Nicht einmal zwei Monate sind es noch bis zu den Olympischen Winterspielen in Peking. Politisch ist die Veranstaltung mehr als brisant: Seit langem sorgen Berichte über gravierende Menschenrechtsverletzungen an der muslimischen Minderheit der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang für Spannungen zwischen dem Westen und China. Die UNO spricht von bis zu einer Million internierten Uiguren, Peking nennt diese Lager „Bildungszentren“, die dem Kampf gegen islamistische Radikalisierung dienten. „Wir sind als Uiguren geboren, aber man zwingt uns Chinesen zu werden“, meint die Uigurin Mechbube Abla.
Es gebe „allgemeine und systematische Menschenrechtsverletzungen, Folter, Zwangssterilisation, sexuelle Gewalt“ in Xinjiang, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die Ende Oktober von 43 Staaten, darunter Österreich in einem Menschenrechtsausschuss der UN-Vollversammlung präsentiert wurde. „Glaubwürdige Berichte weisen auf die Existenz eines großen Netzwerks von Lagern zur “politischen Umerziehung„ hin, in denen über eine Million Menschen willkürlich inhaftiert wurden“, stand darin weiters.
Abla kann diese Berichte bestätigen, hält die Zahlen aber dennoch für zu niedrig angesetzt. Sie verließ Xinjiang 2004, um in Deutschland zu studieren. Damals habe man Ostturkestan - so hieß die Region bis zur Eingliederung in die Volksrepublik China 1949 und wird heute noch so von Anhängern der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung genannt - noch verlassen können, erzählt sie.
Kein Kontakt zu Eltern - sie sitzen im Gefängnis
In Österreich leben laut Abla mittlerweile knapp 500 Uiguren. „Wir sind viele geworden, vor 17 Jahren waren wir nur fünf Leute“, doch in den vergangenen vier Jahren, als die Internierungskampagne in Xinjiang begann, habe die Zahl massiv zugenommen. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in Linz und arbeitet als Altenpflegerin. Zu ihrer Mutter, ihrem Vater und ihrem Bruder hat sie seit vier Jahren keinen Kontakt, sie sind in China in Haft.
Ihre Mutter sei zu 19 Jahren und ihr Vater zu acht Jahren Haft verurteilt worden, erzählt sie. Bei ihrem Bruder gebe es unterschiedliche Informationen, einmal hieß es, er sei zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, ein anderes Mal zu 16 Jahren. „Seine Schuld war, dass er mit seinen Schwestern telefoniert oder ihnen Geld geschickt hat“, glaubt Abla, deren zwei Schwestern ebenfalls im Ausland leben.
Kopftuch-Tragen bestraft
Ihre Mutter habe sie vor zehn Jahren für drei Monate besucht, das könne schon ausreichen für eine Inhaftierung, ebenso wie das Tragen eines Kopftuchs. Zudem hätten ihre Eltern die für Muslime obligatorische Pilgerreise nach Mekka gemacht. Einen genauen Grund für die Inhaftierung ihrer Familie hätten die chinesischen Behörden nicht geliefert. „Sie haben nur gesagt aus politischen Gründen und das bedeutet immer, dass es aufgrund der Religion ist“, so Abla.
„Vor 17 Jahren, als ich zu Hause Studentin war, mussten wir damals schon heimlich beten und die Frauen durften sich nicht bedecken“, erzählt sie. Mit der Zeit seien die Unterdrückungsmaßnahmen extremer geworden. Zwar gebe es noch das muslimische Freitagsgebet, doch werde dieses nur für die Medien veranstaltet, niemand traue sich mehr in die Moschee zu gehen. „Sogar den Kindern uigurische Namen zu geben ist verboten“, betont die Exil-Uigurin.
Warum das chinesische Regime so hart gegen die Uiguren vorgehe, sei offensichtlich, meint Abla. „Meine Heimat ist sehr reich an Bodenschätzen, es gab immer Aufstände gegen das Regime weil diese ganze Unterdrückung Chinas immer schärfer wurde.“ Mittlerweile könne man nicht einmal mehr die uigurische Sprache ordentlich in der Schule benutzen, sie selbst sei schon ab der dritten Klasse nur mehr auf chinesisch unterrichtet worden. Uiguren hätten nur die Wahl, sich entweder zu 100 Prozent zu assimilieren oder eingesperrt zu werden, so Abla.
Großer Traum
Die uigurische Sprache werde systematisch eliminiert und fast alle uigurischen Schriftsteller seien im Gefängnis. „Die uigurische Sprache wird nur mehr zu Hause heimlich gesprochen. Auf der Straße passt man auf, dass man nicht mehr die eigene Sprache spricht.“ Seit vier Jahren sei nicht einmal telefonischer Kontakt mit ihrer Heimat möglich. „Wenn jemand etwas über meine Familie sagen würde, kommt er hinter Gitter.“
Eine Rückkehr in ihre Heimat wäre ihr „großer Traum“, doch sie denke gar nicht darüber nach, weil dies nicht realistisch sei, sagt Abla. Auch wenn sie die österreichische Staatsbürgerschaft hätte, würde sie sich nicht trauen zurückzukehren. Immerhin seien auch sehr viele Leute mit ausländischer Staatsbürgerschaft inhaftiert worden. Da sie sich seit Jahren für die Rechte der Uiguren engagiere, dürfte ihr in China wohl die Todesstrafe drohen, glaubt sie, da ihre „Mutter als einfache Hausfrau schon 19 Jahre Haft“ bekommen habe. Dennoch wolle sie nicht aufhören zu hoffen, sagt sie, aber eines ist klar für sie: „Solange der Westen so gute wirtschaftliche Beziehungen zu China habt, wird sich nichts ändern.“
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