„Hubble“-Nachfolger

Reise zum Urknall: „James Webb“-Teleskop gestartet

Wissenschaft
25.12.2021 14:10

Nach jahrzehntelanger Planung ist das teuerste jemals in der Raumfahrtgeschichte gebaute Weltraumteleskop am Samstag erfolgreich an Bord einer Ariane-Trägerrakete vom europäischen Weltraum-Bahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus ins All gestartet. Mit dem gemeinsam von Weltraumbehörden in Europa, den USA und Kanada gebauten „James Webb Space Telescope“ (JWST) sollen die ältesten Galaxien des Weltalls erkundet werden.

Der Weg bis zum etwa 1,5 Millionen Kilometer entfernten Zielorbit dauert etwa vier Wochen. Wissenschaftler erhoffen sich von den Aufnahmen des James-Webb-Teleskops unter anderem Erkenntnisse über die Zeit nach dem Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren. Erste Daten und Bilder des Teleskops werden frühestens im Sommer erwartet. Die NASA hatte zum Start 344 kritische Punkte der Mission festgestellt, die den geplanten Einsatz des Teleskops bedrohten.

(Bild: NASA/Chris Gunn)

Weihnachtsgeschenk für die Menschheit
„An Bord dieser Rakete sind die Hoffnungen und Träume von Zehntausenden Wissenschaftlern, die von den Erkenntnissen dieser Mission profitieren werden“, sagte NASA-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen wenige Minuten vor dem Start. „Wir haben das Universum noch nie so gesehen, wie Webb es uns zeigen wird.“

„Wir haben der Menschheit auf der ganzen Welt ein Weihnachtsgeschenk bereitet“, sagte Josef Aschbacher, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA kurz nach dem Start - und gab dann zu, besonders aufgeregt gewesen zu sein. „Ich könnte das nicht jeden Tag machen, das wäre nicht gut für meine Lebenserwartung.“

„Große Belohnung kommt immer mit großem Risiko“, sagte NASA-Chef Bill Nelson in einem kurzen Statement. Er schloss mit Worten, die er der Bedeutung des Moments für angemessen hielt: „Gott schütze die Wissenschaftler und Gott schütze den Planeten Erde.“

„Teuerstes astronomisches Risiko der Geschichte“
Das James-Webb-Teleskop wurde laut Betreiberangaben rund 30 Jahre lang entwickelt und kostete etwa zehn Milliarden Dollar (rund 8,84 Mrd. Euro). Es übersteigt die Leistungsfähigkeit des bekannten „Hubble“-Teleskops um ein Vielfaches. „Webb“ soll unter anderem mithilfe eines 25 Quadratmeter großen Spiegels Bilder aus dem frühen Universum liefern. Die Mission ist auf zehn Jahre angesetzt.

Der bisherige Weg des Teleskops war von Problemen begleitet. Das Fachmagazin „Nature“ hatte vom „teuersten astronomischen Risiko der Geschichte“ geschrieben. Ende der 80er-Jahre kam erstmals die Idee eines solchen Teleskops auf, seitdem wurde geplant und gebaut. Immer wieder passierten dabei kleinere Missgeschicke, die Planung verzögerte sich, die ursprünglich auf rund 500 Millionen Dollar geschätzten Kosten schnellten in die Höhe. 2007 hatte das JWST ursprünglich starten sollen - aber der Start verschob sich immer wieder nach hinten.

Danach gab es eine Kontroverse um den Namen, der auf den zweiten Direktor in der Geschichte der NASA zurückgeht. Webb stand in den 60er-Jahren der NASA vor - zu Zeiten, in denen die Behörde die ersten Menschen ins All schickte, aber auch zu Zeiten, in denen ein Mitarbeiter entlassen wurde unter dem Verdacht, dass er schwul sein könnte. Zahlreiche Wissenschaftler hatten eine Umbenennung gefordert, NASA-Chef Nelson lehnte dies jedoch ab.

Teleskop kann „von der Erde aus eine Biene auf dem Mond aufspüren“
Das „James Webb“-Teleskop ist um ein Vielfaches leistungsfähiger als das 1990 ins All gestartete „Hubble“-Teleskop. Während „Hubble“ im optischen und ultravioletten Bereich arbeitet, untersucht „James Webb“ im infrarotnahen. Damit könne das Teleskop, sagte einmal der Astrophysiker John Mather, „von der Erde aus eine Biene auf dem Mond aufspüren“.

(Bild: NASA)

Rot-weiß-rote Technik an Bord
An dem spektakulären Vorhaben sind auch österreichische Forscher und eine Weltraumfirma aus Wien beteiligt. So wirkte ein Wissenschaftlerteam um den Astrophysiker Manuel Güdel von der Universität Wien ab dem Jahr 2003 federführend an der Planung und Konstruktion eines der zahlreichen Instrumente an Bord des Observatoriums im All mit, dem „Mid Infrared Instrument“ (MIRI). Dabei handelt es sich um eine Art virtuelles Labor, mit dem Wärmestrahlung von Gas und mikroskopisch kleinem Staub detektiert werden kann.

Aus den Daten lassen sich Rückschlüsse auf im All befindliche Moleküle ziehen, die Zusammensetzung von Staub im Universum sowie Atmosphären von Planeten untersuchen. Man erhofft sich davon neue Aufschlüsse darüber, welche Bedingungen auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems (Exoplaneten) herrschen.

Die Forscher blicken mit MIRI quasi auch in die Kinderstube von Planetensystemen, die Sterne umkreisenden protoplanetaren Scheiben. Am Ende der darin ablaufenden Prozesse kann ein Sonnensystem wie das unsere entstehen. Derart detailliert in alle Phasen der Planetenentstehung, wie es MIRI verheißt, habe man jedenfalls noch nie blicken können.

Die Wiener Weltraumfirma RUAG Space wirkte überdies an einem der drei Hauptinstrumente des Teleskops mit. So lieferte man zwei hochpräzise Mechanismen für das „Superauge“ namens „NIRSpec“ (Near Infrared Spectrograph). Dieses kann bis zu 100 Himmelskörper wie Galaxien oder Sterne gleichzeitig erfassen. Das Instrument hat eine Masse von rund 200 Kilogramm und wird im Weltraum bei einer Temperatur von minus 238 Grad Celsius arbeiten. Die Wiener Firma lieferte Geräte, die die präzise Halterung und Drehung eines Filterrades und eines Gitterrades des „Auges“ ermöglichen.

Während der Endfertigung des Teleskops auf der Erde war ebenfalls rot-weiß-rote Technik im Einsatz: Die Vorrichtung, um das Weltraumobservatorium drehen und kippen zu können, stammt ebenfalls von RUAG Space. Das Unternehmen lieferte auch die Thermalisolation für die große Kommunikationsantenne des Teleskops.

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