisschen weniger Verbissenheit“.
Bitte erinnert euch, was eure Großerltern erlebt haben, was es heißt, in einer Diktatur zu leben.
Der Kardinal über Vergleiche mit dem Nationalsozialismus
Speziell, was die Sprache betreffe: „Bitte erinnert euch, was eure Großeltern erlebt haben, was es heißt, in einer Diktatur zu leben. Die Frage einer temporären Impfpflicht kann man nicht mit dem Nationalsozialismus vergleichen.“
Flüchtlinge, Sterbehilfe und Respekt für Kurz
Das gelte auch für politische Akteure: „Wenn fraglich wird, ob eine Partei mit dem, was sie propagiert, wirklich dem Gemeinwohl dient, dann ist wirklich Kritik angebracht“, so der Kardinal in Richtung FPÖ und ihren Aussagen zu Corona. Die ÖVP nimmt Schönborn in Bezug auf Migration in die Pflicht: „In diesem Punkt gibt sehr unterschiedliche Standpunkte zwischen uns. Das haben wir öffentlich gemacht. Das hat vermutlich der Regierung und dem Bundeskanzler nicht immer gefallen. Ja, man muss das Problem des Schlepperwesens in der Migration benennen. Aber gleichzeitig geht es in erster Linie um vulnerable Menschen.“ Er spricht sich für einen offiziellen Flüchtlingskorridor wie 2015 aus Syrien aus. Man brauche eine nachhaltige Politik, denn: „Die Flüchtlingsfrage wird uns nicht verlassen. “
Das Verhältnis zwischen der ÖVP und der Katholischen Kirche hatte unter anderem unter der Chat-Affäre gelitten. Dennoch gab es von Schönborn zu Sebastian Kurz’ Rücktritt Worte des Danks: „Das ist kein Persilschein, keine Absolution von realen oder möglichen Fehlern, die er begangen hat in seiner Regierungsverantwortung. Es ist Respekt vor denen, die ein politisches Amt übernehmen.“
Beim Gesetz zur Sterbehilfe hätte die Kirche sich mehr Mitsprache erwartet: „Alle unsere Einwände, die sehr gut begründet waren, sind vom Tisch gewischt worden. Das tut weh. Aber Gott sei Dank hat die Regierung in dem Gesetzesentwurf eine massive Stärkung der Hospizbewegung versprochen, auch eine finanzielle. Der Mensch soll nicht durch die Hand eines Menschen sterben, sondern an der Hand eines Menschen. Und das ist die österreichische Linie gewesen.“
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